Hattingen. Das Jahrhundert-Hochwasser 2021 hat die Bewohner der Schleusenstraße in Hattingen übel erwischt. Sind ihre Häuser nun besser geschützt?

Die Angst sitzt tief. „Wer einmal so ein Hochwasser erlebt und alles verloren hat, der kommt da nicht mehr gegen an“, gibt Herbert Hornung (78) einen Einblick in seine Seelenlage. So wie vor einigen Tagen, als die Ruhr wieder Hochwasser führte. Über das Schild „Vorsicht Hochwasser“ in der Nähe seiner Wohung auf der Schleusenstraße kann er nur müde lächeln. „Getan hat sich hier seit der dramatischen Nacht damals überhaupt nichts.“

Bei dem Jahrhunderthochwasser Mitte Juli 2021 hatten er und seine Frau – wie viele Menschen in Hattingen – alles verloren. Nur kurze Zeit war ihnen geblieben, bevor die Feuerwehr nachts viele Bewohner der Schleusenstraße evakuieren musste. „Wir fühlen uns hier absolut alleingelassen“, sagt Hornung.

Stadt Hattingen muss noch immer die Schäden an den Gewässerbrücken beheben

Doch wie steht es in Hattingen um den Hochwasserschutz? „Ein komplexes Thema, das viele öffentliche (Stadt, Bezirksregierung Ennepe-Ruhr-Kreis, Ruhrverband, RVR etc.) und private Akteure gemeinschaftlich bewältigen müssen“, teilt die Stadt mit. Der Ruhrverband allerdings schreibt auf Anfrage, dass er in Sachen Hochwasserschutz „nicht der zuständige Ansprechpartner“ ist. „Ihre erste Anlaufstelle für konkrete Fragen zur Ausgestaltung des Hochwasserschutzes vor Ort ist die Kommune, in diesem Fall das Tiefbauamt.“ Und die Bezirksregierung Arnsberg.

Laut Stadt Hattingen ist der Fachbereich Tiefbau „hinsichtlich des Hochwassers 2021 im Wesentlichen mit der Behebung der immensen Schäden aus dem Hochwasser an den städtischen Gewässerbrücken befasst“. Insgesamt 15 Gewässerbrücken im gesamten Hattinger Stadtgebiet müssten erneuert werden.

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Herbert und Marica Hornung im Januar 2022 in ihrer leeren Wohnung in Hattingen an der Schleusenstraße: Sie wurde durch das Hochwasser unbewohnbar.
Herbert und Marica Hornung im Januar 2022 in ihrer leeren Wohnung in Hattingen an der Schleusenstraße: Sie wurde durch das Hochwasser unbewohnbar. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Keine konkreten baulichen Maßnahmen geplant

Was Hochwasserschutz betreffe, sei gerade der Bereich Schleusenstraße sehr speziell. Die Straße grenze überwiegend direkt an das Ruhrvorland, beziehungsweise die Ruhr. Die Stadt habe lediglich die Straßenflächen im Eigentum. „An der Schleusenstraße hat auf Wunsch der Anlieger ein Beratungstermin zu Hochwasserthemen und insbesondere hinsichtlich des privaten Objektschutzes stattgefunden“, erklärt Jana Golus, Pressesprecherin der Stadt.

Konkrete bauliche Maßnahmen seien seitens der Stadt im Bereich Schleusenstraße nicht angedacht oder geplant. „Aufgrund der örtlichen Situation wären dort nur mit immensen baulichen Veränderungen Verbesserungen des Hochwasserschutzes bei extremen Hochwässern wie in 2021 denkbar.“ Das müssten etwa Hochwasserschutzanlagen in mehreren Meter Höhe über rund 300 Meter Länge sein. Durch kleinteilige und im Verhältnis einfach umzusetzende Objektschutzmaßnahmen an den privaten Gebäuden könne jedoch effektiv Hochwasserschutz betrieben werden.

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Schotts und hochwassersichere Fenster

Die sei bereits an einigen Gebäuden durch Einbau von - zum Beispiel – Schotts und hochwassersicheren Fenstern umgesetzt. Hierfür seien Fördermittel aus dem Wiederaufbauprogramm verwendet worden. „Eine Beantragung ist durch die vom Hochwasser 2021 betroffenen Grundstückseigentümer auch jetzt noch möglich. Die Antragsfrist läuft am 30. Juni 2026 ab“, teilt die Stadt mit. Bis dahin hätten betroffene Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung für die Beseitigung von Hochwasserschäden und den Einbau von Präventionsmaßnahmen zu erhalten.

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Auch Freizeitdomizil Ruhrtal und Kratzmühle betroffen

Bei zwei weiteren - damals stark betroffenen – Gebieten, stelle sich die Lage so dar: „Das Freizeitdomizil Ruhrtal liegt im Außenbereich. Die Stadt verfügt über keine angrenzenden Flächen, auf denen Hochwasserschutzanlagen errichtet werden könnten.“ Der Betreiber des Domizils habe kleinere, bauliche Maßnahmen ergriffen, um bei Hochwasser den Wasserzufluss über die Wegeverbindung zur Ruhr unter der Isenbergstraße zu unterbinden.

Ähnlich sei die Lage an der Kratzmühle. Es ist eine Privatstraße, so dass Schutzmaßnahmen von den Eigentümern ergriffen werden müssten. Beratungsgespräche habe die Stadt vor Ort durchgeführt.

Verbessertes Frühwarnsystem

Die Stadt Hattingen weist darauf hin, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe das Frühwarnsystem verbessert hat. Warnungen gibt es jetzt direkt aufs Handy oder Smartphone: Mit der in Deutschland zum 23. Februar 2023 neu eingeführten Technik Cell Broadcast werden Warnungen an viele Mobilfunkgeräte geschickt.

Das ist eine Konsequenz aus der Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021. Damit sei ein App-unabhängiger Warnkanal geschaffen worden, der auf Mobilfunk-Endgeräten funktioniert, um „den Warnmittel-Mix“ zu vervollständigen.

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