Gladbeck. Ein Miele-Motorrad und sein Besitzer Bernhard Balster: beide Jahrgang 1939. Der Gladbecker hat die Geschichte seines Gefährts recherchiert.

Eine Miele aus dem Jahr 1939 ist der ganze Stolz von Bernhard Balster. Der Motorrad-Kenner aus Gladbeck hat die Geschichte des Oldtimers recherchiert – und Erstaunliches entdeckt.

Motorisierte Fahrzeug haben es Bernhard Balster angetan – Zweiräder besonders. Als Lehrling in Vaters Schmiede erwachte diese Leidenschaft, als ein Geselle wegen eines Motorradunfalls im Krankenhaus lag. „Er hat mich gebeten, seine Maschine einmal in der Woche zu starten, damit der Motor nicht einrostet. Das habe ich ausgenutzt, um mit der Puch SGS ein paar Runden zu drehen.“ 16 Jahre jung war Bernhard Balster damals, einen Führerschein hatte er nicht.

Das änderte sich bald. Als junger Mann legte der heute fast 84-Jährige acht Fahrprüfungen ab: Kfz, Motorräder, Lkw mit und ohne Anhänger, Busse und Spezialfahrzeug der Bundeswehr darf er fahren – und er machte reichlich Gebrauch davon, auch beruflich. Nach der Lehre verließ er den väterlichen Betrieb und wurde Fahrlehrer. Privat blieben motorisierte Zweiräder seine Leidenschaft. Vespa, BMW, Suzuki, Horex und etliche andere Modelle standen in seiner Garage. Oldtimer machte er weitestgehend eigenhändig wieder flott.

Jetzt fährt Bernhard Balster sein absolutes Lieblingsstück. Die schwarze Miele mit Sax-Motor, Baujahr 1939, ist eine Rarität. Alles original: von den alten Nummernschildern (vorne auf dem Schutzblech, hinten vom aktuellen GLA-Kennzeichen verdeckt) über die Zweigangschaltung und die antike Werkzeugtasche bis hin zur Ballhornhupe. Dass es sich um ein Vorkriegsmodell handelt, erkannte der Oldtimer-Liebhaber Balster auf den ersten Blick an den außen am Lenkrad angeschlagenen Hebeln für Kupplung und Bremse.

Die Gladbecker Miele Baujahr 1939 hat eine kurvenreiche Geschichte hinter sich

Der Gladbecker hat die Geschichte der 2,25 PS „starken“ Maschine, die er bis auf 55 km/h beschleunigen kann und die 1,9 Liter eines Benzin-Öl-Gemischs auf 100 Kilometern verbraucht, recherchiert und kommt zu dem Schluss: „Ohne Kartoffeln, Schützenfest und Winkeleisen wäre die Miele auf dem Schrottplatz gelandet und nicht bei mir.“ Die Erklärung folgt sofort.

Der Bergmann Stanislaw Czarnetzki aus Marl kaufte das Leichtmotorrad für 334 Reichsmark. Am 18. Februar 1936 wurde es mit dem Kennzeichen IX 253368 zugelassen. So steht es im Kraftfahrzeugbrief. Es ist eine Zweitausfertigung, das Original ging im Krieg verloren.

Der erste Besitzer behielt die Miele bis 1957. Dann kamen die Kartoffeln ins Spiel. Der Bauer Josef Eckermann lieferte Erdäpfel zum Einkellern aus – auch bei Familie Czarnetzki. Auf dem Heimweg hatte er nicht nur leere Kartoffelsäcke, sondern auch das alte Leichtkraftrad auf dem Anhänger. Bernhard Balster: „Es wird angenommen, dass Czarnetzki seine Kartoffeln mit der Miele bezahlt hat.“

Lesen Sie auch:

Eckermann wusste mit seinem neuen Gefährt offenbar nicht allzu viel anzufangen. 1958 meldete er es an, 1960 schon wieder ab, und dann stand es 30 Jahre in einer Scheune. Dort wäre es wahrscheinlich geblieben, wenn der Schützenverein Marl-Frentrop zum Schützenfest 1991 nicht den Bruderverein Altendorf-Ulfkotte eingeladen hätte. Nach der Parade wurde auf dem Hof des Schützenbruders Josef Eckermann weiter gefeiert. Der Gärtner Johannes Kloer, Schütze aus Altendorf-Ulfkotte, nahm bei dieser Gelegenheit die Scheune in Augenschein, und er entdeckte die ziemlich verrostete Miele. So wechselte das alte Schätzchen, dank des Schützenfestes, wieder den Besitzer.

Johannes Kloer ließ das gute Stück in Originalfarbe frisch lackieren und meldete es an. Doch dann kam das böse Erwachen: Schon zur Probefahrt sprang der Motor nicht an. Deshalb landete die Miele in einem alten Geräteschuppen und blieb dort unbeachtet bis 2009. Dann kann kam der Winkelhaken ins Spiel. Damit wollte Bernhard Balster, der damals aushilfsweise Pflanzen der Gärtnerei Kloer auslieferte, die großen Rollwagen im Lkw sichern. „Geh in den alten Geräteschuppen. Da findest du bestimmt, was du suchst“, sagte der Chef.

+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++

Balster fand nicht nur, was er suchte, sondern entdeckte auch die alte Miele „hinter einem Staubvorhang“. Mit dem Besitzer war sich der Gladbecker schnell handelseinig. „Ich habe die Miele für wenig Geld bekommen“, erzählt er, ohne die genaue Summe zu nennen. 3000 Euro musste er dann noch investieren, denn alle notwendigen Reparaturen konnte er nicht eigenhändig erledigen.

Im April 2011 konnte der Oldtimer-Fan seine Miele endlich anmelden, und seither steigt er immer wieder auf und dreht seine Runden. Ehefrau Gertrud, die schon vor der Hochzeit im Jahr 1963 immer gern als Sozia auf seinen Maschinen mitfuhr, gönnt ihm den Spaß von Herzen – obwohl auf der Miele kein Platz für sie ist. Und wenn der Bernhard Balster, der sich mit viel Sport fit hält, eines Tages nicht mehr fährt, bleibt das antike Schätzchen in Familienbesitz. Tochter Regina hat die Begeisterung ihrs Vaters für motorisierte Zweiräder geerbt.

Weitere Berichte und Meldungen aus Gladbeck lesen Sie hier.