Gelsenkirchen. „Familien geraten in Existenznot“: Die Verbraucherzentrale Gelsenkirchen warnt vor In-App-Käufen – und macht das an heftigen Beispielen deutlich.

  • Die Verbraucherzentrale Gelsenkirchen warnt vor „Gratis“-Spielen mit In-App-Käufen.
  • Der finanzielle Schaden, der dadurch für Familien entsteht, ist teils enorm.
  • Worauf Eltern achten sollten und welche Einstellungen helfen.

Viele Kinder lieben es, auf dem Smartphone oder Tablet zu spielen. Die Eltern haben meist nichts dagegen - erst recht, wenn die Spiele vermeintlich kostenlos sind. Doch die oft zu den „Gratis“-Spielen gehörenden In-App-Käufe bergen ein sehr hohes Risiko, das am Ende die Eltern teuer zu stehen kommen lassen kann. Mehrere solcher Fälle hat es jetzt in Gelsenkirchen gegeben, weswegen Verbraucherschutz-Chefin Sigrun Widmann Alarm schlägt - sie vergleicht die Sogwirkung dieser Spiele sogar mit der von Drogen: „Erst wird man angefüttert, danach abhängig gemacht und dann wird kräftig Kohle kassiert.“

Widmanns Wortwahl kommt nicht von ungefähr. Denn in die Kostenfallen tappen ihrer Erfahrung nach Kinder und deren Eltern, „die ohnehin wenig Geld zur Verfügung haben“. Migrationshintergrund und Sprachbarrieren spielten demnach auch eine Rolle. Die Leiterin der hiesigen Verbraucherzentrale befürchtet, dass ihr Team eine ganze Menge mehr Fälle zu bearbeiten haben wird, wenn unter dem Tannenbaum Handys als Geschenk für den erwartungsfrohen Nachwuchs liegen.

13-jähriges Mädchen aus Gelsenkirchen gibt beim Handyspielen 1135 Euro für Game-Features aus

„In den vergangenen acht Wochen sind bei unserem Beratungsteam vier Fälle aufgeschlagen, bei denen die Kostenforderungen durch In-App-Käufe mehrere Hundert Euro betragen“, berichtet die Verbraucherschützerin von der aktuellen Lage in der Emscherstadt. Eine derartige Häufung von Fällen habe sie seit ihrem Antritt im Sommer 2020 noch nicht erlebt. Normal seien ein bis zwei Fälle pro Jahr. Auch die finanzielle Tragweite beunruhigt Widmann: „Das fängt bei 350 Euro an und hört bei über 1000 Euro auf - traurige Spitzenreiterin ist eine Dreizehnjährige, die innerhalb von vier Wochen 1135 Euro beim Spielen ausgegeben hat - ohne es zu bemerken.“

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Die Krux: Meist bleibt im Dunkeln, was an Käufen notwendig ist, „um in den App- oder Browser-Games wie Fortnite oder Clash of Clans weiterzukommen“, warnt die Verbraucherschützerin. Es handelt sich dabei um Punkte, Münzen, Diamanten, Rohstoffe und Ähnliches - also um eine virtuelle Spielwährung. Mit dieser werden neue Fähigkeiten, Ausstattungen oder auch kürzere Wartezeiten und höhere Levels bezahlt und freigeschaltet. Solche Kostenfallen gibt es auch auf TikTok, dort werden Nutzer animiert, Influencern Geldgeschenke zu senden, verborgen wieder hinter Symbolen.

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Dass das jeweilige Feature echtes Geld kostet, bleibt meist verborgen, denn es gibt nach Angaben der Verbraucherschützer „in der Regel keine Preisverzeichnisse, in denen alle Kosten aufgelistet sind, die auf Spieler zukommen können“. Manchmal sind es nur Cent-Beträge, wie dieser Game-Rechner zeigt, manchmal wechseln Widmann nach 20 Euro direkt mit einem Klick den Besitzer.

