Die WAZ veranstaltete den ersten von zwei historischen Abenden mit Gerhard Wojahn im voll besetzten Alten Rathaus.

Hier darf man es ja verraten: Als Gerhard Wojahn im Vorgespräch überlegt, wie lange sein Vortrag über das historische Hattingen wohl dauern würde, sagt er: „Etwa eine Stunde.” Nun, es werden anderthalb – weil es dann doch die eine oder andere Anekdote mehr zu erzählen gibt, die der 80-Jährige charmant verpackt. Mit Details, Kenntnis und viel Humor. Die 90 Zuhörer im voll besetzten Alten Rathaus sind begeistert.

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© WAZ

Die Gäste kommen aus den verschiedensten Winkeln unserer Stadt, alte Schulkollegen des Autors sind darunter, Freunde, Bekannte, historisch Interessierte. Auch mehrere Schulkinder. Fast andächtig sitzen sie im zweiten Geschoss des im Jahre 1576 erbauten Alten Rathauses und lauschen Wojahns Worten: „Es ist das richtige Ambiente für einen Spaziergang – und diesen werden wir jetzt unternehmen.”

Los geht es am Graben, direkt an der Stadtmauer („Handwerker haben 1586 mit ihr begonnen – sie haben fünf Jahre gewerkelt, bis das Ding endlich fertig war”). Hier gibt es die erste Geschichte zu einem eher windschiefen Haus: „Wenn die Hausfrau in einer Ecke einen Eimer Wasser ausgekippt hat, konnte sie in der anderen wieder aufwischen.”

Erinnerungen an die Kindheit

Die Zuhörer nicken. Sie tuscheln. Erinnerungen kommen hoch, die eigene Kindheit. Wehmut vielleicht?

Weiter über den Unter- zum Obermarkt. Ein Bild um 1900: reges Markttreiben, mit Pferdewagen, Federvieh, Kartoffeln und vielen Menschen. „Schauen sie da”, sagt Gerhard Wojahn erklärend, „die Gurken auf dem Bild sind noch krumm – nach den heutigen Verordnungen müssen sie ja alle gerade sein.”

Er zeigt das Haus Johannisstraße 3 mit dem nur einen Meter hohen ersten Geschoss („Leben konnte hier keiner – aber schlafen”), den Kirchplatz („Hier spürt man etwas von der bewegten Vergangenheit dieser Stadt”) und den Haldenplatz („Dort gab es die ersten Sparkasse der Stadt – auf vier Quadratmetern, so groß wie eine Gäste-Toilette”).

Horst und Huck

Horst, Huck, Steinhagen – der ehemalige Postbeamte lässt kein Fleckchen aus und nimmt seine Zuhörer dann noch mit auf eine Tour. Zur Hütte geht's, zum Ruhrbogen, Isenburg, Blankenstein, Hügelland. Ein Raunen geht durch den Saal, als die Bilder der Badeanstalt des Julius Stolle auf der Leinwand flimmern. Ja, so haben viele es noch gekannt – bei herrlichem Sommerwetter in der Ruhr schwimmen. „Und wenn's mal ein bisschen kälter war, hat man den warmen Strom, der von der Hütte kam, gesucht.”

Gerhard Wojahns Spaziergang endet, eine bewegende Runde. Von den Zuhörern gibt es lang anhalten Applaus – danke, Gerhard Wojahn!

Zweiter Vortrag am 19. Mai

Einen zweiten Wojahn-Vortrag veranstaltet die WAZ wieder in Zusammenarbeit mit der Stadt am 19. Mai im Alten Rathaus. Auch hierfür sind alle Plätze ausgebucht.

ZUR PERSON: Gerhard Wojahn

„Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest 1928 hat mich der Klapperstorch in Klein Langenberg abgesetzt”, sagt Gerhard Wojahn über sich selbst. Er ging zur Holschentor-, Heggerfeld- und Weiltorschule, machte eine Ausbildung bei der Post und trug in der Altstadt jahrelang Briefe aus. Im Jahr 1962 zog er mit seiner Frau nach Bochum, behielt Hattingen aber stets im Herzen. Zwischen 2005 und 2008 veröffentlichte die Hattinger WAZ zwei historische Serien mit alten Bildern und Texten von Wojahn (106 Folgen).