Gelsenkirchen. Vorsicht Falle: Eine neue Technik überwacht sekundengenau, ob Autofahrer die vorgesehene Parkzeit überschreiten. Dann wird es richtig teuer.
KI ist hilfreich, etwa wenn die künstliche Intelligenz anhand des Kennzeichens erkennt, welches Fahrzeug nach dem Bezahlen das Parkhaus gerade verlassen will und sich die Schranke wie von Geisterhand automatisch öffnet. KI hat allerdings auch ihre Tücken, wie Heinz Kraienhorst jüngst entgeistert festgestellt hat. Der Gelsenkirchener soll knapp 200 Euro Strafe für gleich vier angebliche Parkverstöße an ein und demselben Ort zahlen. Der bald 70-Jährige hält das für „Abzocke“, sein Anwalt Arndt Kempgens spricht von „Kalkül“.
Gelsenkirchener: Provozierte Parkverstöße, um sich Taschen mit Geld vollzumachen
Stein des Anstoßes im Fall von Heinz Kraienhorst ist die computergesteuerte Parkraumüberwachung auf dem Aldi-Parkplatz an der Kurt-Schumacher-Straße, Ecke Alfred-Zingler-Straße. Der Discounter hat die sogenannte Parkraumbewirtschaftung an einen externen Dienstleister, in die Hände der Münchener Firma „Park Depot“, abgegeben. Seither thronen auf den Dächern der Filiale weiße Kameras, die nach Unternehmensangaben lediglich die Kennzeichen der ein- und ausfahrenden Kunden erfassen. Anderthalb Stunden Einkaufs- respektive Parkzeit wird Kunden eingeräumt, blau-weiße Schilder mit reichlich Kleingedrucktem weisen darauf hin, dass beim Überschreiten des Limits „Vertragsstrafen“ in Höhe von 30 bis 40 Euro fällig werden.
„Über die Aldi-Einfahrt bin ich auf den Parkplatz gefahren, ja“, sagt Heinz Kraienhorst. Aber geparkt habe er nebenan, nämlich auf den Stellplätzen der früheren Netto-Filiale. Das Gebäude ist verwaist. Beide Firmengelände sind durch einen asphaltierten, breiten Weg miteinander verbunden, sogar Richtungspfeile sind davor aufgemalt. Man kann also von einem Grundstück auf das andere fahren. Und das nutzen Anwohner wie der Gelsenkirchener, um ihre Autos auf der Fläche ohne Geschäftsbetrieb abzustellen. Am nächsten Tag ist der Gelsenkirchener dann wieder über die den Aldi-Parkplatz auf die Alfred-Zingler-Straße gefahren - und wurde von den Kameras erneut erfasst. Folge: vermeintlich lange Parkzeiten.
Nach Angaben seines Anwalts Arndt Kempgens wird seinem Mandanten Vertragsbruch vorgeworfen, „in dem er als Kunde sein Auto am 11., 12., 15. und 16. Dezember des vergangenen Jahres dort auf dem Aldi-Parkplatz zu lange abgestellt“ habe. Dauer: zwischen dreieinhalb Stunden bis fast 22 Stunden. Deshalb soll Heinz Kraienhorst jeweils zwischen 35 Euro (für die Parkzeiten unter vier Stunden) und 40 Euro zahlen. Dagegen wehrt sich der Senior. Sein Verdacht: „Da will sich jemand auf meine Kosten die Taschen mit Geld vollmachen - mit provozierten Parkverstößen.“
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Wie der Lebensmittelriese mitteilt, „verdient Aldi Nord kein Geld mit der Überwachung und ist nicht prozentual an den erhobenen Vertragsstrafen beteiligt“. Ziel lediglich: ein „schneller und bequemer Einkauf“ mit ausreichend Parkraum-Service für Kunden, ohne lästige Dauer- oder Fremdparker, die Stellflächen blockieren.
Das Geschäft mit der Parkraumüberwachung: Sechsstellige Einnahmen - täglich
Profiteure sind vielmehr die Münchener Jungunternehmer, die die Bewirtschaftung vorantreiben. Sie werben damit, „europaweit mehr als 1000 Parkflächen zu bewirtschaften und dabei mehr als eine Million Parkvorgänge pro Tag zu erfassen“. Kunden sind „Lebensmitteleinzelhändler, Immobiliengesellschaften, Einkaufszentren und Hotels bis zu Kliniken.“ Park Depot operiert dabei mit einem kostenneutralen Rundherum-Service, für die Kunden entstehen also so gut wie keine Kosten, trotzdem erzielen die Münchener täglich Einnahmen in fünf- bis sechsstelliger Höhe.
Park Depot geht nach eigenen Angaben davon aus, dass zwischen 0,05 bis 0,3 Prozent der Autofahrer die Parkzeit überschreiten. Demnach beläuft sich die Zahl der Vertragsverstöße bei einer Million Parkvorgänge auf 500 bis 3000 pro Tag. Macht bei 40 Euro pro Fall Tages-Einnahmen in Höhe von 20.000 bis 100.000 Euro.
Arndt Kempgens vermutet „Kalkül“ dahinter, dass es Kunden leicht gemacht werde, Parkverstöße zu begehen: „Diese Firmen verdienen ihr Geld damit, dass solche Verstöße begangen werden. Da muss man sich die Frage stellen, ob die Firmen nicht daran interessiert sind, dass es zu solchen Vertragsverstößen kommt und dass sie dann solche Rechnungen schreiben können. Die Antwort ist vorprogrammiert.“
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Park Depot teilte auf Anfrage mit, dass sobald der Zugang bekannt geworden sei, „das System auf dem Parkplatz offline genommen und die daraus entstandenen Fälle selbstverständlich storniert wurden“. Ob das für die vier angemahnten Verstöße von Heinz Kraienhorst zutrifft und wie mit den Geldforderungen an ihn umgegangen wird, ließ das Unternehmen offen. Begründung: „Aus Datenschutzgründen haben wir keine Möglichkeit, einzelne Informationen abzurufen.“
Bei einem ähnlich gelagerten Fall in Gelsenkirchen, den Rechtsanwalt Arndt Kempgens betreut, erfassen KI-gestützte Kameras eines Geschäftes neben parkenden Kunden sogar auch, wer durch Ein- und Ausgang den Laden betritt oder verlässt. Kempgens hat in beiden Fällen „höchste Bedenken“ hinsichtlich des Datenschutzes, denn die Kamera-Überwachung mache es möglich, Bewegungsprofile zu erstellen.