Essen. Im Streit um die Bezahlkarte für Flüchtlinge fordern Linke: Die Grünen sollten an der Ablehnung ihrer Karte festhalten – gegen ihren Partner CDU.

Die Linke im Essener Rat hofft, dass die Bezahlkarte für Flüchtlinge in Essen anders als von der Stadtspitze geplant, nicht eingeführt wird: Nachdem die Essener Grünen sich auf ihrer Delegiertenkonferenz Ende Januar gegen die „Social Card“ ausgesprochen haben, sei es nun möglich, dass „eine politische Mehrheit gegen die Bezahlkarte in Essen zustande kommt.“ Ausdrücklich wendet sich die Linke gegen Stadtdirektor Peter Renzel (CDU), der erklärt hatte, ein Ratsbeschluss zur Bezahlkarte sei nicht notwendig.

Essens Stadtdirektor hält eine Abstimmung im Rat für überflüssig

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„Die Debatte um die Bezahlkarte ist nicht nötig! Ich bin mit unserem Oberbürgermeister Thomas Kufen völlig einig. Wir setzen in Essen selbstverständlich geltendes Recht um“, hatte Renzel vergangene Woche auf Facebook geschrieben. Die Grünen, die in Essen gemeinsam mit der CDU regieren, hatten jedoch darauf hingewiesen, dass das Land den Kommunen ausdrücklich freigestellt habe, ob sie die Karte überhaupt einführen wolle.

Auch die Linke verweist jetzt auf die vom Land angebotene Opt-Out-Regelung: „Mittlerweile haben sich einige Städte, darunter Köln, Dortmund, Düsseldorf und Münster mit den Stimmen der Grünen gegen die Bezahlkarte ausgesprochen.“ Diesen Weg könne auch Essen gehen: „Es ist falsch, wenn Herr Renzel sagt, dass die Debatte um die Bezahlkarte überflüssig sei und in Essen geltendes Recht umgesetzt wird. Dazu gehört eben auch das Recht des Rates Nein zu sagen“, betont die Sprecherin der Linken im Rat, Heike Kretschmer.

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Auf Betreiben von Pro Asyl und der Linken/Internationale Liste werde der Integrationsrat auf seiner nächsten Sitzung im März darüber abstimmen, ob sich der Rat im April sich gegen die Bezahlkarte aussprechen solle. „Sollte der Integrationsrat so entscheiden, dann gilt für die grüne Ratsfraktion: ,Butter bei die Fische‘. Denn mit ihr und der SPD könnte eine Mehrheit gegen die Bezahlkarte möglich werden.“

Oppositionsparteien bieten sich den verschiedenen Lagern als Mehrheitsbeschaffer an

Am 5. Februar hatte sich umgekehrt schon das Essener Bürgerbündnis (EBB) als Mehrheitsbeschaffer für die Einführung der Bezahlkarte angeboten; gleiches gilt für die FDP. Auch mit Hilfe der beiden kleinen Fraktionen hätte die CDU zwar keine Mehrheit. Dennoch bleiben die Christdemokraten gelassen: Falls es überhaupt zur Abstimmung über ein „Opt-out“ im Rat kommen sollte, dürfte es nämlich ebenso schwer sein, eine Mehrheit gegen die Bezahlkarte zu organisieren: Dafür bedürfte es neben den Stimmen von Grünen, SPD und Linken auch der von Tierschutzpartei und DIE PARTEI.

Ungewiss ist auch, wie sich die SPD im Abstimmungsfall verhalten würde. Eine Abstimmungsfront gegen die Karte gebe es aktuell nicht, die Meinungsfindung laufe, sagt deren Vorsitzender Ingo Vogel. Es gebe Argumente für und gegen die Karte. Da diese in den Landeseinrichtungen ausgegeben werde, könne es etwa ein Vorteil sein, wenn die Stadt sie ebenfalls verwende und es so ein einheitliches System gebe. Grundsätzlich halte er in Zeiten der Digitalisierung eine Karte auch für die Nutzer für praktisch.

Gleichzeitig müsse man fragen, was es mit den Menschen mache, wenn man ihnen Bargeldleistungen vorenthalte. Zumal nicht sicher sei, dass die Karte jeden Missbrauch verhindere. Und schließlich müsse beantwortet werden, welcher Aufwand und welche Kosten durch die Karte langfristig auf die Stadt zukämen. Dass die Essener SPD zum Bannerträger gegen die Bezahlkarte wird, scheint eher unwahrscheinlich: „Die Meinungsfindung ist noch nicht abgeschlossen“, formuliert Vogel.

Ratsfrau Heike Kretschmer, Sprecherin der Linken im Essener Rat

„Es ist falsch, wenn Herr Renzel sagt, dass die Debatte um die Bezahlkarte überflüssig sei und in Essen geltendes Recht umgesetzt wird. Dazu gehört eben auch das Recht des Rates Nein zu sagen.“

Heike Kretschmer, Sprecherin der Linken im Essener Rat, erinnert an die Opt-Out-Regelung bei der Bezahlkarte

Die Befürworter der Bezahlkarte sehen diese als ein Instrument, um Einwanderer abzuhalten, die mit deutschen Sozialleistungen ihre Angehörige in den Heimatländern unterstützen oder Schulden bei Schleusern bezahlen wollen. „Auf die Fluchtursachen hat die Karte ohnehin keine Wirkung“, hält Heike Kretschmer von den Linken dagegen. Die Behauptung, dass Flüchtlinge, die Grundsicherung erhalten, in großem Umfang Geld ins Ausland schickten, entbehre jeder empirischen Grundlage. So habe es neben anderen Experten die Direktorin des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), Sabine Zinn, festgestellt.

Heike Kretschmer prangert zudem die Kosten für die Bezahlkarte an: „Es ist zu absurd, dass die Landesregierung rund 12,5 Millionen Euro für diese unsinnige Maßnahme bereitstellt, während gleichzeitig viele Flüchtlingsberatungsstellen wegen mangelnder Finanzierungszusagen vor dem Aus stehen.“ Tatsächlich protestieren betroffene Einrichtungen am Dienstag (11.2.) vor dem Landes-Integrationsministerium., auch Pro Asyl Essen beteiligt sich daran: „Wie zahlreiche andere unabhängige Beratungsstellen in NRW stehen auch wir mit dem Rücken zur Wand, weil zugesagte Fördergelder nicht fließen.“

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