Gelsenkirchen-Bismarck. An einer Gelsenkirchener Grundschule wurden in den Herbstferien erhöhte Asbestwerte in der Raumluft gemessen. Das sagen Experten zum Risiko.

Die Grundschule an der Marschallstraße in Gelsenkirchen ist weiterhin verwaist. Nach den Messungen, die das Baureferat in den Herbstferien dort durchgeführt und dabei erhöhte Asbestbelastungen in einigen Räumen festgestellt hatte, war der Unterricht hier nach den Ferien erst gar nicht aufgenommen worden. Nach einer Woche Distanzunterricht kamen die Schülerinnen und Schüler an der frisch renovierten Bickernstraße sowie der Ebersteinstraße unter. Und dort lernen sie auch heute noch, inklusive Mittagsversorgung und Offenem Ganztag. So weit, so zufrieden mit dieser Lösung sind auch die meisten Eltern. Was sie jedoch beklagen: Es fehlen Informationen darüber, wie es weiter geht.

Eltern warten auf Einordnung von Stadt und Schulaufsicht zu Gesundheitsfolgen

Das Gutachten zur ersten Messung, bei der die Belastung festgestellt wurde, hat das Bildungsreferat zwar mittlerweile auf Bitten der Elternschaft an diese weitergeleitet. Was diese Werte jedoch für ihre Kinder bedeuten, wie groß die Gefahr ist, denen die Kinder in der Schule ausgesetzt war, darüber gibt es keine klaren Informationen seitens der Stadt oder Schulaufsicht.

Die von Elternsprecherin Sonja Bremen angefragte (und eigentlich nicht zuständige) Gesundheitsreferatsleiterin Christiane Hinney versicherte in ihrer Antwort an sie zwar, dass keine akuten Folgen für die Kinder zu erwarten seien und daher keine medizinischen Untersuchungen nötig seien. Zu möglichen langfristigen Folgen aber müsse die Berufsgenossenschaft beziehungsweise Unfallkasse befragt werden. Seitens des Schulträgers oder der Schule selbst gab es hierzu jedoch keine weiteren Infos, so Sonja Bremen.

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Unterdessen hat die Stadt vermeldet, dass die zweite, also die Kontrollmessung nach den Herbstferien, in allen Räumen der Schule keine Belastung oberhalb der zulässigen Grenzwerte (500 Fasern je m³, die Red.) ergeben hätten. Eine dritte Messung soll demnach nun klären, wie es zu den Ergebnissen in den Herbstferien kommen konnte. Dabei hatte es laut Gutachten in mehreren Räumen eine erhöhte Belastung, in zweien sogar eine um eine mehr als zehnfach höhere Belastung gegeben, also mehr als 5000 Fasern je m³.

Lungenexperte auf WAZ-Anfrage: Das Risiko ist wirklich gering

Die WAZ hat nach Kenntnis dieser Messwerte Experten nach den Gefahren für Kinder bei dieser Belastung gefragt. Dr. Christoph Tannhof, Lungenexperte und Chefarzt der Pneumologie am Marienhospital Gelsenkirchen, kann mit seiner Expertise die Eltern beruhigen. „Ich habe es errechnet. Selbst wenn ein Kind vier Jahre lang fünf Stunden am Tag in einem Klassenraum mit dieser Belastung unterrichtet wurde, liegt das Risiko, dadurch nach einer Latenzzeit von in der Regel 25 Jahren zu erkranken, bei 0,00002 Prozent. Das bedeutet, in zwei von einer Million Fällen. Das Risiko ist bei einer Belastung von rund 5000 Fasern also wirklich gering“, versichert der Facharzt. Allerdings ist auch das richtig: Eine einzige Faser genügt theoretisch, um eine Asbestose beziehungsweise ein Lungenkarzinom zu verursachen.

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Eine vergleichsweise geringe Gefahr für die Kinder der Schule angesichts dieser Werte sieht auch der im (Teil-)Ruhestand befindliche Kinderarzt Christoph Rupieper auf WAZ-Anfrage. Die Gefahren, denen Kinder und Jugendliche durch Umwelteinflüsse, Passivrauchen, Unfälle, Stürze und Drogen ausgesetzt seien, seien deutlich größer.

Auf eine derartige Einordnung der Fakten seitens der Stadt oder Schulaufsicht warten die Eltern der Schule bislang jedoch vergeblich, obwohl das Gutachten der ersten Messung der Stadt seit dem 22. Oktober den Eltern nun seit der vergangenen Woche vorliegt. Wann mit Ergebnissen der dritten Messung zu rechnen ist, ob und unter welchen Umständen die Stadt eine Rückkehr in das Gebäude an der Marschallstraße plant, ob und wie Eltern sich an die Unfallkasse/Berufsgenossenschaft wenden können: Darüber gibt es keine Information.

Baureferat: Keine anlasslosen Routinemessungen in Schulen

Wegen unterschiedlicher Informationen zum Anlass der Erstmessung in der Schule hatte die WAZ beim Baureferat nach dem üblichen Prozedere und der durchschnittlichen Messhäufigkeit in öffentlichen Gebäude gefragt. Die Antwort lautet wie folgt: „Grundsätzlich erfolgen keine vollkommen anlasslosen Schadstoffüberprüfungen auf Asbestbelastungen der Raumluft in städtischen Gebäuden. Solche Messungen erfolgen in Einzelfällen bei visuell erhöhtem Schädigungsgrad der Raumoberflächen beziehungsweise bei temporären Schutzmaßnahmen an Raumoberflächen in Gebäuden mit bestätigtem Asbestbefund zur Bestätigung der Unbedenklichkeit für den weiteren Gebäudebetrieb [...] Oder sie stehen im Zusammenhang mit der Bestätigung der ordnungsgemäßen und fachgerechten Durchführungen von baulichen Arbeiten in Gebäuden mit bestätigtem Asbestbefund.“

Der auf Elternwunsch ebenfalls überprüfte Standort Lenaustraße erwies sich als unbelastet, sodass in diesem Außenstandort der Schule der Unterricht nach einer zweiwöchigen Distanzunterrichtsphase bereits wie gewohnt weitergeht.