Gelsenkirchen. „Warum macht man es uns so schwer?“: Dieser Fall zeigt, wie mühselig es sein kann, in Gelsenkirchen den deutschen Pass zu beantragen.

An einem Tag waren es 49 Anrufe, an einem anderen 79 und an einem sogar 197. Bildschirmfotos von der Anrufliste ihres Smartphones zeigen die vergeblichen Versuche einer WAZ-Leserin, jemanden beim Einbürgerungsteam des Bürgerservices der Stadt Gelsenkirchen zu erreichen. Gesagt habe man ihr, dass sie es an den ersten drei Tagen eines neuen Monats versuchen sollte, per Telefon einen Termin zu bekommen. Geklappt hat das offensichtlich nicht. „Dabei will sie nur Dokumente abgeben“, sagt ihr Ehemann über seine studierte, fließend Deutsch sprechende und seit 20 Jahren in Deutschland lebende Frau. „Warum macht man es solchen Menschen so unglaublich schwer?“, fragt er. Auch per Brief hat sich das türkische Paar schon freundlich an die Behörde gerichtet. Auch hier: keine Antwort.

Die Einbürgerungsbehörde steht nicht zum ersten Mal in der Kritik. Schon öfter klagten Betroffene, auch in der WAZ, über ewig lange Wartezeiten. Auch bis die WAZ-Leserin einen ersten Termin bekam, verging ein ganzes Jahr, wie sie berichtet. Dann machte sie im Januar 2024 den Einbürgerungstest – und versucht seitdem, telefonisch durchzukommen. Dabei zeigte sich die Verwaltung zuletzt durchaus zufrieden, dass man durch neue Regelungen bei der Terminvergabe Tempo in die Bearbeitung der Einbürgerungsanträge bekommen hatte. Zuletzt sprach man von einer 6-monatigen Wartezeit. Termine würden in Gelsenkirchen nur monatsweise freigeschaltet, die Vergabe erfolge nur telefonisch, sagten Mitarbeiter vor einigen Monaten im Integrationsrat.

Stadt Gelsenkirchen: Keine Termine in der Einbürgerungsbehörde verfügbar

Informationen darüber gibt es auf der Website der Stadt allerdings nicht. Dort werden Menschen, die sich informieren wollen, vor vollendete Tatsachen gestellt: „Zurzeit stehen keine freien Termine bei der Einbürgerungsbehörde zur Verfügung. Die Vergabe eines Termins ist aufgrund der personellen Situation und der hohen Nachfrage [...] zurzeit nicht möglich“, heißt es dort lediglich. Zwar wird Besserung in Aussicht gestellt, indem darauf hingewiesen wird, dass „zeitnah“ eine digitale Beantragung der Einbürgerung möglich sein soll. Was Betroffene jetzt tun können, um ihr Anliegen doch noch bei der Behörde vorzutragen, wird jedoch nicht benannt.

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Auf die Frage, warum sich die Stadtverwaltung so intransparent zeigt, heißt es von Stadtsprecher Martin Schulmann: Die Verfahrensweise, dass bis zur Einführung des Online-Verfahrens Termine telefonisch vergeben werden, werde über „verschieden Kanäle transparent kommuniziert“. Als Beispiel nennt die Stadt Aushänge in der Einbürgerungsbehörde oder Hinweise in der Beantwortung mündlicher und schriftlicher Anfragen. Warum ausgerechnet online, wo sich zunächst wohl die meisten Menschen informieren werden, darüber nichts zu lesen ist? Diese Frage bleibt offen.

Bedarf nach Einbürgerungsterminen dürfte in Gelsenkirchen bald noch mal stark steigen

An der Umsetzung des Online-Antrags werde aber mit „Hochdruck gearbeitet“, sagt Schulmann. „Nach aktuellem Stand rechnet die Stadt mit einer Einführung im dritten Quartal 2024“. Sobald ein genaues Startdatum feststeht, werde dieses rechtzeitig öffentlich bekannt gemacht. Und warum lässt sich bis dahin einfach niemand im Einbürgerungsbüro erreichen, selbst wenn man es an einem Tag fast 200 Mal versucht? „Die Nachfrage nach Terminen ist sehr hoch und die Zahl der Telefonplätze begrenzt, sodass verständlicherweise nicht alle Anrufe gleichzeitig angenommen werden können und das Kontingent an verfügbaren Terminen schnell erschöpft ist“, heißt es dazu lediglich.

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Die schlechte Erreichbarkeit der Behörde und die schwierige Terminlage kommen zu einer Zeit, in der der Bedarf nach Einbürgerungsterminen noch mal erheblich in die Höhe schnellen könnte: Mit der Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das zum 26. Juni in Kraft tritt, wird es einfacher, den deutschen Pass zu beantragen. Außerdem wird eine doppelte Staatsangehörigkeit dann grundsätzlich ermöglicht. Gestiegen ist die Zahl der Einbürgerungsanträge in Gelsenkirchen aber auch ohne das neue Gesetz zuletzt bereits deutlich, da viele Syrer mittlerweile die zeitliche Voraussetzung für die Beantragung des deutschen Passes erfüllen.

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„Wir werden die besten Köpfe aber nur gewinnen, wenn sie in absehbarer Zeit voll und ganz Teil unserer Gesellschaft werden können“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu der Einführung des Gesetzes. Für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland sei das moderne Staatsangehörigkeitsrecht „ein entscheidender Schlüssel.“ Ob Erfahrungen wie in der lokalen Einbürgerungsbehörde da gute Werbung für den deutschen Staat sind? „Wir haben mittlerweile schon fast keine Lust mehr“, gibt jedenfalls der Ehemann der WAZ-Leserin zu. Geradezu „unverschämt“ findet er, wie mit ihnen umgegangen werde.