Hattingen. NRW fordert 9.000 zurück: Die Selbständige aus Hattingen hätte ihre Schulden verheimlicht. Doch welche Rolle spielen zwei angebliche Betrüger?
Während der Corona-Zeit hatte eine Heilpraktikerin aus Hattingen finanzielle Unterstützung aus dem NRW-Soforthilfeprogramm beantragt. Nun fordert das Land die ausbezahlten 9.000 Euro von ihr zurück: Sie hätte in ihrem Antrag Schulden verheimlicht.
Seit 26 Jahren bietet die Frau aus Hattingen Alternativmedizin für Menschen und Hunde an. Doch die zahlreichen Einschränkungen während der Covid-Pandemie führten im Jahr 2020 offenbar auch in ihrer Naturheil-Praxis zu Umsatzeinbrüchen. Für besonders betroffene Unternehmen und Freiberufler bestand seinerzeit die Möglichkeit, kurzfristig Mittel aus dem Programm „NRW-Soforthilfe 2020“ zu beantragen: Eine Einmal-Zahlung in Höhe von 9.000 Euro, die verhindern sollte, dass Kleinunternehmer durch die gesetzlichen Corona-Auflagen unverantwortlich zu Schaden kommen. Zuständig für die Auszahlung der beantragten Hilfen war in dieser Region die Bezirksregierung Arnsberg.
Soforthilfe war keine allgemeine Wirtschaftshilfe
Bei der NRW-Soforthilfe handelte es sich aber ausdrücklich nicht um eine allgemeine Wirtschaftshilfe für bereits verschuldete Unternehmen. „Die einmalige Pauschale von 9.000 Euro sollte ausschließlich dazu dienen, die finanziellen Folgen der Pandemie abzufedern“, betont Kai Hendrik Teipel, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts Arnsberg. Deshalb hätten die Antragsteller auch ausdrücklich versichern müssen, dass in ihrem Unternehmen vor dem 1. März 2020 keine Liquiditätsengpässe bestanden. Nur dann konnte ihnen das Geld unbürokratisch ausgezahlt worden. Etliche Antragsteller versuchten jedoch, die günstige Gelegenheit für sich auszunutzen.
Die Heilpraktikerin aus Hattingen hatte am 30. März 2020 die Corona-Soforthilfe für ihre Praxis beantragt. Eine bereits bestehende finanzielle Schieflage verneinte sie im Formular. Schon einen Tag später wurden ihr die 9.000 Euro ungeprüft bewilligt. Das Geld war überwiesen, als die Bezirksregierung Arnsberg einen Hinweis vom Amtsgericht erhielt, dass bei der Antragstellerin sehr wohl finanzielle Probleme, nämlich Altpfändungen, vorliegen würden. Offensichtlich hatte sie falsche Angaben gemacht und sich doch in finanziellen Schwierigkeiten befunden. Die Betroffene wurde zu den Vorwürfen angehört. Sie verteidigte sich damit, dass die Altpfändungen gar nicht ihre Heilpraktiker-Praxis beträfen, sondern ihre Onlinefirma, über die sie nebenberuflich medizinische Produkte vertreibe.
Geschäftsmodell für Raucherentwöhnungskur lief schlecht
Ihre Begründung für die Altschulden: Bereits im Sommer 2011 seien zwei Männer, die ein Geschäftsmodell für eine Raucherentwöhnungskur entwickelt hatten, an ihre Internet-Firma herangetreten. Insgesamt habe sie dann über 120.000 Euro investiert. Um dieses Geld fühlt sich die Heilpraktikerin nunmehr betrogen. Deshalb habe sie auch Strafanzeige gegen die beiden Männer aus Hattingen und Duisburg gestellt. Die Staatsanwaltschaft sei jedoch untätig geblieben. Beim Landgericht Duisburg sei zudem ein Zivilverfahren anhängig, in dem sie ihre Groß-Investition von den Männern zurückfordere. Die Altschulden und Pfändungen stammten ausschließlich aus dem Internet-Geschäft. Ihre Naturheilpraxis, für die sie die Corona-Hilfe erhalten hatte, habe damit gar nichts zu tun.
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Das Land NRW sah sich jedoch, wie in viele anderen Coronahilfe-Antragsfällen auch, getäuscht. Es hob deshalb im September 2020 den Leistungsbescheid auf und fordert seitdem die 9.000 Euro von der Heilpraktikerin zurück. Dagegen wehrt sich die Hattingerin und klagt vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg gegen das Land Nordrhein-Westfalen (Az. 1 K 2955/20). Gerichtssprecher Kai Hendrik Teipel erklärt allgemein, worauf es in solchen Fällen ankommt: „Entscheidend bei Subventionen oder Soforthilfeprogrammen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz. Für alle Empfänger von Zuwendungen müssen immer die gleichen Maßstäbe gelten.“
Eine schriftliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die 9.000 Euro an das Land NRW zurückgezahlt werden müssen, wird in den nächsten Tagen erwartet. Wir werden darüber berichten.
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