Essen. Essens OB und der Stadtdirektor (beide CDU) wollen die Bezahlkarte für Flüchtlinge einführen. Nur: Die mitregierenden Grünen lehnen das jetzt ab.
CDU und Grüne, die in Essen gemeinsam regieren, steuern auf einen Konflikt zu: Auf ihrer jüngsten Mitgliederversammlung haben sich die Grünen jetzt klar gegen die Bezahlkarte für Flüchtlinge ausgesprochen. Es handle sich hier um „Symbolpolitik“, sagt die Grüne OB-Kandidatin Inga Marie Sponheuer. Der amtierende Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) hatte sich dagegen schon vor einem Jahr darauf festgelegt, dass Essen die Bezahlkarte in jedem Fall einführen werde.
Social-Card soll Bargeldleistungen für Flüchtlinge ersetzen
Die Karte soll die Bargeldzahlungen für Flüchtlinge ersetzen. Ihre Befürworter argumentieren, dass viele Asylbewerber Geld in ihre Heimatländer schicken oder es nutzen, um ihre Schulden bei Schleusern zu bezahlen. So würden die deutschen Sozialleistungen zum „Pull-Faktor“, der Einwanderer anzieht. Vor mehr als einem Jahr hatte die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder daher gemeinsam mit dem Bundeskanzler beschlossen, die Bargeldleistungen für Asylbewerber zu beschränken.
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Seit diesem Januar wird die so genannte Social-Card in NRW in den Flüchtlingsunterkünften des Landes ausgegeben. Die Inhaber sollen dann pro Monat nur noch 50 Euro Bargeld erhalten. In einem zweiten Schritt soll die Karte auf die 396 Kommunen im Land ausgerollt werden. Eine Verpflichtung, die Karte einzuführen, gibt es für die Städte allerdings nicht: Sie können im Rahmen der Opt-Out-Regelung entscheiden, auf sie zu verzichten und weiter Bargeld auszuzahlen.
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Genau auf diese Option heben die Essener Grünen nun ab: Auf ihrer Mitgliederversammlung am 25. Januar 2025 haben sie mit breiter Mehrheit beschlossen, dass Essen die Bezahlkarte nicht einführen soll. „Wir haben mit den Basiskonten ein gut funktionierendes System. Es würde einen enormen Verwaltungsaufwand bedeuten, noch ein neues System einzuführen“, argumentiert Inga Marie Sponheuer. Die grüne OB-Kandidatin zweifelt auch am erklärten Ziel der Karte: „Nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung tätigen überhaupt nur sieben Prozent der Geflüchteten Überweisungen in ihre Heimatländer.“ Die Absicht, ihre Familien im Herkunftsland zu unterstützen, dürfte folglich nur selten Fluchtgrund sein.
Grüne OB-Kandidatin hält die Bezahl-Karte für „Symbolpolitik“
„Wir bewegen uns da im Bereich der Symbolpolitik“, folgert Sponheuer. „Es dient auch nicht der Integration, wenn wir Betroffene unter Generalverdacht stellen.“ Bargeld sei gerade für Familien mit Kindern wichtig. Sie kauften zum Beispiel Kinderkleidung oft auf Flohmärkten ein, argumentiert auch ein Bündnis von Sozialverbänden, das die Karte ablehnt. In einem Offenen Brief an die Stadtspitze hatten die Unterzeichner die Social-Card als „diskriminierend und absehbar verfassungswidrig“ bezeichnet.
Oberbürgermeister Thomas Kufen hat sich bislang von solcher Kritik nicht beeindrucken lassen und schon im Februar 2024 klar gemacht, dass er von einer „Opt-out“-Regelung wenig halte: „Den dann drohenden Flickenteppich brauchen wir nicht.“ Kufen kündigte damals an: „Wenn es kein einheitliches Vorgehen geben sollte, führen wir die Bezahlkarte in Essen trotzdem ein.“ Vor zwei Wochen bekräftigte Stadtdirektor Peter Renzel diese Absicht; nur „der genaue Zeitpunkt zur tatsächlichen Einführung der Bezahlkarte in der Stadt Essen kann noch nicht benannt werden“.
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Dass die Grünen sich nun gegen die Bezahlkarte stellen, dürfte für Konfliktstoff zwischen den beiden Parteien sorgen, die in Essen gemeinsam regieren. Die Verantwortung für den drohenden Streit sieht Inga Marie Sponheuer augenscheinlich bei der CDU und namentlich bei OB Kufen. „Ich war sehr irritiert, dass es da nicht hieß: Wir sind für die Karte, sondern gleich: Die Karte wird kommen.“ Vor solchen Festlegungen hätte man sich mit den Grünen austauschen müssen. „Wir sind schließlich in einer Kooperation.“ Klar sei, dass man den verpassten Austausch zum Thema nun „zeitnah“ nachholen müsse.
Essener CDU: Unser Standpunkt ist den Grünen seit langem bekannt
Eine Argumentation, die der Fraktionschef der CDU im Stadtrat, Fabian Schrumpf, deutlich zurückweist: „Unser Standpunkt ist der Ratsfraktion der Grünen seit langem bekannt.“ Und an dem werde sich auch nichts ändern. „Als CDU stehen wir klar zur von der schwarz-grünen Landesregierung beschlossenen Bezahlkarte“, betont Schrumpf, der auch Landtagsabgeordneter ist. Sie vereinfache Verwaltungsprozesse, erhöhe die Ausgabentransparenz und ermögliche Flüchtlingen weiterhin wirtschaftliche Teilhabe, da sie „wie eine reguläre Debitkarte“ genutzt werden könne.
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