Gelsenkirchen. Besuch in Gelsenkirchen: Darum warnt Innenminister Reul bei der Cannabis-Legalisierung vor Verhältnissen wie in Holland, wo die Mocro-Mafia tobt.

Die Sorge vor Terroranschlägen im Zuge der Euro 2024 bei NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist einer Erleichterung gewichen. Bis auf kleineren Zwischenfällen wie eine Schlägerei in Gelsenkirchen zwischen serbischen und englischen Fans ist das Turnier ein „weitgehend friedliches Fußballfest“ geblieben. Das Bad in der Menge konnte der Innenminister beim Besuch der Aktion „Coffee with a Cop“ in der Gelsenkirchener Innenstadt allerdings nicht sorgenfrei genießen. Das beherrschende Thema nach mehreren Anschlägen und einer Entführung: die niederländische Mocro-Mafia und die Legalisierung von Cannabis.

Cannabis-Legalisierung: Reul warnt bei Besuch in Gelsenkirchen vor Verhältnissen wie in Niederlanden

Das Netzwerk von Banden mischt vor allem beim internationalen Schmuggel und Handel mit Kokain mit, den skrupellosen Kriminellen werden aber auch Geldwäsche, Raub, Entführungen und Auftragsmorde zugerechnet. Innenminister Reul nutzte in Gelsenkirchen die Gelegenheit, zu betonen, dass er die Cannabis-Legalisierung nach wie vor ablehnt. „Das war ein Fehler, ich war immer dagegen“, sagte Reul, der mit Gelsenkirchens Polizeipräsident Tim Frommeyer und Einsatzkräften das Gespräch mit den Bürgern suchte. Reul vermied es aber, eine Rücknahme der Legalisierung einzufordern.

Im Zusammenhang mit der Freigabe von Cannabis warnte der Minister vor sich bildenden kriminellen Strukturen und Verhältnissen wie in den Niederlanden: „Die Niederlande sind das Vorreiterland im Sinne von Bagatellisierung und Legalisierung von Rauschgiften. Und es gibt kaum ein Land in unserem europäischen Umfeld, wo so mafiöse Strukturen entstanden sind im Bereich von Drogenhandel wie in den Niederlanden und wo es auch so gewalttätig zur Sache geht.“ Man müsse alles daransetzen, hierzulande eine solche Entwicklung zu unterbinden. Nach Auffassung des NRW-Innenministers ist das Thema in den Niederlanden aus dem Ruder gelaufen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, 2.v.r.) besuchte zusammen mit Gelsenkirchens Polizeipräsident Tim Frommeyer (r.) den Kaffee-Truck der Polizei. Eine Aktion der Polizei und des Ministeriums, um ins Gespräch mit den Bürgern zu kommen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU, 2.v.r.) besuchte zusammen mit Gelsenkirchens Polizeipräsident Tim Frommeyer (r.) den Kaffee-Truck der Polizei. Eine Aktion der Polizei und des Ministeriums, um ins Gespräch mit den Bürgern zu kommen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die Gesetzesreform hierzulande sieht Reul dabei eher als Hindernis, vor allem bei der Umsetzung drohe ein „Kontrollverlust“ mangels schlecht ausgearbeiteter Bestimmungen. Ein Konsum-Verbot von Cannabis gibt es beispielsweise im Umkreis von 100 Metern zum Eingang von Schulen, Kitas, Kinder- und Jugendeinrichtungen und öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie in Sichtweite davon. „Was aber, wenn ein Baum dazwischen steht, ist das dann noch in Sichtweite?“, fragte Reul mit einem Anflug von Spott. Ein Hinweis auf juristisches Klein-Klein vor Gericht bei einer möglichen Strafverfolgung.

Komplimente für Innenminister Reul: „Sie sehen in echt viel schlanker und jünger aus als im Fernsehen.“

Im schwelenden Streit zwischen der Gewerkschaft der Polizei und dem Innenministerium um den Überstundenverfall machte Herbert Reul einen Bogen um die Antwort auf die Frage, ob er die seit Jahresbeginn reaktivierte Bagatellgrenze wieder einstellen werde. Laut Bagatellgrenze dürfen Beamte ihre Mehrarbeit erst nach fünf Überstunden aufschreiben. 2021 hatte allein das Polizeipräsidium Gelsenkirchen einen Überstundenberg von knapp 60.000 Überstunden angehäuft.

„Ich halte das Thema für eine Chimäre“, sagte Reul. Er ordnete es damit ins Reich der Fabeln ein. Zuletzt sind nach Gewerkschaftsangaben „12.600 Stunden von rund 2350 Polizistinnen und Polizisten“ verfallen. Reul habe die Schuld den Einsatzkräften zugeschoben, weil die meisten Betroffenen es versäumt hätten, ein Langzeitkonto für die Überstunden zu eröffnen.

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Die Replik kam prompt, unter anderem von Daniel Laßek, neuer Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Gelsenkirchen: „Herr Reul schiebt die Verantwortung des (Nicht-)Stundenverfalls auf die Beamten. Aber wie sollen sie ehrlich abrechnen und gleichzeitig ihre Stunden vor dem Verfall schützen, wenn am Ende des Monats weniger als fünf Überstunden geleistet wurden?“, sagte Laßek am Telefon.

Der Gewerkschafter weiter: „Besser wäre es, er würde für rechtliche Verbindlichkeit sorgen, wie es zum Beispiel im Bundesland Hessen der Fall ist. Dort gibt es im Gesetz keine Bagatellgrenze. Und wenn es ja, wie Herr Reul behauptet, gar nicht so viele Stunden gibt, die verfallen, dann kann man das Gesetz ja ruhig schnell umsetzen, denn dann kostet es ja dem Land NRW auch nicht so viel.“

Reul wurde von zahlreichen Passanten um ein Selfie mit ihnen gebeten. Den Bitten kam der mediengewandte CDU-Politiker gerne nach und konnte das ein oder andere Kompliment genießen. „Sie“, schmeichelte ihm eine Frau, „sehen in echt viel schlanker und jünger aus als im Fernsehen.“