Witten / Hattingen. Eine Frau hat trotz Einweisung kein Bett im St. Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen bekommen. Die Klinik bestreitet, Notfälle nicht aufzunehmen.
Christel Müller (Name v. d. Red. geändert) hat seit ihrer Jugend immer wieder mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen. In den vergangenen Jahren wurde die mittlerweile 83-jährige Wittenerin deswegen rund alle drei Monate in einer Psychiatrie stationär behandelt. Auch jetzt hätte sie dringend einen Platz benötigt. Die Einweisung eines Arztes lag vor. Doch es fand sich zunächst kein Krankenhaus, das die Patientin aufnehmen konnte.
In diesem Zusammenhang gibt es jetzt schwere Vorwürfe gegen das St. Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen-Niederwenigern. Dort hatte eine ihrer Töchter zunächst angerufen, weil die Klinik nach wie vor für Witten zuständige ist. Ärztesprecher Dr. Arne Meinshausen weist darauf hin, dass das Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke nach Wasserschäden im Sommer die Versorgung der Psychiatrie-Patienten aus Witten noch nicht wie geplant übernehmen könne.
Mit gepacktem Koffer ins Krankenhaus
Ein Arzt aus Niederwenigern bestellte die Seniorin auch ein. Sie fuhr mit ihren Töchtern hin – samt gepacktem Koffer für den erwarteten Krankenhausaufenthalt. Doch daraus wurde nichts. Er habe leider kein freies Bett, so der Mediziner.
Nach Zuschlag für Herdecke zieht Hattingen zurück
Den Bau einer eigenen Psychiatrie mit 79 vollstationären Plätzen am Evangelischen Krankenhaus in Witten hat das Land abgelehnt. Stattdessen hat das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke den Zuschlag erhalten, Wittener Patienten mitversorgen zu können. Doch die Eröffnung des Neubaus – für April geplant – verzögert sich immer wieder.Wegen der Erweiterung der Klinik in Herdecke hat sich das St. Elisabeth-Krankenhaus in Hattingen 2019 von eigenen Ausbauplänen getrennt. Ein viergeschossiger Anbau zur Essener Straße hin war geplant, 70 weitere Betten sollten entstehen. 2018 hatte die Klinik noch behauptet, nur diese Erweiterung stelle den Betrieb langfristig sicher.
Einen Aufenthalt in der geschlossenen Abteilung wolle er der alten Dame nicht zumuten. Deren Töchter waren sprachlos. „Warum haben wir die anstrengende Fahrt mit unserer Mutter dann überhaupt unternommen?“ Der Arzt stellte für die darauffolgende Woche ein Zimmer in Aussicht. Die Familie solle sich noch einmal melden.
Eine der beiden Töchter ließ sich daraufhin von der Arbeit freistellen, um die psychisch Erkrankte zu betreuen. Denn sie reagierte immer verwirrter und unruhiger. Ein vernünftiges Gespräch mit ihr war nicht mehr möglich. „Was das bedeutet, kann nur jemand ermessen, der solche Erkrankungen aus eigener Erfahrung kennt“, sagt die Tochter (54). Sie hatte sich bemüht, ihre Mutter in drei anderen Krankenhäusern unterzubringen – vergeblich. „Überall bekam ich dieselbe Antwort. Es gebe kein freies Bett.“
Auch im Herdecker Gemeinschaftskrankenhaus hatte die Tochter in ihrer Not angefragt. Doch auch dort gab es kein freies Krankenhausbett in der Erwachsenenpsychiatrie. Eine Klinik-Mitarbeiterin ließ die Tochter von Christel Müller noch wissen, dass man mit der Erkrankten zunächst ein Aufnahmegespräch führen müsse. Dafür gebe es aber erst in 14 Tagen einen Termin.
Situation gerät außer Kontrolle
Als die mittlerweile durch die akute Erkrankung stark verwirrte Christel Müller ihre zweite Tochter schlug, geriet die Situation zu Hause außer Kontrolle.
Die Töchter meldeten sich erneut beim Krankenhaus in Niederwenigern, betonten, es handele sich um einen Notfall. Der diensthabende Arzt bestellte die Familie erneut ein und gab sich mit mehreren Telefonaten im Krankenhaus größte Mühe, die kranke Seniorin aufzunehmen.
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Die 83-Jährige hatte schließlich Glück im Unglück, weil eine Patientin auf einer Station früher nach Hause gegangen war. „Wir hatten eine Woche lang die Einweisung für meine Mutter in der Tasche, bis es in Hattingen dann schließlich klappte“, sagt Christel Müllers Tochter.
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Die Klinik in Niederwenigern müsse Betten für solche Notfälle vorhalten, erklärt Ärztesprecher Meinshausen. Seine Erfahrung: „Oft werden Patienten dort zunächst abgewimmelt. Man gewinnt den Eindruck, dass sie dort nicht willkommen sind.“
Das St. Elisabeth-Krankenhaus bestreitet das. „Psychiatrische Notfälle und dringliche Indikationen werden jederzeit aufgenommen“, sagt Sprecherin Sandra Flügen.