Gelsenkirchen. Zwei Frauen haben sich übel verletzt in einem ungesicherten Schacht mitten im Stadtgarten. Sie meinen: „Die Stadt übernimmt keine Verantwortung!“
Sie spazierte über das Laub und plötzlich war sie weg. Ihre Füße konnte sie nicht mehr spüren, geschockt fand sich Svetla Weck (63) in einem dunklen Loch wieder. „Mir war schwarz vor den Augen, mit starken Schmerzen am ganzen Körper“, erzählt die Gelsenkirchenerin. „Ich konnte nicht einschätzen, was passiert war.“
Svetla Weck war mitten in einen ungesicherten Schacht im Stadtgarten gefallen. Bis zum Hals steckte sie nach eigenen Angaben in der Erde. Nicht rechtzeitig warnen konnte sie eine Spaziergängerin, die ihr helfen wollte. Auch Antje Bialas (56) geriet in das Loch, verletzte sich böse. Nun fragen sich beide Frauen: Wie konnte das passieren? Wie kann man einen Schacht ungesichert lassen, mitten im gut besuchten Park, und dann auch noch direkt neben einem großen Kinderspielplatz?
Der Stadt Gelsenkirchen machen die beiden Vorwürfe. Denn nach einem Schriftwechsel mit der Verwaltung hat sich in ihren Augen vor allem ein Eindruck gefestigt: „Da will niemand Verantwortung übernehmen!“
Der Unfall ereignete sich bereits Mitte November, als die Herbstlaubschichten im Stadtgarten noch nicht geräumt waren. Svetla Weck ging im südlichen Stadtgarten, in der Nähe der Tennisanlage, spazieren, „um Kraft für eine anstehende staatliche Prüfung zu tanken“, erzählt die Dolmetscherin. Kurz vor dem großen Kinderspielplatz trat sie dann auf den nicht sichtbaren, ungesicherten Schacht, dessen Deckel sich beim Auftreten sofort drehte und der einst zur Unterhaltung des längst stillgelegten Wasserspielplatz diente.
Stadt Gelsenkirchen sieht nach Unfall im Stadtgarten keinen Anspruch auf Schmerzensgeld
Sich zu befreien, das schaffte sie noch. Aber: „Ich konnte mich nicht bewegen und lag minutenlang am Boden“, schreibt sie in einem Brief an die Stadtverwaltung, dem sie ein Foto von ihrer zwölf Zentimeter langen Risswunde am rechten Schienbein angehängt hat. Sie sah sich gezwungen, im Anschluss bei mehreren Ärzten vorstellig zu werden.
Wecks Hilferufe wurden gehört von Antje Bialas, die gerade ihren Hund Gassi führte. Aber auch sie trat auf den unbefestigten Deckel und fiel ins Bodenlose. „Stöhnend und voller Schmerzen erlebte sie bei ihrer engagierten Hilfeleistung nun das Gleiche wie ich“, schreibt Weck. Ein Foto zeigt, wie Bialas im Schacht steckt. Aufgenommen habe sie es, nachdem sie sich etwas berappelt hatte, sagt Weck.
In einer Schadensanzeige an die Stadt rekapituliert auch Bialas den Tag. Und sie erzählt, wie sie die Verletzungen tagelange quälten. Gerade erst hatte sie eine Schulter-OP überstanden. Nach dem Vorfall seien die Schmerzen wieder schlimmer gewesen. Irritiert zeigen sich beide Frauen auch über das Verhalten des Ordnungsdienstes. Bis jemand zur Hilfe kam, um die Stelle erst einmal mit einem Flatterband abzusichern, habe es viel zu lange gedauert.
Schmerzensgeld hätte ihr nach dem Vorfall zugestanden, meint Svetla Weck. Sie wirft der Stadt vor, für fahrlässige Körperverletzung verantwortlich zu sein. Im Hans-Sachs-Haus sieht man das anders.
Stadt Gelsenkirchen: Schachtabdeckung zu sichern, ist nicht zumutbar
Die Rechtsabteilung hat Ende November auf Wecks Schreiben geantwortet. In dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es: Die Stadttochter Gelsendienste sei verpflichtet, „alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Gefahren für Nutzer des Parks bzw. seiner Wege abzuwenden. Das bedeutet, dass ein vollständig gefahrloser Zustand von Parkwegen nicht gewährleistet werden kann.“ Das Wort „zumutbar“ ist dabei unterstrichen. Nicht in der Lage sieht man sich also, einen Schacht wie im Stadtgarten dauerhaft abzusichern. Bei einer Routine-Kontrolle vor dem Unfall, am 10. November, seien „keine verkehrsgefährdenden Mängel“ erkennbar gewesen.
„Zum Entriegeln und Verschließen dieser Schachtabdeckungen benötigt man lediglich einen Dreikantschlüssel, der in jedem gut sortierten Baumarkt erhältlich ist“, heißt es weiter. Man müsse davon ausgehen, dass ein „unbefugter Dritter“ den Schacht mit einem solchen, einfach zu beschaffenden Schlüssel oder auf andere Weise entriegelt hatte. Für die Rechtsabteilung bedeutet das: „Die Stadt Gelsenkirchen bzw. Gelsendienste hat keine Möglichkeit, sich mit zumutbarem Aufwand gegen solche Taten zu schützen.“ Eine „schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflichten“ liege also nicht vor.
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Immerhin: Die Schachtabdeckung wurde nach dem Unfall zügig überprüft und gesichert. Nun befindet sich ein großer Stein über dem Schacht. Wiederholen wird sich das Unglück an dieser Stelle also so schnell nicht.
„Unfassbar“ findet Svetla Weck dennoch, wie man bei der Stadt reagiert hat. „Man muss da doch sichergehen, dass es solche Gefahrenstellen nicht geben kann.“ Was, fragt sie sich, wäre denn gewesen, wenn ein Kind, von denen hier am Spielplatz schließlich tagtäglich viele toben, rennen und Spaß haben, auf den ungesicherten Schachtdeckel getreten wäre. „Das“, meint Weck, „wäre sicher schlimm ausgegangen.“