Essen. Viele Frauen fühlen sich im öffentlichen Raum unsicher. Kommissarin Bettina König sagt, man könne Gefahren vermeiden. Ein Problem: das Handy.

Im Dunkeln durch den Park gehen, eine Fahrt mit der Bahn am späten Abend, der Weg durchs Parkhaus. Das sind nur einige von vielen Situationen, in denen manche Menschen, meist Frauen, sich unwohl fühlen. Ob begründet oder nicht – die Angst ist da und schränkt ein. Immer wieder ist die Rede von „schlecht beleuchteten Straßen“, „bedrohlich wirkenden Gassen“, „dunklen Ecken“ und „Belästigung“. Eine Essener Studentin hatte deshalb Taxi-Gutscheine für Frauen angeregt, doch die Stadt lehnte ab.

Bettina König ist Kriminalhauptkommissarin im Kommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz und zuständig für die Themen Gewalt gegen Frauen und Mädchen, sexuelle Gewalt an Kindern und Opferschutz. Sie weiß, was zu tun ist, um nicht nur das eigene Sicherheitsgefühl zu verbessern, sondern sich auch tatsächlich sicherer im öffentlichen Raum zu bewegen.

Wahrnehmung schärfen, aufs Bauchgefühl vertrauen, richtig reagieren

Werde ich verfolgt – oder ist das nur Zufall? (Symbolbild)
Werde ich verfolgt – oder ist das nur Zufall? (Symbolbild) © Adobe Stock | Adobe Stock

Die Kommissarin unterscheidet drei Bereiche: die Gefahr erkennen, sie vermeiden, ihr begegnen. Viel wäre schon gewonnen, sagt sie, wenn Menschen die eigene Wahrnehmung schärfen würden, um Anzeichen brenzliger Situationen rechtzeitig zu bemerken und frühzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Denn darum gehe es doch: Gar nicht erst in Gefahr zu geraten. Doch viele würden sich nur noch auf ihr Handy konzentrieren – in der Bahn, an der Ampel, an der Haltestelle, auf der Straße. Mit Kopfhörern, den Blick aufs Display gerichtet, könnten sie aber weder hören noch sehen, was um sie herum passiert.

Kriminalhauptkommissarin und Opferschutzbeauftragte Bettina König

„Wenn sich eine Situation für mich nicht mehr normal anfühlt, dann sollte ich auf dieses Gefühl vertrauen.“

Kriminalhauptkommissarin und Opferschutzbeauftragte Bettina König

„Erst wenn ich etwas wahrnehme, kann auch mein Bauchgefühl anspringen, und ich habe die Möglichkeit, mein Verhalten anzupassen“, sagt Bettina König. Doch wo zieht man die Grenze: Wann ist Angst berechtigt, wann übertrieben? „Angst ist nie ein guter Ratgeber“, sagt König, „aber wenn sich eine Situation für mich nicht mehr normal anfühlt, dann sollte ich auf dieses Gefühl vertrauen.“ Manchmal sei es schon damit getan, die Straßenseite zu wechseln, ein Geschäft oder einen anderen belebten Ort aufzusuchen.

Die Kommissarin empfiehlt grundsätzlich, sich schon im Vorfeld damit zu beschäftigen: „Was könnte ich tun, wenn?“ So habe man stets ein paar Handlungsoptionen im Kopf, auf die man zurückgreifen könne. Viele davon sind simpel: Die belebte und gut beleuchtete Straße nach Hause wählen, auch wenn das einen kleinen Umweg bedeutet. Nicht zu früh zur Haltestelle gehen, wenn man sich dort allein unwohl fühlt, oder nach Möglichkeit in die Nähe anderer Menschen stellen. Lieber mit anderen gemeinsam als allein den Heimweg antreten. Bei Dunkelheit in der Mitte des Weges gehen, um düstere Ecken und Hauseingänge besser einsehen zu können. In Bus oder Bahn möglichst nach vorne in die Nähe des Fahrpersonals setzen. Im Zweifel eine andere, zentralere Haltestelle anfahren und von dort ein Taxi nehmen. Den Schlüssel schon in der Hand halten, um nicht erst vor der Haustür danach kramen zu müssen. Das Smartphone immer gut aufgeladen bei sich tragen, um jederzeit telefonieren oder auch einen Notruf absetzen zu können.

Apropos Smartphone: Zu viel damit herumfuchteln solle man nicht, sagt Bettina König, gerade wenn man Sorge vor einem Überfall habe. Doch auf einem einsamen Heimweg zu telefonieren, wenn man sich damit besser fühle, sei durchaus vernünftig. Davon, ein Telefonat nur zu simulieren, rät sie eher ab. Wem so etwas liege, der könne das tun, doch es erfordere viel Konzentration und lenke die Aufmerksamkeit wieder vom Umfeld und möglichen Warnzeichen ab.

