Gelsenkirchen. Die Engländer sind bei dieser Fußball-EM zum zweiten Mal in Gelsenkirchen. Und? Finden sie immer noch, die Stadt sei nur ein „Shithole“?
„It‘s a shithole, it‘s a shithole, Gelsenkirchen, it‘s a shithole, no disrespect“ – manch ein englischer Fan singt schon zur „Drecksloch“-Debatte, die in Gelsenkirchen nach dem ersten EM-Besuch der Engländer beim Spiel gegen Serbien entfacht wurde. Und weil die Emscherstadt – wegen der abseits liegenden Fan-Zone an der Trabrennbahn, wegen des trostlosen ersten Eindrucks beim Verlassen des Hauptbahnhofs, wegen der chaotischen Zustände bei der Abreise – beim Gruppenspiel nicht so gut bei den Engländern ankam, sei es dieses Mal sogar schwierig gewesen, Tickets für das Achtelfinale gegen die Slowakei weiter zu verkaufen. Das berichten dieselben Fans, in deren Kreis das „Shithole“-Lied gesungen wird. „People just dumped their tickets“, sagt einer von ihnen – manche Tickets seien jetzt einfach im Müll gelandet.
Dass viele Engländer beim zweiten Besuch nun besser gestimmt sind, das zeigt sich bei einer kleinen Umfrage in der feiernden Masse auf dem Heinrich-König-Platz. Viele sind alleine schon deshalb gut drauf, weil sie direkt in der City feiern dürfen, weil sich obendrauf auch noch der Regen zurückhält, weil es genug Bier an allen Ecken gibt. „Was willst du mehr?“, sagt ein Fan, der gerade vor einem der Sanitärwagen wartet. Und die sind tatsächlich sein einziges Problem. „Es gibt hier einfach zu wenig Toiletten.“ Da hätte er von der „German efficiency“ (deutschen Effizienz) mehr erwartet, sagt er. Schön, dass sich dieser Mythos überhaupt noch im Ausland hält.
Fans in Gelsenkirchen: England hat auch eine Menge „Dreckslöcher“
Andere bezeichnen Sky-Journalist Kaveh Solhekol und den Influencer Paul Brown, die als erste öffentlichkeitswirksam lostraten, wie unattraktiv es in Gelsenkirchen sei, als „Idioten“. Diejenigen, die das mit dem „Shithole“ in die Welt gesetzt haben, würden total falsch liegen, meint ein Engländer. „Es ist sehr schön hier. England hat viele postindustrielle Städte, die exakt so sind. Und daraus wurde hier viel gemacht, es gibt viel zu sehen. Es ist sauber und gut organisiert.“ Sein Kumpel stimmt zu: „Es ist ein schöner Ort. Nicht der Ort, der uns angekündigt wurde.“
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Dass England auch viele „Dreckslöcher“ hat, findet auch ein anderer junger Mann, der aus Bolton kommt. „Und Gelsenkirchen ist wie Bolton“, sagt er. „Nur vielleicht ein bisschen schlimmer.“ Schließlich sei Gelsenkirchen nun mal nicht Köln, ergänzt sein Freund. Schöne Kirchen gibt es hier trotzdem, wie einem anderen Fan aufgefallen ist. Er zeigt auf die St.-Augustinus-Kirche – „that‘s alright.“ Köln sei trotzdem „ganz oben“ und Gelsenkirchen „ganz unten.“
Immerhin einige der – wirklich wenigen – weiblichen Fans haben an diesem Tag auf dem Heinrich-König-Platz etwas richtig Nettes zu sagen. „Ich liebe es hier. Die Leute sind so gastfreundlich und unser Hotel war auch spitze. Eine großartige Erfahrung“, sagt eine Engländerin und ihre Nichte legt gleich nach. „Wir kamen gestern Abend an, haben ein paar Drinks gehabt, es ist wirklich schön, alle sind sehr freundlich. Es ist eine tolle Atmosphäre.“
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Dann darf auch noch ein Schotte seine Meinung abgeben. Der „Shithole“-Sänger ruft ihn zu sich, will unbedingt, dass er auch ein kleines Interview gibt. „It‘s a city like any other“, sagt der Mann mit dem roten Vollbart jedoch ganz nüchtern - Gelsenkirchen sei eine Stadt wie jede andere. Haben die Engländer also einfach zu hohe Erwartungen? Die Engländer seien einfach ein bisschen „cheeky“, etwas frech und unverschämt. „Sie meinen es nicht so.“