Abgewickelt werden In-Game- oder In-App-Käufe über Benutzerkonten oder Accounts in den jeweiligen App-Stores. Insbesondere Kreditkarten-, Konto- oder Handynummern sind dabei die Schlüssel für die Transaktion. Wer seine Daten dort gespeichert hat, kann den Kauf schnell abschließen. Und genau darin liegt die Gefahr: Was Eltern im Alltag das bargeldlose Einkaufen erleichtert, ist ein hohes Risiko, wenn das Kind ausgerechnet mit diesem Gerät daddeln darf - vornehmlich, wenn keine digitalen Sicherungsnetze zusätzlich gespannt sind, wie etwa PIN-Abfrage oder Passwort-Eingabe. Genau das war im Fall der 13-Jährigen der Fall. Bei dem Handy ihrer Eltern ist mit einem Klick der Kauf ausgelöst worden - Sicherheitsabfragen gab es keine mehr.

„Pro Einkauf gibt es zwar eine Auftragsbestätigung per Mail. Die wird aber häufig erst spät entdeckt wird oder landet gleich im Spam-Ordner. So können viele kleine Beträge sich schnell zu einer großen Summe addieren“, erklärt Widmann.

Teure In-App-Käufe - das raten Verbraucherschützer: Käufe sperren oder mit Passwort absichern

Eltern, die ihren Kindern ein Handy oder Smartphone zur Verfügung stellen, sollten in den Einstellungen In-App-Käufe deaktivieren, rät die Verbraucherzentrale
Eltern, die ihren Kindern ein Handy oder Smartphone zur Verfügung stellen, sollten in den Einstellungen In-App-Käufe deaktivieren, rät die Verbraucherzentrale © dpa-tmn | Silvia Marks

Um die In-Game-Käufe zu deaktivieren, wird für Android-Geräte der Play Store geöffnet und über das Drei-Punkte-Icon der Menüpunkt „Einstellungen“ ausgewählt. Dann unter „Nutzersteuerung“ auf „Authentifizierung für Käufe erforderlich“ gehen und auf folgende Option tippen: „Für alle Käufe bei Google Play auf diesem Gerät“.

Bei iPhone oder iPad wird zuerst in den Einstellungen die „Bildschirmzeit“ aktiviert. Danach der Reihe nach auf „Bildschirmzeit“, „Beschränkungen“ und „Käufe im iTunes & App Store“ gehen. Dort „In-App-Käufe“ anklicken und „Nicht erlauben“ festlegen.

Zusätzlich empfehlen die Verbraucherschützer, Prepaid-Karten mit vordefinierter Aufladung zu nutzen und Passwort-Sperren einzurichten. Außerdem kann eine PIN im Telefon oder eine Drittanbietersperre beim Telekommunikationsanbieter eingerichtet werden. Diese Sperre verhindert auch Einkäufe über die Telefonrechnung.

Widerspruch aussichtsreich bei Käufen von ganz jungen Kindern - so werden In-App-Käufe unwirksam

Aber auch bei bereits entstandenen Kosten kann noch eine Erstattung erreicht werden. „Denn Minderjährige sind bis zum siebten Lebensjahr geschäftsunfähig und bis zum 18. Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig“, so die Verbraucherzentrale. Bei fehlender elterlicher Zustimmung sind die Kaufverträge somit unwirksam. Ist die Rechnung schon im Briefkasten gelandet oder wurde bereits Geld abgebucht, sollte man so zügig wie möglich widersprechen.

„Viele Anbieter zeigen sich kulant“, so die Erfahrung von Sigrun Widmann. Die Kulanz dauere aber meist nur so lange, wenn es sich um einmaliges Tappen in die Kostenfalle handelt. „Da hat man gute Chancen“, weiß die Verbraucherschützerin. Bei regelmäßigem Zocken und In-App-Käufen über einen großen Zeitraum sinkt die Bereitschaft zum Entgegenkommen rapide. „Dann geraten Familien in Existenznot.“

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