Wer angestarrt wird, sollte den Blick erwidern: „Täter suchen Opfer, keine Gegner“

Zurück zur Situation, die sich „nicht normal“ anfühlt. Nehmen wir das Beispiel abendliche Bahnfahrt. Eine Frau ist allein unterwegs, ein Mann starrt sie unverhohlen an, nähert sich, die Bahn ist so gut wie leer. Anstatt den Kopf einzuziehen, aus dem Fenster zu schauen, wie ein Kleinkind, das die Hände vors Gesicht hält, um sich unsichtbar zu machen, solle man den Blick erwidern, so König. Die Botschaft: „Ich beobachte dich.“ Gleichzeitig könne man sich so besondere Merkmale der Person einprägen, die nützlich sein könnten – sollte es wirklich zu einem Übergriff kommen. Doch das, sagt König, sei unwahrscheinlich: „Täter suchen Opfer, keine Gegner.“

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Darum sei es grundsätzlich wichtig, aufrecht unterwegs zu sein, mit fester, lauter Stimme zu sprechen. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, dürfe man das ruhig üben. Ebenso wie das Schreien: Denn wer nie seine Stimme auf diese Weise benutze, könne das in einer Gefahrensituation vielleicht auch nicht. Ähnliches gelte für Selbstverteidigungskurse: An sich eine gute, hilfreiche Sache – doch niemand solle annehmen, das Gelernte im Extremfall sofort abrufen zu können, auch hier sei Übung wichtig.

In Essen gibt es viele Orte, an denen sich Menschen unwohl fühlen.
In Essen gibt es viele Orte, an denen sich Menschen unwohl fühlen. © FUNKE Foto Services | Dana Pusch

Im Fall eines Übergriffs darf man sich allerdings nach Kräften verteidigen, so die Kommissarin – in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit, was etwa bedeutet, nicht nochmal zuzutreten, wenn man den Angreifer schon außer Gefecht gesetzt hat. Es sei übrigens ein Klischee, betont Bettina König, dass Frauen den Männern automatisch körperlich unterlegen seien. „Nicht jeder Mann ist fit und kräftig.“

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Man solle darauf verzichten, einen Täter bewusst zu provozieren oder zu beschimpfen, rät sie, um eine Eskalation zu vermeiden. Ebenfalls wichtig: „Bleiben Sie beim Sie!“ Das hat nichts mit Höflichkeit zu tun, sondern signalisiert anderen Menschen deutlich, dass es hier nicht um eine persönliche Streitigkeit, etwa eines Paares geht. Andere würden direkt merken, dass der Konflikt zwischen Fremden stattfindet und daher eher eingreifen. Wenn andere Personen in der Nähe sind, solle man nicht bloß um Hilfe rufen, sondern jemanden direkt ansprechen: „Sie in der blauen Jacke, bitte helfen Sie mir!“

Umgekehrt appelliert sie, auch selbst Zivilcourage zu zeigen, Opfer proaktiv anzusprechen und zu helfen – so lange man sich nicht in Gefahr bringe.

Kommissarin rät von Pfefferspray ab – stattdessen mit Hundeleine, Haarbürste, Deospray verteidigen

Bei der Verteidigung könne man auch auf Gegenstände zurückgreifen, jedoch nie auf Waffen. „Das sind psychologische Krücken, die ein trügerisches Sicherheitsgefühl vermitteln“, so Bettina König. Viele Waffen seien schlicht verboten, und bei erlaubten Waffen müsse man sich erst einmal mit der Handhabung auskennen, zudem bestehe immer das Risiko, dass der Täter sie einem abnimmt und dann auch noch bewaffnet ist.

Hilfsmittel wie Pfefferspray bekomme man im schlimmsten Fall selbst ab, außerdem müsse der Täter für einen Effekt schon sehr nah herangekommen sein. Besser greife man auf Gegenstände zurück, die man bei sich trage: Bürste, Luftpumpe, Hundeleine, Deo, eine Tasche. Auch ein zwischen die Finger geklemmter Schlüssel könne als Stichwaffe dienen und einem den nötigen Vorsprung für eine Flucht verschaffen. Denn die sei der körperlichen Auseinandersetzung vorzuziehen. Auch ein laut schrillender Taschenalarm könne helfen. Letztlich aber gelte immer: „Das alles sind keine Generalhinweise, die auf jede einzelne Situation anwendbar sind.“ Wer sich verfolgt oder bedroht fühlt, etwas Verdächtiges beobachtet oder in eine Gefahrensituation gerät, solle im Zweifel die 110 wählen.

Weitere Hinweise und Informationen rund um das Thema Sicherheit bietet die Polizei auf der Internetseite polizei-beratung.de

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