Gelsenkirchen. Asbestfasern in der Raumluft in Gelsenkirchener Klassenzimmern sind seit Jahrzehnten ein Problem. Eltern fordern bessere Aufklärung.
Die Asbestbelastung in der Grundschule Marschallstraße mit einer Schulschließung in der Folge hat die Diskussion um Asbest- und andere Schadstoffbelastungen in Schulen, Kitas und anderen öffentlichen Gebäuden erneut angeheizt. Im Bildungsausschuss beantragten Grüne und CDU eingehende Aufklärung zum Prozedere. Elternvertreterin Alexandra Themann berichtete von extrem verunsicherten und verärgerten Eltern, die über schleppende, lückenhafte Aufklärung klagen.
Immer wieder habe es widersprüchliche Informationen gegeben, sei die Rede einer Messung in den Ferien ohne Anlass gewesen. Die von den Eltern in der Versammlung mit Bildungsreferat, Schulleitung und Baureferat gestellte Frage, ob es sich um eine Nachmessung wegen bröckelndem Deckenputz vor einigen Monaten gehandelt habe, wurde verneint. Das Gutachten wurde schließlich auf mehrfache Nachfrage zwar ausgehändigt, eine Information über die - nach WAZ-Recherchen aufgrund der Faserzahlen geringen - Risiken, langfristig durch diese Belastung schwer zu erkranken, erfolgte bis heute nicht.
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Andrea Henze, die als Sozial- und Gesundheitsdezernentin die erkrankte Bildungskollegin Anne Heselhaus vertritt, räumte Mängel in der Kommunikation ein. Die Anregung des Grünen-Sprechers David Fischer, einen Interventionsplan für solche Krisen erarbeiten zu lassen, um ein klar geregeltes Vorgehen zu entwickeln, nahm sie gern auf. Die Beschaffung von Ersatzschulraum für die Schüler inklusive Betreuung und Verpflegung lief zwar gut und auch zur Zufriedenheit der meisten Eltern. Bei der Kommunikation aber herrsche klar Verbesserungsbedarf, alle Beteiligte sollen eingebunden werden. Dies werde die Verwaltung angehen, versprach sie.
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Am Freitag, 22. November, sollte laut Baureferat nun eine dritte Messung in den bei den ersten Tests auffälligen Räumen erfolgen. Die Wiederholungsmessung habe überraschenderweise keinerlei Belastung gezeigt. Die dritte soll nun zeigen, ob die Messung, die zur Schulsperrung führte, eine Fehlmessung war oder ob es andere Ursachen geben könnte. Generell stehen alle vor 1995 errichteten Gebäude unter Verdacht, dass Asbest darin verbaut ist. Besonders in Putzflächen, aber auch in Spachtelmasse und Fliesenkleber wurde das Material regulär genutzt. Solange der Putz unbeschädigt ist, ist der Asbest gebunden, besteht keine Gefahr, weshalb in allen verdächtigen öffentlichen Gebäuden ein striktes Verbot in Putzflächen und Boden zu bohren besteht. Diese gebe es nur bei Beschädigung.
Elternsprecherin: In vielen Schulwänden gibt es Löcher, an denen Schüler auch „rumprockeln“
Allerdings weisen zahlreiche Schulgebäude Löcher in den Wänden auf, an den Schülerinnen und Schüler immer wieder „rumprockeln“, so (nicht nur) die Beobachtung der Elternvertreterin. Zudem berichteten Eltern in der Schulpflegschaft häufig über Schimmelbildung und Feuchtigkeit in Klassenräumen. Und nicht immer würden Schadensmeldungen von Schulen an Hausmeister umgehend zu Messungen von Schadstoffbelastungen führen. Was Baureferatsleiter Tino Gäfke im Ausschuss vehement bestritt. „Wir nehmen Schadstoffbelastungen in Schulen immer sehr ernst und handeln sofort, binden Sachverständigenbüros ein. Und wir maßen uns nicht an, Grenzwerte zu interpretieren“, so Gäfke.
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Die CDU im Ausschuss aber wollte sich nicht mit Informationen zur Marschallstraße allein begnügen. Der bildungspolitische Sprecher Markus Karl erinnerte an die Forderung seiner Fraktion aus dem Jahr 2018, ein Asbest- beziehungsweise Schadstoffkataster zu erstellen. Schon damals habe man aufgrund von gemessenen Belastungen an mehreren Schulen ein gezieltes Vorgehen gefordert. Ein solches, einsehbares Kataster gebe es zwar nicht, räumte der neu ins Gelsenkirchener Baureferat gewechselte Oliver Böckler ein. Aber man habe seither 400 gut dokumentierte Messungen durchführen lassen. Auf jede Meldung werde umgehend reagiert.
Die Forderung von Ausschussmitgliedern wie Jan-Hendrik Preuß (AfD) im Ausschuss, alle verdächtigen Gebäude nacheinander einer kompletten Schadstoffsanierung zu unterziehen, nannten die Bauexperten indes illusorisch. Bei fast 100 Schulgebäuden mit mehr als 1000 Klassenzimmern plus Nebenräumen, von denen die sehr große Mehrheit unter Generalverdacht steht, weil sie vor 1995 errichtet wurden, sei das kaum umsetzbar und bezahlbar.