Gelsenkirchen. Die Vorfreude auf die EM war bei den Verantwortlichen in Gelsenkirchen groß. Mindestens genau so groß ist jetzt das Marketing-Fiasko.
Dieses Spiel sollte das Highlight der Europameisterschaft in Gelsenkirchen werden: England gegen Serbien. Denn bekanntermaßen reisen die fußballverrückten Engländer ihrer Nationalmannschaft bei großen Turnieren zu Zehntausenden hinterher, auch, wenn längst nicht alle ein Ticket für das Stadion bekommen haben. Mit 40.000 und mehr Fans von der Insel hat man in Gelsenkirchen gerechnet und die Trabrennbahn am Stadtrand zu Essen zur englischen Fan-Zone hergerichtet. Aber die Mega-Party fand woanders statt und Gelsenkirchen steht vor einem Marketing-Fiasko!
Schon am Samstag machte sich mehr und mehr Ernüchterung breit in der Emscherstadt. Denn von den vielen erwarteten englischen Fans war in der Stadt kaum etwas zu sehen. Nur im „GE Piazza“ am Heinrich-König-Platz und vereinzelt in anderen Lokalen sind seit Freitagnachmittag einige Dutzend Engländer zu sehen und zu hören. Ein Fan-Betreuer des englischen Fußballverbandes erklärt das am Samstag im Gespräch mit der Redaktion so: „Gelsenkirchen ist die kleinste Stadt unter den Austragungsorten. Die meisten Engländer bleiben erstmal in Köln, Düsseldorf oder Essen. Da ist mehr los“.
Zeitgleich laufen in sozialen Netzwerken Videos von feiernden Engländern in Düsseldorfer Altstadt rauf und runter, während im Netz Beiträge über Gelsenkirchen ebenfalls viral gehen, die vernichtend und absolut abschreckend sind.
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Von Fassungslosigkeit ist da etwa die Rede. Darüber, dass so ein „Drecksloch“ Austragungsort bei der EM in Deutschland ist. Unterstrichen wird dieser Eindruck mit Fotos vom Hauptbahnhof und dem Vorplatz, wo kaum Menschen zu sehen sind. „Geisterstadt“ urteilt der englische Fan. Und ein anderer schreibt mit Bezug auf Gelsenkirchen von der „langweiligsten Stadt“, in der er je gewesen ist. Ganz offensichtlich ist es den EM-Organisatoren im Vorfeld des Turniers nicht gelungen, die vermeintlichen Vorzüge der Gelsenkirchener Fan-Zonen außerhalb der Zentren (Nordsternpark, Trabrennbahn) schmackhaft zu machen. Statt der erwarteten 40.000 Fans waren dort in der Spitze nur rund 7500 Anhänger. Welche Rolle es darüber hinaus gespielt haben mag, dass die Fan-Zone auf dem zentralen Heinrich-König-Platz erst am 21. Juni eröffnet wird, sei mal dahingestellt. Die mehr als 1000 (größtenteils) englischen Fans jedenfalls waren ziemlich irritiert darüber.
Den medialen Todesstoß gab dann aber ein britischer Reporter am Samstag. Der Sky-Journalist Kaveh Solhekol sagte bei einer Schalte vor der Arena des FC Schalke 04: „Ich muss ein bisschen vorsichtig sein, was ich sage. Weil ich nicht die netten Menschen aus Gelsenkirchen beleidigen möchte.“
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Der Reporter war zuvor aus München angereist, „was eine unglaubliche Stadt ist“, wie er sagte. „Aber Gelsenkirchen ist ein ziemlicher Kontrast. Denn jetzt sind wir im industriellen Herz Deutschlands, wo Stahlwerke und Kohleminen alle nicht mehr da sind. Und es ist nicht wirklich viel übrig geblieben in Gelsenkirchen.“
Natürlich sei die Stadt berühmt für ihr Fußball-Stadion und den Club Schalke, der darin spiele. „Aber abgesehen davon gibt es hier wirklich nicht viel, was man tun kann.“ Und ganz offensichtlich sieht das auch der allergrößte Teil der englischen Fans so, die Gelsenkirchen weitesgehend gemieden haben und nur wenige Stunden vor dem Spiel an- und dann wieder abgereist sind.