Gladbeck. Altes wandert bei Silke Müller in die Werkstatt, nicht auf den Müll. Mit dieser Geschäftsidee hat sie sich in Gladbeck selbstständig gemacht.
Im November hat sich Silke Müller einen Herzenswunsch erfüllt. Sie hat sich selbstständig gemacht und an der Rentforter Straße 13 in der Gladbecker Innenstadt ihren eigenen Laden eröffnet. „Farbkleckserei“ heißt das Geschäft. Und wie der Name zustande gekommen ist, erschließt sich jedem sofort, der neugierig an dem weihnachtlich dekorierten Schaufenster stehen bleibt.
Ausgefallen ist aber vor allem die Geschäftsidee, die Silke Müller da im kleinen Gladbeck verwirklichen möchte. Die 57-Jährige ist nämlich Möbel-Upcyclerin. Sprich: Bei ihr landet Omas alte Kommode auf gar keinen Fall auf dem Sperrmüll, sondern in der Werkstatt. Dort verschafft ihr Müller mit viel Kreativität, Grundierung und Kreidefarbe nebst ein wenig Deko-Schnickschnack ein komplett neues Outfit. In der Regel eines in zarten Pastelltönen oder wolkigen, dunklen Farben. So wird aus jedem lange vernachlässigten Gammelstück ein zeitgemäßer Hingucker, ein Unikat.
Lesen Sie auch
- Innenstadt. Nikolausmarkt Gladbeck: Gericht begrenzt Shoppen am Sonntag
- Infektionswelle. Ärzte müssen mehr Kinder in Klinik schicken
- Einbürgerung. Immer mehr Ausländer in Gladbeck wollen Deutsche werden
- Luxus-Sneaker. Im Laufen Geld verdienen: Gladbecker mit neuem Edel-Sneaker
- Soziales. So wurde eine 79-jährige Gladbeckerin Leihoma Carola
„Altes erhalten, Neues gestalten“ – das ist die Lebensprämisse von Silke Müller. Sie ist absolute Gegnerin der weit verbreiteten Wegwerfkultur. Und mit dem, was die „Farbkleckserei“ zu bieten hat, möchte sie möglichst viele Gladbeckerinnen und Gladbecker ebenfalls davon überzeugen, das Alte mehr zu schätzen.
Der kleine Laden, der über 20 Jahre ein Friseurgeschäft war, hat Silke Müller auf Anhieb gefallen. Sie kam von einer Vorsorgeuntersuchung im St. Barbara-Hospital, als ihr das „Zu-Vermieten-Schild“ ins Auge fiel. Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. „Von da an ging alles ganz schnell“, sagt die Neu-Geschäftsinhaberin. Sie kontaktierte ihre künftige Vermieterin und die städtische Wirtschaftsförderung. So gelang der Start mit Hilfe des Förderprogramms zur Belebung der Innenstadt.
Die „Farbkleckserei“ an der Rentforter Straße ist Showroom und Werkstatt zugleich
Die „Farbkleckserei“ ist nun Werkstatt und Showroom zugleich. Und schon der Eingang mit dem weißen schmiedeeisernen Gitter und der liebevoll arrangierten, natürlich up-gecycelten Deko auf den Stufen zeigt – Silke Müller ist ein Vintage-Fan. Doch auf Kundenwunsch setzt sie auch andere Stilrichtungen um.
Künstlerisch unterwegs war die 57-Jährige schon immer, wie sie erzählt. Sie hat gemalt, später dann kam noch das Wolle-Spinnen hinzu. Doch viel Zeit für Hobbys blieb Silke Müller in der Vergangenheit nie, denn im Mittelpunkt stand über 20 Jahre lang ihre autistische Tochter. Berufstätig, alleinerziehend: Der Alltag war streng getaktet, ohne viel Freiraum für eigene Bedürfnisse. Missen möchte Silke Müller die Zeit aber nicht. „Ich liebe meine Tochter über alles!“, sagt sie und strahlt. Doch als die mit knapp über 20 von sich aus den Wunsch äußerte, in eine betreute WG ziehen zu wollen, da eröffneten sich auch für die Mutter ganz neue, kreative Freiräume.
Silke Müller rettet alte Möbel – und erweckt sie zu neuem Leben
Erst seit einem Jahr lebt Silke Müller, sie kommt aus dem Dortmunder Raum, bei ihrem Lebensgefährten in Gladbeck. Mit eingezogen in das kleine Bergarbeiterhaus sind ihre alten Schätze, viele „gerettete“ Möbel und solche, die noch zu neuem Leben erweckt werden wollen. Denn Silke Müller hatte nach dem Malen und Spinnen ihre neue Leidenschaft entdeckt: das Möbel-upcyceln. Und schon bald ist es deshalb etwas eng geworden im neuen Zuhause in Gladbeck – und die Idee geboren, dass eigentlich eine Werkstatt hermuss.
DIY-Workshops und Einzelcoaching
In der Farbkleckserei, Rentforter Straße 13, kann man nicht nur die „Möbelkunst“ von Silke Müller kaufen, sondern auch Arbeiten in Auftrag geben.Darüber hinaus möchte sie in ihrem neuen Geschäft Do-it-yourself-Workshops und Einzelcoachings anbieten, um noch mehr Menschen davon zu überzeugen, das Upcycling eine nachhaltige Sache ist – und der Umgang mit Kreidefarben und Wachsen gar nicht so schwer.Mehr Infos im Netz auf www.farbkleckserei.de.
Nun ist aus der Werkstatt sogar ein eigenes Geschäft in Gladbecks Innenstadt geworden. „Aus Alt mach’ Neu“ – wie kreativ Silke Müller das angeht, davon sprechen die Ausstellungsstücke, die im vorderen Teil des Geschäftes zu sehen sind. Darunter auch ihr absolutes Herzensmöbel, die Kommode von ihrem Urgroßvater. Ihr hat sie einen zart-türkisfarbenen Anstrich verpasst und Schubladen sowie Seitenteile mit weißen Ornamenten versehen. Die Kommode ist natürlich nicht verkäuflich. Alle anderen alten Schätzchen schon.
Zwei alte Karteischränke aus einer Arztpraxis zeigen, was upcyceln bedeuten kann
Vorher – Nachher: Auch dafür gibt es Anschauungsstücke in der „Farbkleckserei“. So zum Beispiel zwei alte Karteischränke aus einer Arztpraxis. Der eine noch im schmucklosen, leicht ramponierten Originalzustand mit dem langweiligen Charmes eine Zweckmöbels aus den 70er-Jahren. Das Pedant hingegen – in Rosa und Türkis gehalten – mit zarten Glasknöpfen an den Schubladen, passt nun perfekt in jedes Mädchenzimmer.
++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook! ++
Ihre alten Schätze findet Silke Müller in der Regel auf dem Sperrmüll und in Kleinanzeigen. Manchmal werden ihr die Erbstücke von Oma, Onkel und Co auch angeboten. Und wo viele dann nur einen altmodischen Tisch, ein dunkles Sideboard oder eine völlig ramponierte, nutzlose Holzschachtel sehen, entstehen bei der Möbel-Upcyclerin sogleich Ideen, wie so einem ungeliebten Möbel eine zweite Chance im modernen Look verpasst werden könnte.
Neue Geschäftsidee im kleinen Gladbeck
Dass sie mit ihrer Geschäftsidee im kleinen Gladbeck ziemliches Neuland betritt, ist Silke Müller bewusst. „Klar, das ist hier nicht Berlin-Kreuzberg“, sagt die 57-Jährige und lacht. Um den schnellen Verdienst geht es ihr aber auch überhaupt nicht. Wohl darum, keine roten Zahlen zu schreiben. Doch die Finanzen hat sie gut im Blick, schließlich ist sie gelernte Buchhalterin, arbeitet immer noch einige Stunden in der Woche in einem Steuerbüro. Und gut angelaufen ist die „Farbkleckserei“ auch schon – es gibt bereits mehrere Kundenaufträge.