Gelsenkirchen. Kräfte von Feuerwehr, Ordnungsamt oder Gelsendienste müssen im Alltag viel ertragen. Was die Stadt Beleidigungen bis hin zu Gewalt entgegensetzt.
Beleidigungen gehören für Gamze und Melanie „schon zum Alltag“. Die beiden Frauen gehören zum Kommunalen Ordnungsdienst respektive zum Rettungsdienst der Feuerwehr. Ihr Auftrag: Menschen helfen, die Stadt lebenswerter machen. Verständnis ernten sie dafür eher selten, vor allem dann nicht, wenn die städtischen Ordnungshüter ein Bußgeld verhängen - beispielsweise wegen Wildpinkeln, Hundekot oder Spielplatz-Radau außerhalb der Nutzungszeiten.
Selbst die Retter von der Feuerwehr laufen Gefahr, Opfer zu werden. Etwa, wenn ungeduldige Autofahrer über Gehweg oder Rasen brettern und dabei um Haaresbreite die Retter verfehlen, die mit ihren Einsatzwagen die Straße blockieren, um Menschen in der Not zur Hilfe zu eilen. „Dafür werden wir übel beschimpft“, erzählt Melanie. Und das selbst auch noch bei schrecklichen Anlässen wie dem Femizid zuletzt in Schalke, sagt sie. Unerträglich wird es für Melanie und ihre Kolleginnen, wenn im Notfall die Stimmung umschlägt, es Umstehenden nicht schnell genug geht oder die Gelegenheit ausgenutzt wird - dann wird die hübsche Notfallsanitäterin „bedroht oder sogar begrabscht.“
Grundsatzerklärung der Stadt Gelsenkirchen: Motivation für Bedienstete, Übergriffe sofort anzuzeigen
Respektlosigkeiten und Gewalt einen Riegel vorzuschieben, ist das Ziel der Kampagne „Respekt und keine Toleranz bei Gewalt“, die die Stadt jetzt gestartet hat. Per Banner, Plakate und Fahnen gibt die Stadt ihren rund 7000 Mitarbeitenden ein Gesicht, wirbt die Verwaltung für einen achtsamen Umgang miteinander. Bodycams und auch der Einsatz eines Diensthundes wirken zwar mäßigend, nach oben auf der Skala menschlicher Umgangsformen ist aber noch viel Luft.
„Unsere Mitarbeitenden sind einer latenten Aggression ausgesetzt. Bei vielen Gegenüber ist die Lunte extrem kurz.““
Das zeigt allein das jüngste Anzeigenaufkommen: 45 mal hat die Stadt aufgrund solcher Vorfälle im vergangenen Jahr Strafanzeige erstattet, „persönlich unterschrieben von mir“, wie Oberbürgermeisterin Karin Welge betont. Im laufenden Jahr sind es bereits 26 Strafanzeigen. Wie viele davon tatsächlich mit einer Verurteilung und Strafe endeten, bleibt indes offen.
Eines aber ist nach Ansicht des städtischen Personalratsvorsitzenden Olaf Meulenberg deutlich: „Unsere Mitarbeitenden sind einer latenten Aggression ausgesetzt. Bei vielen Gegenüber ist die Lunte extrem kurz.“
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Parallel zur Kampagne, die an eine ähnliche Aktion der Polizei Gelsenkirchen erinnert, haben Karin Welge und Olaf Meulenberg eine Grundsatzerklärung unterzeichnet. Das Dokument soll den Anspruch aller Bediensteten unterstreichen, respektvoll behandelt zu werden. Zugleich, das ist beiden Führungskräften wichtig, soll das Dokument „als Ansporn dazu dienen, Übergriffe jeglicher Art zu melden und zur Verfolgung zu bringen“. Und das aus gutem Grund: Sie befürchten nämlich, dass die üblichen Anfeindungen bei den Bediensteten zu einer Resignation und Hinnahme als „Normalzustand“ geführt haben.
Parallel dazu schult der städtische Steuerungskreis Sicherheit die städtischen Mitarbeiter in Deeskalationstechniken und gibt einen Handlungsleitfaden zum Umgang mit dem Hausrecht und Strafanzeigen an die Mitarbeitenden weiter.