Essen. Nach dem Selbstbestimmungsgesetz kann jeder sein Geschlecht selbst definieren. Sauna-Betreiber versuchen den Spagat, um allen Gästen gerecht zu werden.
Seit November 2024 ist das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, das es Menschen ermöglicht, den Eintrag zu Namen und Geschlecht beim Amt ändern zu lassen, und zwar unabhängig vom biologischen Geschlecht. Wie gehen Saunabetriebe wie die Essener Gruga-Therme mit dem Thema Transsexualität um? Wer darf oder muss welche Sanitäranlagen und Umkleiden nutzen? Was sagt ein Betroffener?
Der Essener Transmann Aaron K. hatte im Januar seinen Termin beim Standesamt und Bürgeramt und ist jetzt auch auf dem Papier offiziell ein Mann. Auf Saunabesuche verzichtet er aber lieber. Aaron K. wurde als Frau geboren, ließ sich später die Brüste abnehmen und hat durch die Hormonbehandlung inzwischen einen männlichen Körper. Den letzten Schritt, sich einen Penis formen zu lassen, will er aber nicht gehen.
Nicht jeder Transmensch entscheidet sich für die finale Operation zur Geschlechtsanpassung
Stattdessen nutzt er beim Geschlechtsverkehr eine Art Prothese, mit der er gut klarkommt. „Deshalb sehe ich unter herum weiter weiblich aus und möchte neugierige Blicke in der Sauna lieber vermeiden. Als Frau bin ich früher durchaus in die Sauna gegangen“, sagt Aaron K. Ansonsten nutze er selbstverständlich die Männertoilette und -umkleide.
Vielleicht ist Aaron K. nur einer von vielen Transmenschen, die sich unangenehmen Blicken in der Sauna lieber nicht aussetzen wollen. Umgekehrt äußern in sozialen Medien viele Frauen Unbehagen und Unwillen bei dem Gedanken, in der Umkleidekabine auf einen Menschen mit Penis zu treffen, der sich selbst als Frau sieht.
Tatsächlich taucht das Thema im Arbeitsalltag bei „Kur vor Ort“ nur selten auf, erklärt Geschäftsführer Alexander Grefer. „Natürlich haben wir uns Gedanken darüber gemacht, nicht nur in Bezug auf die Gäste, sondern auch auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen ja allen gerecht werden“, sagt er. Man halte sich beim Thema Selbstbestimmungsgesetz und dem Eintritt in geschlechtsspezifische Bereiche an die Vorgaben des Deutschen Sauna-Bundes.
„Kur vor Ort“ im Grugapark
Seit Mai 2024 ist Alexander Grefer als Geschäftsführer im Amt. Der 36-Jährige ist nach eigenen Angaben ein „Essener Kind“, hat seine Jugend zum großen Teil in der Sporthalle Margarethenhöhe beim Handball verbracht, eine Sportart, die er leistungsmäßig betrieb.
Für den Wahl-Dorstener ging es also im vergangenen Jahr örtlich quasi „zurück zu den Wurzeln“. Grefer ist mit seinem Kollegen Jörg Samel für ein Team aus rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin zuständig, darunter viele Aushilfskräfte. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Kurhaus im Grugapark täglich geöffnet. Im Jahr 2024 verzeichnete die Einrichtung laut Grefer 87.233 Besucher.
Grugatherme und Saunenlandschaft sind im Gebäude des ehemaligen Restaurants Blumenhof an der Lührmannstraße 70 untergebracht. Im April 2024 feierte die „Kurhaus im Grugapark GmbH“, allgemein unter ,,Grugapark-Therme“ oder ,,Kur vor Ort“ bekannt, 20-jähriges Bestehen. Laut Grefer nutzen das Gesundheitszentrum vor allem Menschen aus Essen und Umgebung, während die Therme auch viele Stammgäste von außerhalb habe.
Im Haus finden Präventions- und Reha-Kurse, Herzsport, aber auch Angebote wie Zumba, Yoga, Pilates oder Tai Chi statt. Im Sportclub, der inzwischen über 500 Mitglieder habe, ist Gerätetraining möglich. Zur Saunalandschaft gehören fünf verschiedene Saunen, ein Dampfbad, eine Infrarot-Lounge, ein Sole-Außenbecken mit Whirlpool und ein Bewegungsbecken. Im Wellnessbereich können sich die Gäste massieren lassen. Auch eine Gastronomie steht zur Verfügung. Laut Geschäftsführer können maximal 300 Personen die Einrichtung gleichzeitig nutzen, damit der gewünschte Entspannungs- und Erholungseffekt auch eintrete.
Zum Angebot im Saunabereich gehören jahreszeitliche Aufgüsse, die zum Teil mit kleinen Leckereien wie Obst oder Wassereis kombiniert werden, aber auch lange Saunanächte mit Event-Charakter. Für dieses Jahr sind sie für den 26. April, 13. September und 13. Dezember geplant. Themenabende soll es am 23. August, 24. September und 31. Oktober geben.
