Gelsenkirchen. Die Wartezeit auf einen Kita-Platz fürs Kind kann in Gelsenkirchen mitunter lang sein. Wie eine junge Familie aus Buer damit umgeht.

Vanessa Brem wirkt eigentlich recht gelassen, wenn sie von der offensichtlich verzweifelten Suche nach einem Kita-Platz für ihren ältesten Sohn Maximilian berichtet. Zwei Jahre mussten sie und ihr Mann Lars warten, bis sie endlich die Zusage für den mittlerweile Vierjährigen erreichte. Mit Beginn des aktuellen Kita-Jahres ist Maxi nun untergekommen, hat einen Platz in der nahe gelegenen Kita bekommen. Doch die junge Mutter treibt schon jetzt wieder die Sorge um: Müssen ihre beiden weiteren Kinder, der kleine Moritz und die noch kleinere Sophia, ebenfalls so lange warten?

Familie aus Buer wartet zwei Jahre auf einen Kita-Platz in Gelsenkirchen

Es ist ein warmer Morgen Ende August, wir besuchen die junge Familie in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Buer. Vanessa Brem berichtet von ihrer Geschichte: Seit Oktober 2022 leben sie in Gelsenkirchen, sie kamen aus Bayern, aus der Nähe von München, ihrer Heimat. Ihr Mann ist gebürtiger Gelsenkirchener. Warum es sie zurückzog in die Emscherstadt? „Der Job meines Mannes“, erklärt die 28-Jährige. Der arbeitet in Moers, ist Lokführer und viel unterwegs, gibt Schulungen. Es habe Phasen gegeben, an denen sie sich an nur drei Tagen pro Monat gesehen hätten, an ein Familienleben war nicht zu denken.

Mit dem Umzug kam eine neue Herausforderung auf die junge Familie zu: Dass sie nämlich zwei Jahre auf einen Platz für ihren ältesten Sohn Maxi warten müssen, damit hatten sie nicht gerechnet. In Bayern habe das reibungslos geklappt, dort konnte Maxi bereits eine Kita besuchen. Schon vor ihrem Umzug nach Buer hätte sie sich bemüht, war vor Ort, habe sich einige Einrichtungen angeschaut, so Brem. Es folgte trotzdem ein langes Warten. Denn das kommt noch hinzu: Vanessa Brem ist wegen der beiden kleinen Kinder nicht mobil, wie sie sagt, kann nicht in andere Stadtteile ausweichen.

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Moritz, anderthalb Jahre alt, ist schon seit seiner Geburt angemeldet, Sophia ebenfalls. Moritz besucht bereits eine Spielgruppe in einer der umliegenden Kitas, Vanessa Brem berichtet, dass das die Chancen auf einen Betreuungsplatz erhöhen würde. Und noch etwas anderes ist ihr und ihrem Mann wichtig: die sozialen Kontakte der Kinder, die nun mal beim Besuch einer Kita automatisch gefördert werden.

Keine Chance auf einen Kita-Platz: „Du bekommst nur einen Platz, wenn du arbeitest“

Die Gründe für die lange Wartezeit? „Du bekommst nur einen Platz, wenn du arbeitest“, ist Vanessa Brems Antwort auf die Frage. Es fehle schlicht an freien Plätzen, sei die offizielle Antwort gewesen. Bei Vanessa Brem ist es übrigens genau andersherum: Weil sie keinen Betreuungsplatz für ihre beiden Söhne hatte, war an Arbeit nicht zu denken. Mit der Geburt der kleinen Sophia vor drei Monaten habe sich das Thema Arbeit nun sowieso erstmal erledigt, perspektivisch wünscht sich die junge Frau aber: „Dass ich in zwei bis drei Jahren wieder arbeiten kann und darf.“

Vanessa Brem ist gelernte Verkäuferin, die 28-Jährige sagt: „Ich habe mich auf ganz viele Stellen und alles Mögliche beworben, ich würde auch etwas anderes machen, und wenn es bloß ein paar Stunden Arbeit sind.“ Wenn sie ihre Kinder in der Kita untergebracht wüsste, „hätte ich wahrscheinlich jeden Job der Welt“, so die junge Mutter.

Familie Brem aus Buer gibt dem massiven Mangel ein Gesicht

Die Brems sind die Familie hinter den alarmierenden Zahlen, geben dem massiven Mangel ein Gesicht: Derzeit stehen nur 9.814 Kitaplätze für 15.127 Gelsenkirchener Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren zur Verfügung, davon 7.780 für über dreijährige Kinder und 2.034 für unter dreijährige Kinder. Auf den Wartelisten des Kitaportals der Stadt Gelsenkirchen sind aber aktuell noch 2.141 Kinder, die innerhalb des Kindergartenjahres 2024/2025 (also bis zum 31. Juli 2025) einen Betreuungsplatz benötigen. Dabei handelt es sich um 834 über dreijährige Kinder und 1.307 Kinder unter drei Jahren. Die rund 380 Betreuungsplätze, die in der Kindertagespflege vor allem für Kindern unter drei Jahren zur Verfügung stehen, können da nur bedingt ausgleichen.

18,1 Prozent der Gelsenkirchener Kinder unter drei Jahren werden also in einer Kita oder Tagespflege betreut, die Quote bei den über drei Jahre alten Kindern liegt bei 78,8 Prozent, ist sogar um 14,1 Prozent gesunken. Zum Vergleich: Im Rheinland und Münsterland liegen die Quoten um die 90 Prozent und höher, in Städten wie Rostock, Jena und Cottbus um die 100 Prozent. Deutschlandweit sind es durchschnittlich 90 Prozent.

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Eigentlich gilt für die Altersgruppe der Über-Dreijährigen ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Das Problem der Emscherstadt: Die Zahl der Kinder ist mit den Jahren deutlich stärker gestiegen als anderswo – von 6.270 auf 8.818 um mehr als ein Viertel im Zeitraum von 2013 bis Ende 2022.

Das alles hilft Familie Brem freilich nicht wirklich weiter: Kinder, eine Familie zu haben, werde zu wenig unterstützt, findet Vanessa Brem. „Kinder sind die Zukunft, aber wie soll das alles gehen, wenn man hinterher nichts mehr schafft?“, fragt sie. Sie würden von einem Einkommen leben – eine weitere Problematik: bezahlbarer Wohnraum für die Fünf. Über ihre knapp 70 Quadratmeter große Wohnung sagt sie nach der Geburt von Sophia: „Jetzt wird‘s halt richtig eng.“ Sie seien aktiv auf der Suche nach einem neuen Zuhause, nicht nur in Buer, sondern auch in benachbarten Städten. Das Problem aber ist: Die meisten Angebote seien finanziell mit einem Einkommen einfach nicht zu schultern.