Gelsenkirchen. Wochenlang hat ein angeblich antikes und sündhaft teures Buch die Justiz beschäftigt. Es soll einem Gelsenkirchener geraubt worden sein.
Der Verbleib eines angeblich antiken Buches bleibt weiter rätselhaft. Ein Mann aus Gelsenkirchen soll der letzte offizielle Besitzer gewesen sein – bis es ihm vor rund vier Jahren angeblich geraubt wurde. Der einzige Verdächtige ist am Mittwoch am Essener Landgericht freigesprochen worden.
Der ehemalige Besitzer will das Buch – goldene Schrift auf Pergament – damals von einem Cousin aus Saudi-Arabien erhalten haben. Es war angeblich in aramäischer Schrift verfasst. Die Staatsanwaltschaft hatte den Wert in der Anklage mit über 200.000 Euro angegeben. Ob es echt war, ist allerdings unklar.
Messer gezückt und Pfefferspray wie auf Kommando versprüht - Angeklagter im Fluchtwagen?
Der Gelsenkirchener wollte das Buch nach eigenen Angaben begutachten lassen, um es anschließend zu verkaufen. „Was das für ein Buch ist, weiß ich gar nicht“, sagte der 28-Jährige den Richtern. „Es soll aber sehr alt sein.“
Es war der 13. Juli 2020, als schließlich drei Männer bei ihm auftauchten, die das Buch auf seine Echtheit überprüfen wollten. „Die hatten eine Waage dabei und kleine Fläschchen.“ Zu einer Begutachtung kam es allerdings nicht.
![Gerichtsprozess um ein irre teures antikes Buch, das in Gelsenkirchen geraubt worden sein soll. Dieses Foto soll es zeigen. Gerichtsprozess um ein irre teures antikes Buch, das in Gelsenkirchen geraubt worden sein soll. Dieses Foto soll es zeigen.](https://img.sparknews.funkemedien.de/406824498/406824498_1721292679_v16_9_1200.jpeg)
Nach seiner Schilderung haben die drei Männer plötzlich wie auf Kommando mit Pfefferspray gesprüht. Einer soll außerdem ein Messer gezückt haben. „Dann sind sie mit dem Buch geflüchtet.“ Im Fluchtwagen soll der Angeklagte gesessen haben. Der war dem 28-Jährigen angeblich bekannt.
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Ob er ihn allerdings wirklich erkannt hat? In einer dunklen Straße, mit Pfefferspray in den Augen? Schon daran hatten die Richter der 6. Strafkammer große Zweifel. „Ich weiß nicht, was ich von dieser ganzen Geschichte halten soll“, sagte Richter Martin Hahnemann bei der Urteilsbegründung. „Es gibt sehr viele Fragen, aber keine einzige Antwort.“
Polizei bringt Gelsenkirchener zum Raub-Prozess in Gerichtssaal - Verhandlung geschwänzt trotz Vorladung
Dass der ehemalige Buchbesitzer damals angegriffen worden ist, steht allerdings fest. Die Polizei war sofort gerufen worden und auch schnell vor Ort. Trotzdem gibt es laut Urteil zahlreiche Widersprüche, die eine Verurteilung des Angeklagten nicht zulassen würden. Der 46-Jährige selbst hatte sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert. Selbst wenn er den Fluchtwagen gefahren haben sollte, sei nach Ansicht der Richter unklar, ob er in den Raub überhaupt eingeweiht gewesen ist.
Schwer getroffen hat den ehemaligen Besitzer der Verlust offenbar nicht. Der Gelsenkirchener war am Mittwochmorgen von der Polizei abgeholt und ins Essener Landgericht gebracht worden, weil er zu seiner ersten Zeugenvernehmung nicht erschienen war. Hintergrund war offenbar eine neue Adresse. Er hatte es aber nicht mal für nötig gehalten, sie seinem Anwalt mitzuteilen, den er nach dem angeblichen Raub eingeschaltet hatte.
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Das Urteil entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die ebenfalls Freispruch gefordert hatte. Was bleibt, ist die Ungewissheit. Richter Hahnemann: „Ich wüsste ja schon gerne, was das für ein Buch ist und wo es geblieben ist.“ Im Internet ist allerdings auch diese Information zu finden: Die meisten Bücher dieser Art sollen keine Sensationsfunde, sondern Fälschungen sein.