Gladbeck. Winzer Markus Bertram bedankt sich beim Besuch an der Weihnachtshütte der Gladbecker Fluthilfe für die große Hilfe. Er hatte Fluthilfewein dabei.
Fotos an der Weihnachtsmarkt-Hütte der Fluthilfe Gladbeck vergegenwärtigen die verheerende Zerstörung durch die Flut in Dernau im Ahrtal. Aber die Bilder zeigen auch den unermüdlichen Einsatz der Helferinnen und Helfer der Gladbecker Fluthilfe während der letzten Monate. Jetzt war Besuch aus dem Ahrtal in Gladbeck.
Seit dem Hochwasser im Juli arbeitet eine rund 40-köpfige Gruppe rund um Mitinitiator Achim Petersen am Wiederaufbau von Dernau mit. An den vergangenen zwei Wochenenden hatte die Gladbecker Fluthilfe einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt auf der Hochstraße betrieben. „Das machen wir aus zwei Gründen: Teils, um durch den Verkauf von Geld für die Bauarbeiten zu beschaffen und teils, um das Unglück und den Aufbau im Bewusstsein der Leute zu halten“, erklären Achim Petersen und Gianna Cattaneo, Fluthelfer der ersten Stunde.
Lesen Sie auch:
- Regenbilanz: Der Juli war in Gladbeck der Monat mit dem meisten Regen
- Anmeldungen: Diese Grundschulen sind in Gladbeck am beliebtesten
- Straßenumbau: Klima-Projekt gegen Starkregen und Dürre
- Weihnachten: 2G-Regel Heiligabend in den evangelischen Kirchen
Winzer Markus Bertram kam zur Hütte der Fluthilfe auf dem Weihnachtsmarkt
Seit Juli sammeln und sortieren die Helferinnen und Helfer Spenden, fahren jeden Sonntag nach Dernau und packen mit an. „Am Anfang ging es vor Ort ums Schlammschippen, Entkernen und Wegkloppen“, so Achim Petersen, „jetzt sind viele Häuser so weit, dass ausgebildete Handwerker für die weiteren Schritte gebraucht werden“. Dafür will die Gladbecker Gruppe am Stand Geld einnehmen – mit selbst gemachter Weihnachtsdeko, Solidaritätstassen, frischen Waffeln und Glühwein von der Winzergenossenschaft Dagernova aus dem Ahrtal.
Auch Spätburgunder vom Winzer Markus Bertram aus Dernau konnte man am Samstag erwerben. Bertram, der eigens aus dem Ahrtal nach Gladbeck bekommen war, betreibt ein kleines Weingut und wurde von Anfang an von der Gladbecker Fluthilfe unterstützt. Am Samstag ließ er es sich nicht nehmen, seine Gladbecker Freundinnen und Freunde an ihrem Weihnachtsmarkt-Stand zu besuchen und danke zu sagen für die zahlreiche Hilfe aus Gladbeck. „Ich hatte Glück im Unglück“, sagt Markus Bertram und deutet auf die Fotos, die an dem Stand angebracht sind.
Knapp fünf Meter hoch stand das Wasser im Haus von Winzer Bertram
Das Flutwasser hat sein Wohnhaus und seinen Betrieb überschwemmt. Knapp fünf Meter stand das Wasser im Haus. Sämtliche Einrichtungen hat das Wasser zerstört und das Gebäude bis zum ersten Geschoss unbewohnbar gemacht. Der Großteil seiner Weinstöcke und der eingelagerten Flaschen jedoch hat das Hochwasser überstanden. Rückstände von Schlamm an den Etiketten erinnern an das Schicksal von Dernau.
Die Unterstützer der Gladbecker Fluthilfe bringen sich so ein, sagt er, wie es die Familien in Dernau gerade brauchen. Bei den Gebrüdern Bertram musste im Herbst zum Beispiel der Wein geerntet werden, bei der jungen Familie von Anne und Alex Schmidt brauchten die Kinder im Alter von sieben und zehn Jahren als allererstes wieder ein sauberes Zimmer zum Schlafen und Spielen. Nach Monaten, in denen das Paar mit seinen zwei kleinen Töchtern im alten Kinderzimmer von Anne Schmidt lebte, konnte die Familie dank des Einsatzes der Fluthilfe bereits das Obergeschoss des Hauses wieder beziehen. „Am wichtigsten ist, dass sich die Kinder wieder in ihren Zimmern wohlfühlen können.“ Auch Anne und Alex Schmidt waren am Samstag zum Danke-schön-Sagen in Gladbeck und lernten zum ersten Mal auch die Menschen kennen, die die Fluthilfe vor Ort in Gladbeck unterstützen.
Am Stand der Fluthilfe wurde die Betroffenheit der Menschen im Ahrtal wieder deutlich
Auch interessant
Durch die Präsenz des Fluthilfestandes und der betroffenen Menschen konnte die Situation im Ahrtal vielen Gladbeckern näher gebracht werden, zieht Achim Petersen Bilanz. „Hilfe ist weiterhin nötig, viele Menschen bemerken das im Gespräch mit den Menschen, die immer noch die Folgen der Flut beheben.“ Die Mitglieder der Fluthilfe treibe das Gefühl von Menschlichkeit und andauernder Solidarität weiter an. Durch den Stand auf der Hochstraße seien sogar noch weitere Helfer dazu gekommen, wie zum Beispiel ein frühverrenteter Elektriker, der durch den Weihnachtsmarktstand aufmerksam auf die Fluthilfe wurde.
„Alles, was wir selber machen können, machen wir. Für alles andere koordinieren wir Fachleute“, berichtet Petersen weiter. Bei Markus Bertram wurden die ersten Schritte gemacht: „Das Haus ist mittlerweile entkernt und der Schlamm ist raus. Hätten wir das ohne die unermüdliche Hilfe machen müssen, wären wir heute noch am Schlamm schippen“, vermutet er. Die Arbeit scheine an manchen Tagen kein Ende zu nehmen, sagt Gianna Cattaneo. Beim Haus der Bertrams rechnet der Architekt mit mindestens einem weiteren Jahr Bauzeit, bei der Infrastruktur in der Stadt eher mit vier bis fünf Jahren.
Die Zuversicht in den Flutwassergebieten in der Eifel steigt wieder
„Da wird man demütig“, sagt Cattaneo, „aber ich habe auch den Glauben an die Menschlichkeit erfahren. Es gibt so viele, die jeden Sonntag dort hinunter fahren und ihre Zeit einsetzen. Ich habe dort schon so viel erlebt und so viele Gespräche geführt. Dabei habe ich auf jeden Fall schon jede Emotion mitgemacht.“ Die vorrangige Emotion bei Markus Bertram heißt mittlerweile Zuversicht: „Es gibt heute einen ungeheuren Durchhaltewillen im Dorf“, berichtet er. Dass so viele helfen, motiviere die Gemeinde. „So eine Solidarität unter den Menschen ist berührend.“
Dernau auch im Fernsehen
Die Fluthilfe Gladbeck engagierte sich vor allem in Dernau. Dernau ist eine Ahrweiler-Gemeinde und liegt etwa 150 Kilometer entfernt von Gladbeck zwischen Koblenz und Bonn. Das Dorf hat gut 1800 Einwohner, fast alle sind von Schäden betroffen.Fast zwei Drittel aller Häuser sind zerstört. Teile des Alltags und der Bauarbeiten werden von einem Filmteam des SWR begleitet und auch ins Internet gestellt. Die Fluthilfe Gladbeck bittet weiterhin im Spenden.