Hattingen. Die Heimat von Gerhard Wojahn ist Hattingen. Nein, Klein Langenberg, ein Quartier, das es nicht mehr gibt. Er fasziniert mit Vorträgen darüber.


Ja, Gerhard Wojahn mag es, wenn man ihn als Heimatfreund be­zeichnet. Und seine Heimat ist Hattingen, genau genommen natürlich Klein Langenberg, das Quartier, das Ende der 1960er-Jahre für den Karstadt-Neubau abgerissen wird. Zu diesem Zeitpunkt lebt er zwar längst knapp hinter der Stadtgrenze in Stiepel, doch in seinem Herzen ist er immer Hattinger geblieben.

Gerhard Wojahn im Frühjahr 1942 auf der Pontonbrücke in Niederwenigern.
Gerhard Wojahn im Frühjahr 1942 auf der Pontonbrücke in Niederwenigern. © Unbekannt | Unbekannt







Was Gerhard Wojahn so besonders macht: Er hat eine unfassbar große Sammlung von historischen Fotos aus Hattingen, ein schier unerschöpfliches Füllhorn an Erlebnissen und Erinnerungen. Und er schafft es, mit ­seinen Geschichten und Anekdoten die Menschen zu begeistern – alte, aber auch junge. „Hattingen liegt mir einfach näher als Bochum“, sagt er mal in einem Gespräch mit der Redaktion.

Es ist im Juli 2005, als Gerhard Wojahn zum ersten Mal mit ein paar Postkarten in der Hand in die WAZ-Redaktion kommt. Und zu jeder hat er eine Geschichte parat. Wir starten eine Serie: „Hattingen historisch – Bilder aus alten Tagen”. Später folgte eine zweite („Hattingen – damals und heute”) und eine dritte („Historisches Hattingen“). Es sind die beliebtesten historischen Beiträge, die in dieser Stadt gedruckt werden.

Altstadt als Erbe bewahren

„Ziel war für mich immer, Bilder aus der Altstadt als historisches Erbe zu bewahren und gleichzeitig die Veränderungen des Stadtbildes zu erläutern”, sagt Gerhard Wojahn im Gespräch mit der WAZ.

Besonders wertvoll sind seine Geschichten, die er zu erzählen weiß. Seine punktgenauen Beschreibungen der Quartiere, der Ortsteile, der Hattinger Landmarken im Wandel der Zeit – immer wieder lässt er sein Publikum in Lichtbildvorträgen an diesen Erinnerungen teilhaben. Klein Langenberg, klar, liegt ihm immer am Herzen, hier wurde er geboren. Doch auch Huck und Horst, Ruhrtal und Hügelland, und all die anderen pittoresken Flecken finden Beachtung.

Es gibt eigentlich nichts in Hattingen, zu dem er nichts erzählen kann. Das genießen seine Zuhörer – und er genießt, dass es so vielen Menschen gefällt.

Gerhard Wojahn erhält im Alter von 16 Jahren den Einzugsbefehl.
Gerhard Wojahn erhält im Alter von 16 Jahren den Einzugsbefehl. © Unbekannt | Unbekannt







Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest 1928 wird Gerhard Wojahn geboren. „In meiner Jugendzeit speichere ich unbewusst die Eindrücke des Milieus“, erzählt er bei einem seiner zahlreichen Gespräche mit dem Autor. Er erinnert sich: „Am Holschentor werde ich ein­geschult, nach zwei Jahren geht’s zur Heggerfeldschule, dann lande ich zum Glück für die letzten Jahre an der Weiltorschule.“ Hier seien die Weichen für seine Zukunft gestellt worden – „wegen der Schulgeldpflicht konnte ich danach nicht zu einer weiterführenden Schule gehen.“

Im Jahr 1943 fängt Gerhard Wojahn als Postjungbote bei der Deutschen Reichspost an. Doch am Silvestertag des selben Jahres erhält er den Einzugsbefehl der Wehrmacht – im Alter von gerade einmal 16 Jahren und neun Tagen! „Erst neun Monate nach der Gefangennahme durch die Amerikaner erfahren meine Eltern, dass ich noch lebe“, erinnert er sich. Im März 1946 kehrt er unversehrt aus Arbeitslagern in Belgien und Frankreich wieder in sein Klein Langenberg zurück.

Wojahn setzt seine Ausbildung bei der Post fort. Lernt die Stadt kennen, erhascht Blicke in so manch einen Hinterhof und kommt mit den Menschen ins Gespräch. Und wieder speichert er davon vieles ab. Er arbeitet im Sonderpostamt des Marshall-Plan-Sonderzugs (1950) und anschließend auf dem Rathausplatz.

Sammel-Leidenschaft beginnt 1938

Seine Sammel-Leidenschaft beginnt indes schon im Jahr 1938. Als Neunjähriger kauft sich Gerhard Wojahn in der Buchhandlung Ringel für ein paar Pfennige drei Ansichtskarten. „Aber alt sollen sie sein“, betont er. Es ist sein Grundstock, der immer weiter ausgebaut wird. Ab dem Jahr 1952 kommen Aufnahmen, die er mit seiner Kleinbild-Kamera aufnahm, hinzu. Bis heute hat Gerhard Wojahn mehrere hundert Postkarten und Fotos in seiner Sammlung.