Hattingen. Aufträge bis 2035 habe sie gehabt, so ein Kumpel. Doch diese Zeche ist in Hattingen längst Geschichte. Geheimnisse über ein Foto & ein Förderseil

So durchlöchert wie kaum eine andere Stadt ist Hattingen, fast nirgends gibt es mehr Tagesöffnungen. Gleichwohl sieht man vom Bergbau hier so gut wie nichts. Auch nicht in Blankenstein, einem Schwerpunktgebiet des Kohleabbaus. Mit einer Zeche mit Aufträgen bis zum Jahr 2035 (!) – und trotzdem längst dicht. Wilfried Isenberg und Ulrich Jordan verraten ihre Geschichte.

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Sichtbare Überbleibsel dieser Zeche kennen die beiden Hattinger. Und nehmen mit auf ihre Spurensuche zu „Hermanns gesegneter Schifffahrt“, eine von Hattingens über 270 bekannten Zechenbetrieben.

Ulrich Jordan (li.) und Wilfried Isenberg zeigen Anlagen der früheren Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Blankenstein.
Ulrich Jordan (li.) und Wilfried Isenberg zeigen Anlagen der früheren Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Blankenstein. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Einen kleinen Trampelpfad unterhalb der Straße „Im Fuchsloch“ geht‘s an diesem Morgen entlang. Stopp ist an einer großen rechteckigen Betonplatte etwas abseits des Weges. „Dies hier“, sagen Ulrich Jordan (64) und Wilfried Isenberg (75), „ist die verschlossene Öffnung zu einem alten Schacht von ,Hermanns gesegneter Schifffahrt‘“. Bis in 160 Meter Tiefe sei hier in den 1950er- und 1960er-Jahren Kohle abgebaut worden.

Betondeckel verschließen einen Luftschacht zur Belüftung des Bergwerks und einen Bergebunker, das heißt, dass dort Material zur Verfüllung abgebauter Strecken (Stollen) bevorratet wurde.
Betondeckel verschließen einen Luftschacht zur Belüftung des Bergwerks und einen Bergebunker, das heißt, dass dort Material zur Verfüllung abgebauter Strecken (Stollen) bevorratet wurde. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Ulrich Jordan: „In Hattingen wurde Kohle dicht unter der Erdoberfläche gewonnen“

Keine hundert Meter entfernt befinden sich mitten auf dem Trampelpfad zwei weitere Steinplatten: Betondeckel, die ein altes Mundloch, also den Eingang eines der Stollen der Kleinzeche, an der Tagesoberfläche verschließen, sagt Ulrich Jordan. Als Mitglied des Vereins Bergbauaktiv-Ruhr e. V. beschäftigt er sich schon seit Jahren mit Kleinzechen in der Region. „In Hattingen“, weiß er, „wurde Kohle dicht unter der Erdoberfläche gewonnen.“

Ulrich Jordan (li.) und Wilfried Isenberg zeigen die verschlossene Öffnung zu einem alten Schacht der Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Blankenstein.
Ulrich Jordan (li.) und Wilfried Isenberg zeigen die verschlossene Öffnung zu einem alten Schacht der Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Blankenstein. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

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Wilfried Isenberg ist unterdessen erstmals auf „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ gestoßen, als er in den 1980er-Jahren nach einem Tagesbruch „Im Fuchsloch“ zu recherchieren begann. Ein Foto, das ihn Anfang der 1970er-Jahre mit seinen Eltern auf der Straße „Zur Maasbeck“ zeigt, hat heute dabei eine ganz besondere Bedeutung für den Blankensteiner, der unweit der früheren Zeche wohnt: Jenes Bild nämlich zeigt im Hintergrund eine alte Holzbaracke, in der einst der Platzwärter der Zeche wohnte. Nach der Zechenschließung, sagt Ulrich Jordan, nutzte es entweder ein ehemaliger Zechenmitarbeiter; oder Obdachlose. Die neue Stadt Hattingen habe es 1970 dann als Behelfsheim klassifiziert - und abgerissen.



Die Holzbaracke, in der einst der Platzwärter der Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Blankenstein wohnte.
Die Holzbaracke, in der einst der Platzwärter der Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Blankenstein wohnte. © Wilfried Isenberg

Der Anfang von „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ habe im Jahr 1956 begonnen - mit 24 Mitarbeitenden, erläutern Jordan und Isenberg. Besitzer war nach ihren Recherchen die Gewerkschaft Wippsterz, eine Schwestergesellschaft der Gesellschaft Hausbach (ab 1965 übernahm Friedrichshöhe, eine andere Schwesterngesellschaft, die Zeche).

Die Fördermenge stieg bis zum Jahre 1966 auf fast 38.000 Tonnen

Zunächst sei im Juni 1956 im Bauamt der Stadt ein Antrag auf eine Baugenehmigung zum Betrieb einer provisorischen Kleinzeche, von Tagesanlagen, Kompressor, Werkstatt, Waschkaue und Bürogebäude eingegangen - dies belegen Akten aus dem Bauarchiv. Es folgten Anträge zur Genehmigung eines Kohlebunkers und einer Holzwohnbaracke für den Platzwärter (1957), den Bau eines Förderturms (1959), einen Anbau am Betriebsgebäude (1960). Und 1964, so Jordan, „sollte sogar ein neuer Schacht weiter östlich abgeteuft werden bis auf 600 Meter, der vorhandene zudem weiter ausgebaut werden“. Von damals jährlich 100 Tonnen Kohle stieg die Fördermenge so bis zum Jahr 1966 auf fast 38.000 Tonnen. Damals umfasste die Belegschaft 121 Mitarbeitende.

Die Ursprünge der Zeche

Das ursprüngliche Grubenfeld der Kleinzeche „Hermanns gesegnete Schifffahrt“ in Hattingen-Welper-Blankenstein, deren Vorläufer gleichen Namens der Konsolidation zweier eigenständiger Zechen entsprungen ist, entstand schon im Jahr 1820.

55 Jahre später wurde die Förderung aber eingestellt -bis zum (Wieder)-Aufbau in der Nachkriegszeit. Dies, sagt Ulrich Jordan, habe wohl nicht zuletzt daran gelegen, dass Heizmaterial damals dringend benötigt wurde und das schwarze Gold unmittelbar an der Tagesoberfläche greifbar war.

Doch schon wenig später war Schluss: Am 12. Dezember 1967 förderten auf „Hermanns gesegneter Schifffahrt“ die noch 25 verbliebenen Kumpel den letzten Wagen Kohle. Dabei, wird damals ein Bergmann in der lokalen Zeitung zitiert, soll die Kleinzeche noch Lieferverträge gehabt haben bis zum Jahr 2035. Nach Recherchen von Ulrich Jordan war die Gewerkschaft Hausbach allerdings Anfang 1967 in Konkurs gegangen, dies habe auch das Ende der mit ihr in enger Verbindung stehenden Zechen eingeläutet.

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Laut Behördenvorgaben hätte die Zechenbesitzer nach der Schließung von „Hermanns gesegneter Schifffahrt“ die Gebäude bis auf die Grundmauern entfern müssen. „Es sind aber“, sagen Jordan und Isenberg und zeigen den Hang hinab Richtung russischem Ehrenfriedhof, „bis heute noch Mauerreste der Zeche vorhanden.“ Und inmitten des inzwischen überwucherten Hanges, fügt Ulrich Jordan noch hinzu, „liegt sogar noch ein altes Förderseil“.