Gelsenkirchen. Andreas Kowert hat einen engen Draht zu den Moscheegemeinden und einen besonderen Job bei der Polizei Gelsenkirchen. Diese Entwicklung sieht er.

Von der hitzigen Diskussion in der Migrationspolitik bis zum eskalierenden Nahost-Konflikt: Trotz der aktuell gesellschaftlich stark angespannten Stimmung in Deutschland und der wachsenden Vorbehalte vor allem gegenüber muslimisch gelesenen Migranten, scheinen sich die islamischen Gemeinden in Gelsenkirchen nicht zurückzuziehen oder mehr abkapseln zu wollen. Diese Beobachtung macht zumindest jemand, der sehr nah an den Moscheegemeinden dran ist: Andreas Kowert, der Kontaktbeamte für interkulturelle und -religiöse Angelegenheiten (KIA) bei der Polizei Gelsenkirchen. Er sagt: „Ich beobachte nicht, dass sich die Gemeinden jetzt verkriechen – ganz im Gegenteil.“

Man veranstalte mehr Feste als früher, Gemeinden unterschiedlicher Dachverbände würden sich mehr zusammentun und nach außen präsentieren. „Es gibt noch mehr ein gemeinsames und offenes Agieren als früher“, sagt er. Insgesamt sei eher der Wille da, dem islamkritischen Diskurs in Deutschland offen entgegenzutreten.

Das macht der Kontaktbeamte für interkulturelle Angelegenheiten bei der Polizei Gelsenkirchen

Wenn Kowert so etwas sagt, dann bildet er sein Urteil aus einer Langzeitbetrachtung: Seit April 2024 ist der KIA ein Vollzeit-Job. Zuvor aber war der Polizeibeamte schon sechs Jahre lang so etwas wie der Experte für multikulturelle Angelegenheiten im Gelsenkirchener Präsidium.

Allerdings war diese Tätigkeit zum einen ein Nebenamt. Und zum anderen war sie ausschließlich auf den Islam bezogen: Kowert trug viele Jahre lang den Titel „Kontaktbeamter für muslimische Institutionen (KMI)“. Das Innenministerium übertrug dann Ende 2023 alle KMI-Aufgaben auf den neu geschaffenen Kontaktbeamten für interkulturelle und religiöse Angelegenheiten, den KIA. Wie die Bezeichnung schon sagt, ist Kowerts Aufgabenspektrum größer geworden – er setzt jetzt auch auf einen engen Draht zu jüdischen oder den christlichen Gemeinden.

Andreas Kowert ist der Kontaktbeamte für interkulturelle und -religiöse Angelegenheiten bei der Polizei Gelsenkirchen.
Andreas Kowert ist der Kontaktbeamte für interkulturelle und -religiöse Angelegenheiten bei der Polizei Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Die Aufgaben des KIA sind zweigeteilt: Einmal ist da die interne Arbeit im Polizeipräsidium, Kowert schult seine Kollegen in Sachen interkultureller Kompetenz. Andererseits ist da die Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit bei und mit den Gemeinden – die Kowert übrigens ausschließlich in deutscher Sprache bewältigt.

„Die Kontaktaufnahme ist einfach, schwieriger ist es, einen vertrauensvollen Kontakt herzustellen“, sagt er. „Das geht bei manchen schneller, bei manchen einfacher.“ Wichtig sei jedoch, die Gemeinden etwa nicht pauschal anhand ihrer Zugehörigkeit zu einem Dachverband zu bewerten.

Es ist ein Ratschlag, der für aktuelle Debatten in Gelsenkirchen eine besondere Bedeutung hat. Zum wiederholten Male hatten SPD, CDU und FDP im November 2024 durch einen gemeinsamen Antrag durchgesetzt, dass ein Moscheeverein kein Geld aus den Bezirksforen bekommen soll, die Vereinen und Initiativen ermöglichen, niederschwellig an finanzielle Zuschüsse zu kommen. Im Mittelpunkt steht dabei die Irritation darüber, dass Moscheegemeinden einem umstritteneren Dachverband angehören – in Gelsenkirchen ging es bislang vor allem um die Zugehörigkeit zur Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), da die „„Millî Görüş“-Bewegung im NRW-Verfassungsschutzbericht auftaucht.

„Gelsenkirchen ist kein Hotspot für Radikalisierung“

Andreas Kowert ist in seiner Position niemand, der sich in politische Debatten einmischen würde. Seine Facheinschätzung ist aber die folgende: „Man kann von einem Dachverband nicht unmittelbar auf örtliche Moscheegemeinden schließen. Sie agieren überwiegend autark, bekommen zwar finanzielle Unterstützung vom Dachverband, das Leben in der Moschee kann aber bei Vereinen unter demselben Verband komplett unterschiedlich sein.“ Mit IGMG-Moscheen habe er in Gelsenkirchen keine schlechten Erfahrungen gemacht. „Die Zusammenarbeit läuft hier wie mit allen anderen Moscheen völlig unproblematisch.“

Aber wann gehen bei Kowert überhaupt die Alarmglocken an? Wann sieht er die Notwendigkeit, eine Gemeinde kritischer zu beobachten? „Wenn zum Beispiel auffällt, dass sich viele Gemeindemitglieder plötzlich komplett verhüllen oder wenn eine antisemitische Einstellung erkennbar ist“, sagt er. Generell sei Gelsenkirchen aber „kein Hotspot für Radikalisierung.“ Sein Ziel sei es, ein so gutes Verhältnis zu den Gemeinden herzustellen, dass sich diese aufgrund des Vertrauensverhältnisses zur Polizei sogar selbst melden, sollten vereinzelte Mitglieder problematische Tendenzen zeigen.

Schließlich laufe die Radikalisierung mittlerweile sehr individuell ab, nicht mehr über Hassprediger im öffentlichen Raum, sondern über reaktionäre Islam-Influencer im Netz. „Deswegen versuche ich in den Gemeinden dafür zu sensibilisieren“, sagt er. „Und zu zeigen, dass die Polizei da ein vertrauensvoller Ansprechpartner sein kann.“

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