Gelsenkirchen. Gewerkschaften, Bund und Städte streiten um den Lohn von 2,5 Millionen Beschäftigten. Jetzt werden das auch viele Gelsenkirchener spüren.
Im aktuellen Tarifkonflikt für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bahnt sich der nächste Streik an. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den städtischen Kindertagesstätten, bei der Stadtverwaltung, bei Gelsendienste (Streik am Donnerstag und Freitag), den Stadtwerken und dem Musiktheater in Gelsenkirchen sind aufgerufen, am 13. Februar die Arbeit niederzulegen. Um 9 Uhr sollen sich die Tarifbeschäftigten stattdessen am Musiktheater treffen, um von dort aus ihren Demonstrationszug durch die Innenstadt hin zum Heinrich-König-Platz zu starten.
Zum Hintergrund: Verdi und der Beamtenbund fordern acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat für rund 2,5 Millionen Beschäftigte im Dienst der Kommunen und des Bundes. Auszubildende sollen monatlich 200 Euro mehr bekommen. In besonders belastenden Jobs, etwa im Gesundheitsbereich mit Wechselschichten, soll es höhere Zuschläge geben. Außerdem wollen die Gewerkschaften für alle Beschäftigten drei zusätzliche freie Tage, für Gewerkschaftsmitglieder sollen es vier Tage sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen zudem persönliche Arbeitszeitkonten erhalten. Damit sollen sie selbst entscheiden können, ob sie sich Überstunden auszahlen lassen oder diese zum Beispiel für zusätzliche freie Tage nutzen.
Am Montag hatten bereits die Beschäftigten bei der Bogestra in Gelsenkirchen gestreikt und den öffentlichen Personennahverkehr in der Stadt für einen Tag lahmgelegt. Allein die 1150 Fahrerinnen und Fahrer bei der Bogestra würden einen Berg von rund 90.000 Überstunden vor sich her schieben, erklärte Patrick Steinbach, Sprecher der Bogestra-Vertrauensleute, die hohe Streikbereitschaft unter den Beschäftigten.
Karin Welge: „Forderungspaket der Gewerkschaften ist nicht tragbar“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte zuletzt in Potsdam, sie erwarte einen Weg zum Kompromiss. Es müsse ein fairer Ausgleich gefunden werden, „zwischen den Interessen des öffentlichen Dienstes und dem notwendigen Respekt vor den Beschäftigten - und auf der anderen Seite aber auch vor den schwierigen Haushaltslagen“. Nicht nur bei den Kommunen, sondern auch beim Bund sei die finanzielle Lage angespannt, betonte die SPD-Politikerin.
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Sie sei dennoch zuversichtlich, dass eine „faire Lösung“ möglich sei - wie bei der jüngsten Tarifrunde vor zwei Jahren. Es gebe diesmal ein großes Forderungspaket statt einzelner Forderungen der Gewerkschaften, sagte Faeser. „Das gibt sicherlich mehr Spielräume, auch für die Frage: Wo trifft man sich am Ende?“. Gemeinsam mit Karin Welge (SPD), Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin und Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), führt Faeser die Verhandlungen auf Arbeitgeberseite.
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Welge hatte zum Auftakt der Tarifverhandlungen am 24. Januar deutlich gemacht, dass das Forderungspaket der Gewerkschaften nicht tragbar sei und auf die Finanzlage der Städte aufmerksam gemacht. „Die Gesamtverschuldung liegt mittlerweile bei rund 160 Milliarden Euro, für das vergangene Jahr wird ein Rekorddefizit von fast 15 Milliarden Euro prognostiziert, das noch dazukommt. Sieht man dem gegenüber, dass die Gewerkschaftsforderungen ein Volumen von 15 Milliarden Euro erreichen, hat man eine Vorstellung davon, wie schwierig die Situation ist und wie eng der Finanzrahmen gesteckt ist“, so Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin.
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Hinzu kämen noch weitere Kosten, insbesondere im Hinblick auf das geforderte ‚Meine-Zeit-Konto‘, die sich nicht genau kalkulieren lassen, „und die wir sehr kritisch sehen, gerade im Hinblick auf die vielen Dienste, zu denen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verpflichtet sind. Das zeigt, dass von einem finanziellen Spielraum nicht die Rede sein kann“, so Welge.
Der Tarifabschluss dürfe nicht zu weiteren Einschränkungen im kommunalen Leistungsangebot führen, ob bei der Kinderbetreuung oder beim Bürgerservice. „Das können und wollen wir den Menschen in unseren Städten und Gemeinden nicht zumuten, gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in staatliche Handlungsfähigkeit besonders wichtig ist. Schließlich sind die Kommunen der Garant für die Daseinsvorsorge“, so Karin Welge.
Bernd Dreisbusch, Bezirksgeschäftsführer im Bezirk Mittleres Ruhrgebiet erklärt: „Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben die alte Leier der Arbeitgeber satt. Wie in jeder Tarifrunde hören sie: Die Kassen sind leer, die Forderungen zu hoch, dann noch ein paar warme Worte, von denen sich aber niemand was kaufen kann. Und mit denen sich vor allem auch nicht die angespannte Personalsituation im öffentlichen Dienst lösen lässt.“ An allen Ecken und Enden fehle Personal. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeiteten am Limit, damit Kinder in der Kita gut betreut, Patientinnen und Patienten gut versorgt und Anträge rechtzeitig bearbeitet werden können. „Warme Worte allein reichen nicht, deshalb erhöhen wir nun den Druck vor Ort. Wir erwarten von den Arbeitgebern, dass sie ihre Hausaufgaben machen und in der nächsten Verhandlungsrunde endlich ein Angebot vorlegen“, so Dreisbusch.