Gelsenkirchen-Schalke-Nord. Das ehemals „Gelbe Haus“ und die blauweiße Fahrschule wurden zwangsversteigert. Der irre Preis wurde nie bezahlt. Stadt und Justiz sind machtlos.
Noch immer ein Schandfleck ist das ehemals „Gelbe Haus“, die Engelsburg, an der Schalker Meile. Sperrmüll steht öfter davor. Abgerissene Folienfetzen zeugen davon, dass das in weiten Teilen marode Eckgebäude zumindest einen Anstrich erhalten hat. Die blau-weiße Farbe, dünn und eher fleckig statt deckend aufgetragen, kann die Schäden an der Fassade kaum übertünchen. Eine richtige Sanierung sieht anders aus.
Zuschlag für Häuser an Schalker Meile für rund 1,4 Millionen Euro - Steigpreise nicht bezahlt - Mieten fließen
Aber nicht nur das. Nach WAZ-Recherchen können die neuen Eigentümer wohl in aller Ruhe für die Engelsburg und ein weiteres Gebäude an der Schalker Meile die Mieten kassieren, ohne jemals den kompletten Gesamtpreis der Häuser bezahlt zu haben. Stadt und Justiz sind die Hände gebunden.
Zuletzt wehrten sich die neuen Eigentümer der Engelsburg mit Rechtsmitteln gegen den von der Stadt im Frühjahr anberaumten Leerzug der noch von zwei Großfamilien bewohnten Hälfte. „Das Verfahren läuft noch immer“, wie Stadtsprecher Martin Schulmann jetzt erklärt. Am Ende weiterer Eskalationsstufen mit vergleichsweise niedrigen, dreistelligen Zwangsgeldern stünde die Zwangsräumung. Dazu müsste das Haus aber wie die andere Hälfte für unbewohnbar erklärt werden, Gefahr für Leib und Leben bestehen. Danach sieht es derzeit nicht aus, trotz regelmäßiger Kontrollen des Ordnungsdienstes oder des EU-Interventionsteams.
Kurzer Rückblick: Die Vermietungsgesellschaft BBS 1 UG hatte im Februar 2023 in einem spektakulären Bieterwettstreit mit der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GGW) den Zuschlag für das „Gelbe Haus“ in Höhe der Kurt-Schumacher-Straße 124 und 126 für insgesamt rund 750.000 Euro zugesprochen bekommen. Im Februar hatte die BBS 2 UG die erneut mitbietende GGW abermals ausgebootet und das Eckhaus an der Kurt-Schumacher-Straße 118 – ehemals Sitz der blau-weißen Fahrschule – für rund 631.000 Euro ersteigert. Geschäftsführer beider damals frisch aus der Taufe gehobenen Gesellschaften mit Sitz in Erkrath ist Sajad Soleymanmanesh. Zusammen mit zwei Mitgesellschaftern im Hintergrund führt er die Betriebe.
Schalker Meile: Besitzer von Schrottimmobilien umgehen die Restzahlung - Gläubiger völlig untätig
Nach Justizangaben haben die neuen Eigentümer nach dem Zuschlag zwar sofort die jeweils fälligen zehn Prozent des Verkehrswertes bezahlt – den kompletten Steigpreis seien sie auch rund anderthalb Jahre nach bei den beiden Zwangsversteigerungen schuldig geblieben. „Der noch offene Differenzbetrag wurde daher als Zwangshypothek ins Grundbuch eingetragen“, erklärt Amtsgerichtsdirektor Mathias Kirsten. Das Problem: Solange kein Gläubiger Ansprüche geltend macht, verpufft die Möglichkeit einer neuerlichen Zwangsversteigerung zur bloßen Theorie. Und genau das sei hier der Fall, so Kirsten.
Städtische Mitarbeiter, die mit dieser Materie vertraut sind, befürworten daher eine deutliche Erhöhung des sofort fälligen Zahlbetrages bei Zwangsversteigerungen, um Geschäftemachern das Leben schwerer zu machen. Die Rede ist von „30 bis 50 Prozent“.
- Gelsenkirchen: So dreist läuft das Geschäft mit Schrotthäusern
- Exklusiv: So will Regierung gegen Schrotthaus-Mafia vorgehen
Auch die Stadt hat so gut wie keine Handhabe mehr. Dass ein Haus wie die Engelsburg überhaupt unter den Hammer gekommen ist, lag einzig und allein daran, dass der Vorbesitzer fällige Grundbesitzabgaben in fünfstelliger Höhe über Jahre nicht bezahlt hat. Beim „Gelben Haus“ und im Fall der blau-weißen Fahrschule fließen nach WAZ-Informationen diese Gelder nun aber regelmäßig in die Kasse. Ergo ergibt sich für die Stadt nicht noch mal derselbe Grund, weitere Zwangsversteigerungen per Gerichtsbeschluss zu erwirken.
Vormals gehörte das „Gelbe Haus“ der in den Niederlanden ansässigen Global Foundation BV und zum anderen der Duisburger Immobilien Holding GmbH NRW – Kopf beider Unternehmungen ist David Thomas Willis. Und auch das Gebäude mit der Hausnummer 118 gehörte der Holding. Im März 2023 begann bei der Holding ein Insolvenzverfahren (64 IN 196/22). Anfragen zum Stand des Verfahrens und insbesondere zu den eingetragenen Restforderungen für die Engelsburg und das Fahrschulhaus, blieben vom Insolvenzverwalter unbeantwortet.