Gelsenkirchen. Bis zur OB-Wahl dauert es, aber konkrete Ideen werden schon aufgetischt: Andrea Henze (SPD) macht den ordnungspolitischen Auftakt, mit 4 Punkten.

Rund 300 Tage vor der Kommunalwahl beginnt bereits der konkrete Ideenwettbewerb in Gelsenkirchen: Andrea Henze, Oberbürgermeister-Kandidatin der SPD, hat in ihrem ersten Interview seit Bekanntgabe ihrer Kandidatur vorgestellt, was sich in Gelsenkirchen bei den Themen Ordnung und Migration aus EU-Ost tun muss. „Ich habe ein offenes Herz für alle, die in Notsituationen nach Gelsenkirchen kommen oder, um in unserer Stadt mit anzupacken. Aber es braucht absolut klare Regeln“, sagte die Sozialdemokratin, die seit 2022 als Dezernentin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz in Gelsenkirchen tätig ist.

In ihrer neuen Rolle als OB-Kandidatin scheint sich die 49-Jährige noch einfinden zu müssen. Ungewohnt nervös, vorsichtig abwägend und etwas unsicher, aber bereits mit konkreten inhaltlichen Punkten im Gepäck, erscheint sie eine Woche nachdem klar ist, dass Oberbürgermeisterin Karin Welge nicht mehr antreten wird, zum Gespräch in der Redaktion. „Ich will unter anderem Pflöcke an vier Stellen einschlagen“, sagt sie zum Themenkomplex Armutszuwanderung, Schrottimmobilien und Integration.

„Für diese Wohnungen darf kein Cent mehr gezahlt werden“

Punkt eins: Es soll mehr mit Ermittlungsdiensten im Sozialleistungssystem in Gelsenkirchen gearbeitet werden. „Ich möchte, wenn ein Antrag zur Bearbeitung steht, dass vorher intensiv geprüft wird: Stimmen die Verhältnisse, die angegeben sind?“, so Henze. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Sozialleistungen nur an Personen ausgezahlt werden, die tatsächlich berechtigt sind. Dass es oft genug zu Sozialleistungsbetrug kommt, deckt das Interventionsteam EU-Ost in seinen zweimal monatlich stattfindenden Kontrollen in Gelsenkirchen, regelmäßig auf. Eine intensivere Prüfung vorab könne sie an manchen Stellen zwar auch schon als Sozialdezernentin durchsetzen, jedoch sei als Verwaltungschefin die Ausweitung im größeren Umfang möglich, meint Henze.

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Eintreten wolle sie im Falle ihrer Wahl zudem für gesetzliche Änderungen bei den Kosten der Unterkunft. Dabei geht es um das Geld, das Bürgergeld-Empfänger für ihre Miete erhalten. „Es darf aber nicht mehr sein, dass wir als Staat dubiose Vermieter unterstützen“, sagt Henze. „Es ist derzeit schon so, dass bestimmte Parameter bei Nutzungsuntersagungen von Wohnungen durchgesetzt werden.“ Die Gesundheit, etwa bedingt durch Schimmel in der Wohnung, spiele aber derzeit keine Rolle, wenn es darum geht, ob Kosten der Unterkunft für eine Wohnung gezahlt werden müssen. „Ich muss als Stadt die Anweisung machen können, dass für gesundheitsschädliche Immobilien kein Cent mehr gezahlt werden darf“, skizziert sie ihre Vorstellungen.

OB-Kandidatin Henze schlägt „Servicestelle Südosteuropa“ vor

„Der dritte Pflock: Ich würde gerne eine ,Servicestelle Südosteuropa‘ schaffen“, sagt Henze. Die Erfahrung bei Menschen aus Rumänien oder Bulgarien ist, dass diese nach ihrer Anmeldung oft in der Verwaltung „verloren“ gehen, wie die Redaktion immer wieder aus dem Hans-Sachs-Haus geschildert bekommt. Im schlimmsten Fall sorgt das dafür, dass sie nach ihrer Anmeldung in der Stadt für einen langen Zeitraum Leistungen erhalten, obwohl sich ihre Situation komplett verändert hat oder sie sogar nicht mehr in Gelsenkirchen wohnen.

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Henze schwebt nun vor, die Ankunft der EU-Bürger aus Südosteuropa in Gelsenkirchen ähnlich zu organisieren wie die Ankunft der Ukraine-Flüchtlinge nach Beginn des russischen Angriffskrieges. Damals erhielten sie in der Emscher-Lippe-Halle eine Beratung „aus einem Guss“, indem Verwaltungsmitarbeiter aus unterschiedlichen Ämtern vor Ort waren. Auch hier sollen nach Vorstellung der Stadträtin künftig integrative und restriktive Ansätze von Beginn an miteinander verzahnt werden.

Als vierten Punkt nennt Henze die verstärkte Videoüberwachung – und untermauert die Notwendigkeit mit einer persönlichen Anekdote. „Als ich nach Gelsenkirchen gezogen bin und mir für die neue Wohnung einen neuen Schrank gekauft habe, da konnte ich die Verpackung nicht wegbringen, weil die Container heillos überfüllt und vermüllt waren. Da habe ich die Pappe wieder mitgenommen und mir gesagt: Vielleicht klappt es nächste Woche.“ Diese Erfahrung würden viele Gelsenkirchener tagtäglich machen. Um den Frust, der sich dadurch bei vielen aufgestaut habe, abzubauen, müsse man dort, wo es möglich und rechtlich zulässig ist, feste Videoüberwachung installieren.

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Über die ordnungspolitischen Fragen hinaus betont Henze erneut ihre Forderung nach einer Modernisierung der Verwaltung. Die Strukturen im Hans-Sachs-Haus müssten grundlegend überprüft werden. „Im Ergebnis müssen wir dann mehr und mehr dahin kommen, von den Menschen zu denken“, sagt sie. „Es gibt Mitarbeiter, die darauf warten, dass man zeitgemäße Rahmen setzt, um ihre vollen Potenziale zu entfalten.“ Oberbürgermeisterin Karin Welge habe die Corona- wie auch die Energiekrise erfolgreich gemanagt. Jetzt, nach den akuten Krisen, sei es jedoch an der Zeit, „moderne Verwaltungsstrukturen zu schaffen, in denen Menschen gerne arbeiten und das in Projekten für die Bürgerinnen und Bürger zeigen“. Als Soziologin habe sie noch eine andere Perspektive auf die Verwaltung als die Juristin Welge, sagte Henze.