Und der weist explizit darauf hin, dass der Zutritt zu geschlechtsspezifischen Bereichen, insbesondere zur Frauensauna, nach wie vor nur Personen gestattet ist, „deren primäre Geschlechtsmerkmale weiblich sind“. Für das Kassenpersonal heißt das, dass zunächst darauf zu achten ist, ob die Person weiblich oder männlich wirkt. „Bei Zweifeln kann man höflich nach dem Geschlechtseintrag fragen oder im Gespräch mit dem Gast auf die Zutrittsbedingungen hinweisen“, sagt Grefer mit Verweis auf die Vorgaben der Dachorganisation.
Am Frauentag in der Essener Grugatherme haben keine Gäste mit männlichen Geschlechtsmerkmalen Zutritt
Danach erhält eine Transfrau, die den letzten Schritt zur Geschlechtsanpassung nicht oder noch nicht gegangen ist und noch einen Penis hat, am Frauentag keinen Zutritt. Der Frauentag soll für weibliche Gäste einen geschützten Raum bieten, betont Grefer. Das Angebot werde gut angenommen, auch wenn die Therme dann nicht unbedingt eine männerfreie Zone sei. „Wir können natürlich nicht garantieren, dass am Frauentag nur weibliches Personal, zum Beispiel beim Aufguss, arbeitet“, erklärt der Geschäftsführer mit Blick auf die Dienstpläne.
In der Sauna herrsche generell ein unverkrampfter Umgang mit Nacktheit. „Das ist ja das Schöne an der Sauna, dass Aussehen, Geschlecht, Religion oder Herkunft kein Thema sind“, so der Geschäftsführer. Ansonsten gelte die Hausordnung und die sogenannte Sauna-Etikette: Badebekleidung ist nicht erlaubt, man könne sich aber ein Hamam-Tuch umbinden.
- Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!
Unisex-Umkleide ist perspektivisch auch in der Essener Grugatherme denkbar
Derzeit gibt es bei „Kur vor Ort“ nur Damen- und Herrenumkleiden, was auch dem begrenzten Platzangebot geschuldet ist. „Aber wir sind in allen Bereichen offen für Ideen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge“, so Grefer. Er kann sich perspektivisch durchaus das Angebot einer „gemischten“ Umkleidekabine vorstellen. Ein solches Unisex-Angebot wäre für viele Gäste praktisch, vermutet er. „Wenn ich mit meiner Frau in die Therme gehe, haben wir meist nur eine gemeinsame große Tasche dabei. Da wäre es sinnvoll, sich gemeinsam umzuziehen.“ Tatsächlich ist die gemischte Umkleide in vielen neueren Saunen nicht nur üblich, sondern mitunter sogar das einzige Umkleide-Angebot.

Auch im Gesundheitspark Nienhausen in Gelsenkirchen, der wegen seiner Lage direkt an der Stadtgrenze ebenso von vielen Essenern besucht wird, hat man sich mit dem Thema beschäftigt. Das Kassenpersonal habe per Dienstanweisung eine klare Richtlinie an die Hand bekommen. Die Kolleginnen und Kollegen seien im Zweifelsfall angehalten, den Kunden oder die Kundin zu fragen, ob er oder sie ein männliches Geschlechtsteil, also einen Penis, hat. Wenn ja, ist auf die Herrendusche und Herrenumkleide zu verweisen, so Jürgen Hecht, Geschäftsführer der Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr, die unter anderem für diese Einrichtung zuständig ist.
Queer-Verband sieht die vom Sauna-Bund empfohlenen „Sichtkontrollen“ sehr kritisch
In der Praxis komme das Thema tatsächlich selten vor, bestätigt auch er. Hecht erinnert sich allerdings an einen Vorfall, als eine Gruppe von fünf Leuten mit provozierendem Verhalten offenbar austesten wollte, wie man mit dem Thema umgeht. Einen klassischen Frauentag gibt es laut Hecht im Gesundheitspark Nienhausen nicht. „Dort haben wir drei Saunabereiche, einen für Frauen, einen für Männer und einen gemischten“, so Hecht. Menschen mit männlichem Geschlechtsteil, zum Beispiel Transfrauen ohne die finale geschlechtsangleichende Operation, seien im Frauenbereich nicht erwünscht.
Die Richtlinien des Sauna-Bundes sind nicht unumstritten, denn eigentlich kann sich nach dem Selbstbestimmungsgesetz sogar strafbar machen, wer die geschlechtliche Selbstdefinition in Zweifel zieht oder offen ignoriert. Der Queer-Verband LSVD+ kritisiert die „Sichtkontrolle“ in den Saunen denn auch als diskriminierend.
Der Leitfaden stelle Transmenschen „unter einen Generalverdacht und zementiert Vorstellungen von Rollenbildern, wie Menschen geschlechtsspezifisch auszusehen haben“, heißt es in einer Mitteilung. Die Mehrheitsgesellschaft müsse aber nicht vor Transmenschen geschützt werden. Hier sei „ein deutliches Zeichen der Vielfalt“ nötig. (mit F.S.)
- Paracetamol-Challenge: „Kids, seid ihr noch ganz dicht?“
- „Wurst König“: So chaotisch lief es zuletzt in den Filialen
- Dieses Café in Essen bietet den ganzen Tag Frühstück
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]