Gelsenkirchen. Start der wohl größten Tarifrunde 2025: Gewerkschaften fordern 8 Prozent mehr Lohn für 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst.
Die Gelsenkirchener SPD hatte im September vergangenen Jahres beschlossen, dass die Stadtverwaltung prüfen soll, wie sie Erzieherinnen und Erzieher in der Stadt besser bezahlen kann - unabhängig vom geltenden Tarifvertrag. Im Dezember beschloss dann auch der Rat der Stadt einen entsprechenden Prüfantrag. Die klamme Kommune an der Emscher soll also möglichst tiefer in die eigene Tasche greifen und alle pädagogischen Kita-Angestellten außer der Reihe höher eingruppieren.
Dazu mochte nicht so recht passen, dass es nur wenige Wochen später eine deutliche Ansage der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin, Karin Welge, gab. In ihrer Funktion als Präsidentin des Verbandes Kommunaler Arbeitgeber (VKA) hatte die SPD-Politikerin zu den Gewerkschaftsforderungen nach acht Prozent mehr Lohn, dazu mindestens drei zusätzlichen freien Tagen pro Jahr gesagt, dass das schlicht nicht zu stemmen sei und Erzieherinnen und Erzieher schon heute genug verdienten.
Tarifverhandlungen zwischen Städten und Gewerkschaften beginnen
In wenigen Tagen beginnt nun die größte Tarifrunde dieses Jahres, von der Leitwirkung auch für andere Tarifrunden erwartet wird. Ab Freitag verhandeln die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mit den Arbeitgebern von Bund und Kommunen über die Entgelte von rund zweieinhalb Millionen Tarifbeschäftigten. Verdi und Beamtenbund fordern ein Gesamtvolumen von acht Prozent, mindestens jedoch monatlich 350 Euro mehr Geld.
Sie begründen ihre Forderung mit einem angestrebten Inflationsausgleich, der nach Angaben von Verdi-Bundeschef Frank Werneke trotz abflauender Teuerung mit dem vorangegangenen Tarifabschluss von 2023 noch nicht vollständig gelang. Zudem wird eine Reallohnsteigerung angestrebt, um die Kaufkraft zu stärken. Bund und Kommunen könnten mit steigenden Steuereinnahmen rechnen, die Tarifforderung sei „verkraftbar“, sagt Werneke.
Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach verweist auf bundesweit mehr als eine halbe Million unbesetzter Stellen im öffentlichen Dienst. Die Attraktivität der öffentlichen Arbeitgeber müsse gestärkt werden, damit Verwaltungen ihre Aufgaben bewältigen könnten.
Verhandlungsführerin des Bundes ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), für die Kommunen sitzt Karin Welge am Tisch. Die VKA beziffert das Gesamtvolumen der Tarifforderung mit 10,86 Prozent, das bedeute Zusatzkosten in Höhe von 14,88 Milliarden Euro. Die kommunalen Arbeitgeber streben als Orientierungsgröße einen Tarifabschluss auf Höhe der Inflation um die zwei Prozent an.
Experten befürworten Lohnsteigerungen
Das WSI-Tarifarchiv der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung hält die Kaufkraftverluste durch die historisch hohen Inflationsraten der Vorjahre durch die Tariflohnentwicklung erst etwa zur Hälfte für kompensiert. Deshalb schwächle die Kaufkraft als wesentlicher Faktor der konjunkturellen Entwicklung, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten.
Die Lohnentwicklung werde in diesem Jahr jedoch schon deshalb schwächer als in den Vorjahren bleiben, weil die Inflationsausgleichsprämie als Einmalzahlung ausgelaufen sei. Die Reallohnzuwächse würden sich wahrscheinlich eher gedämpft auf dem Niveau der Inflationsrate entwickeln. Der Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Hagen Lesch, gibt an, wenn der öffentliche Dienst leistungsfähig bleiben solle, müssten die Löhne steigen, denn es gebe einen Lohnwettbewerb mit der Privatwirtschaft. (AFP)