Gelsenkirchen. Bürgergeld-Empfänger bekommen die Miete vom Staat. Trotzdem sind meist sie in Gelsenkirchen von Zwangsräumungen betroffen. Woran das liegt.
Meistens geht es um ausstehende Mietzahlungen: Jedes Jahr sind etwa 50 bis 60 Kinder und Jugendliche involviert, wenn Wohnungen in Gelsenkirchen zwangsgeräumt werden müssen. Das teilte die Stadt auf Anfrage der CDU-Fraktion mit. Die Stadt spricht von durchschnittlich 230 durchgesetzten Räumungsterminen im Jahr. Betroffen seien vor allem Leistungsempfänger.
Zwar müssen Bürgergeld-Empfänger ihre Kosten für Miete und Heizung (Kosten der Unterkunft) nicht selbst aufbringen, allerdings bekommen sie das Geld in der Regel auf ihr eigenes Konto überwiesen. Der Vermieter soll es nur dann direkt vom Staat erhalten, wenn bereits hohe Miet- oder Energieschulden bekannt sind oder es „konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen“ gibt, heißt es im Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Zwangsräumung: Manche Vermieter in Gelsenkirchen sind geduldiger als andere
„Der Grundsatz im SGB II ist, dass die Menschen selbst Verantwortung tragen sollen. Dazu gehört auch, dass sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auskommen müssen“, erläutert Dietmer Klobuschinki vom Gelsenkirchener Sozialreferat. Nur geschehe das in einigen Fällen eben nicht. „Dann bezahlen die Menschen andere Dinge von ihrem Geld – und nicht die Miete.“
Wenn man zwei Monatsmieten im Verzug ist, hat der Vermieter grundsätzlich die Möglichkeit, eine Kündigung auszusprechen. „Die Vermieter haben da allerdings sehr unterschiedlich lange Geduldsfäden“, sagt Klobuschinski. Manche ließen die Rückstände ein halbes Jahr, manche gar ein ganzes Jahr zu. Ein Irrtum sei es, die Härte insbesondere bei großen Wohnungsbaugesellschaften zu vermuten. „Dort gibt es mittlerweile auch Sozialbetreuer, die auf die Menschen zugehen, wenn Mietzahlungen ausbleiben.“
Hat der Vermieter die Nase voll und wird der Kündigung nicht Folge geleistet, kann er einen Antrag auf Zwangsräumung beim Amtsgericht stellen. Sobald der Antrag eingeht, wird auch Dietmar Klobuschinskis Abteilung informiert. „Wir schreiben die Menschen dann an und machen ihnen ein Angebot“, sagt er. „Wir wollen dann gemeinsam mit ihnen schauen, woran es gelegen hat und sprechen mit dem Vermieter, wir versuchen eben irgendwie eine Einigung herzustellen.“
Zwangsräumungen in Gelsenkirchen: „Manche verschwinden vorher“
Wie so ein Angebot aussehen kann? Zum Beispiel kann es um eine Übernahme der Mietschulden durch die Stadt auf Darlehensbasis gehen. Oder es wird vereinbart, dass der Mieter selbst eine Rate an den Vermieter zahlt. Eventuell ist auch ein sogenannter Räumungsschutzantrag denkbar, etwa wenn der Räumungstermin während des Mutterschutzes einer Mieterin stattfinden soll. „Manche Fälle finden auch ein Ende, indem die Mieter verschwinden und die Wohnung zurücklassen. Dann bleibt der Vermieter auf den Kosten sitzen“, erzählt Klobuschinski.
Auch interessant
Durch Begleitung der Fälle durch das Team der Zentralen Fachstelle Wohnungsnotfälle (ZWF) konnten jedenfalls rund 50 Prozent der zunächst angesetzten Räumungstermine abgesagt werden, wie die Stadt angibt. In Zahlen heißt das: In den Jahren 2019 bis 2023 wurden 2322 Räumungstermine angesetzt. Tatsächlich stattgefunden haben hiervon nur, 1155. So häufig also stand am Ende der Gerichtsvollzieher vor der Tür. „Der Weg über die Räumungsklage ist allerdings sehr weit“, weiß Klobuschinski. Ziehen könne es sich durchaus über ein Jahr. Heißt: Anträge auf Räumungen wird es noch sehr viel mehr geben als tatsächlich angesetzte Termine.
Wo Menschen anschließend leben, nachdem es zu einer Zwangsräumung gekommen ist, lesen Sie hier: Zwangsgeräumt? Brandopfer? Hier kommen Gelsenkirchener unter