Gelsenkirchen. Die Abschiebedebatte tobt nach Solingen. Nun nimmt die Stadt Gelsenkirchen Stellung – und fordert, dass eine Regelung endlich beendet wird.
Nach dem Anschlag von Solingen tobt die Abschiebe-Debatte in Deutschland – und oft geht es dabei um die Frage, warum angesetzte Rückführungen überhaupt fehlschlagen. In Gelsenkirchen wurden in diesem Jahr bereits 52 Abschiebungen durchgeführt, allerdings auch 39 Einsätze storniert, wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage der WAZ mitteilte. „Die häufigste Ursache für fehlgeschlagene Abschiebungen ist das Untertauchen oder nicht Antreffen der gesuchten Person“, teilte Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage mit.
Demnach mussten 15 Abschiebungen abgesagt werden, weil eine Person untergetaucht war. Das heißt: Man stellt beim Eintreffen in der Wohnung oder Unterkunft fest, dass der Ausreisepflichtige diese „offenkundig endgültig verlassen hat“. So war es auch beim mutmaßlichen Täter von Solingen der Fall.
Die meisten Abschiebungen in Gelsenkirchen betreffen Syrer
Wenn jemand „nicht angetroffen wird“, dann geht man lediglich davon aus, dass die betroffene Person nur zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht anwesend war. Hier wurden in Gelsenkirchen in diesem Jahr bislang sechs Fälle gezählt. „In diesen Fällen wird die Maßnahme zeitnah erneut durchgeführt“, sagt Schulmann. „Regelmäßig werden dann auch Informationen über weitere Aufenthaltsorte der Person bei Mitbewohnern und der Unterkunftsleitung eingeholt.“
Weitere Gründe für fehlgeschlagene Abschiebungen können fehlende Papiere sein. Probleme bereitet das insbesondere, wenn die Herkunftsländer der Ausreisepflichtigen nicht helfen, die Identität aufzuklären. Im Hans-Sachs-Haus fordert man daher: „Es müssen mehr Rückführungsabkommen auch mit Herkunftsländern durch die Bundesregierung abgeschlossen werden, die bisher als nicht möglich angesehen wurden.“
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CDU-Chef Friedrich Merz hatte nach Solingen sowohl einen generellen Aufnahmestopp von Syrern und Afghanen wie auch die Zulässigkeit von Abschiebungen in beide Länder gefordert. Die Zahlen aus Gelsenkirchen zeigen, dass unter den 52 durchgeführten Abschiebungen in diesem Jahr bereits zwölf Syrer waren. Damit führt Syrien die Rangliste der Nationalitäten bei den Abschiebungen aus Gelsenkirchen an. Nahe liegt, dass es sich dabei um Rückführungen nach dem sogenannten Dublin-Verfahren handelt, also um Rücküberstellungen innerhalb der EU. Auch der Tatverdächtige von Solingen sollte nach der Dublin-Regelung nach Bulgarien abgeschoben werden. Er sollte also dorthin gebracht werden, wo er die EU zuerst betreten hatte.
„Ziel der Landesregierung ist es eigentlich, möglichst viele Asylsuchende, welche sich im Dublin-Verfahren befinden, direkt aus den Landeseinrichtungen in die anderen EU-Mitgliedstaaten zu überstellen“, teilt die Stadt mit. Faktisch sei es jedoch so, dass seit 2019 auch Dublin-Fälle direkt in die Kommunen verteilt werden. Was eigentlich als Sonderreglung gedacht war, um die damals überstrapazierten Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) zu entlasten, sei jedoch „stillschweigend zur Dauerlösung geworden“, kritisiert man in Gelsenkirchen. Das belaste die örtliche Ausländerbehörde zusätzlich. Die Stadt fordert daher, dass der Stadt künftig „nur noch Menschen zugewiesen werden, die begründete Aussicht auf eine Bleibeperspektive haben.“
Abschiebungen in Gelsenkirchen im Vergleich auf hohem Niveau
Die Zahl der Abschiebungen übrigens zeigt in Gelsenkirchen seit Jahren keine nennenswerten Schwankungen. 2023 wurden 86 Abschiebungen durchgeführt (darunter übrigens nur drei Syrer), das sind nicht wesentlich mehr oder weniger als in den Jahren zuvor. Nur bei der Einführung des Teams „Rückkehrmanagement“ im Jahr 2017 in der Ausländerbehörde war die Zahl einmalig deutlich höher (157 Maßnahmen).
Zum Vergleich: In Essen, wo mehr als doppelt so viele Menschen leben wie in Gelsenkirchen, wurden 2023 von den kommunalen Behörden lediglich 21 Ausländer abgeschoben, fünf verließen das Land freiwillig. Gelsenkirchen bewegt sich im Vergleich also auf einem hohen Niveau. Man setzte die gesetzlichen Möglichkeiten konsequent durch, betont Ordnungsdezernent Simon Nowack regelmäßig. Die Schattenseite dieses „Erfolgs“: Die Stadt ist immer wieder im Visier von Aktivisten, die versuchen, aus ihrer Sicht grenzüberschreitende Abschiebungen zu verhindern.
Zu der Frage, wie oft straffällig gewordene Ausreisepflichtige abgeschoben werden, heißt es von der Stadt: Dies sei statistisch schwierig zu erheben. „Eine begangene Straftat wird in einer Abschiebungsverfügung zusätzlich zu anderen Gründen im Rahmen des Ermessens herangezogen“, sagte Stadtsprecher Martin Schulmann. Von den in diesem Jahr bisher abgeschobenen 52 Personen seien 13 zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten.