Essen-Nord. Viele Menschen können Orte im Essener Norden nennen, an denen sie sich nicht sicher fühlen. Doch woran liegt das? Ein Besuch in Altenessen.
Egal, mit wem man spricht, egal, um welchen Anlass es eigentlich geht: In Gesprächen über den Essener Norden taucht zwangsläufig nach einer Weile das Thema Sicherheit auf. Es beschäftigt die Gäste und Organisatoren der Altenessen-Konferenz ebenso wie die der Katernberg-Konferenz oder die Mitglieder der Bigwam („Bürgerinitiative gegen den wilden Automarkt“), und es führte in diesem Sommer zur Gründung einer neuen Initiative in Katernberg: das Katernberger Bündnis gegen Gewalt.
Der Tenor ist oft folgender: „Wir leben gern hier, aber fühlen uns nicht (mehr) sicher.“ Zuletzt lud die CDU zu einer Veranstaltung mit Polizeipräsident Andreas Stüve ein, der Titel der Veranstaltung: „Wie sicher ist der Essener Norden?“ 63 Gäste kamen, um das vom Polizeipräsidenten persönlich zu erfahren und ihre Sorgen und Ängste zu äußern.
Defekte Beleuchtung, Müll und Brachflächen in Altenessen
Ortsbesuch in Altenessen, mit den Organisatoren der Veranstaltung: Klaus Hagen, stellvertretender Bezirksbürgermeister für den Bezirk 5, und Uwe Kutzner, Ratsherr und sachkundiger Bürger im Stadtentwicklungsausschuss.
Es ist ein Mittwochmorgen, der Himmel verhangen: Ein typischer grauer Wintertag, der düstere Ecken noch düsterer wirken lässt. Am Altenessener Bahnhof ist eine der Leuchtstoffröhren an der Unterführung vom Park&Ride-Parkplatz zu den Gleisen ausgefallen, „aber immerhin haben sie den Eingang wieder freigeschnitten“, sagt Uwe Kutzner. „Der war ja halb zugewuchert.“
Er könne gut verstehen, wenn sich Menschen an solchen Stellen unsicher fühlen würden. Es gebe schließlich einige davon in der Umgebung: Verlässt man den Bahnhof in Richtung U-Bahn und Supermarkt, fällt der Blick zunächst auf die Brachfläche einer ehemaligen Bauruine. Wie es mit dem Grundstück dort weitergeht, ist noch nicht klar.
Klaus Hagen und Uwe Kutzner führen die Treppen hinunter zur U-Bahn. Mit den Aufzügen gibt es hier regelmäßig Probleme. Der Weg über die Zwischenebene mit ihren braun gefliesten Wänden windet sich in mehreren Kurven bis zum nächsten Treppen-Ab- bzw. Aufgang, von wo aus man wieder nach oben oder ganz nach unten zu den U-Bahn-Gleisen gelangt. „So hat man früher eben gebaut“, sagt Klaus Hagen schulterzuckend.
Auch interessant
Beim Verlassen der U-Bahn-Station bietet sich ein weiterer wohlbekannter Anblick: Der Mülleimer quillt über, auf dem Boden liegt Abfall, auch der Grünstreifen ist vermüllt. Ein paar Schritte weiter stehen die Überreste der ehemaligen Tankstelle, seit Jahren tut sich hier nichts; die Fassadenfarbe des angrenzenden Wohnhauses ist zwar irgendwann aufgefrischt worden, beim Näherkommen entpuppt sich das Gebäude aber als Schrotthaus: Einige Fenster und die Tür sind mit Sperrholz verschlossen, andere stehen weit offen.
Auch interessant
Auf der anderen Straßenseite liegt ebenfalls eine Brache, weiter hinten sind Bauarbeiten im Gange. Kurz hinter der Einmündung in den Palmbuschweg stoppen Kutzner und Hagen am Areal des ehemaligen Milchhofs Kutel, dessen Hauptgebäude vorne an der Straße leer steht. Das gilt auch für die Hallen. „Hier ist ständig was los“, sagt Kutzner, und meint es nicht positiv: „Leute gehen von hinten ins Haus rein, aus den Hallen hört man ebenfalls Geräusche.“ Zudem werde regelmäßig Müll abgeladen. Auch jetzt liegen Müllhaufen vor dem Haus und auf der anderen Seite des Tors. Immer wieder muss die Feuerwehr anrücken, zuletzt vor wenigen Wochen, als auf dem Gelände Sperrmüll brannte. Vor gut drei Jahren hatte ein Investor große Pläne für das Gelände – Gewerbe, Büros, ein Hotel und Wohnungen sollten entstehen.
- Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!
Doch im Verlauf des Bebauungsplanverfahrens „Palmbuschweg/Milchhof“ kamen Bedenken bezüglich des zu erwartenden Verkehrsaufkommens und der damit verbundenen Emissionen auf. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) führte Messungen zur Luftschadstoffuntersuchung im Bereich der Kreuzung Altenessener Straße/Palmbuschweg durch, deren Ergebnisse im Frühsommer vorlagen. Die Stadtverwaltung werde nun „Spielräume für weitere Projektentwicklungen in Altenessen unter der Geltung der gültigen Grenzwerte“ ausloten, kündigte Stadtsprecher Burkhard Leise Mitte Juni an. Konkrete Zeiträume könne man allerdings nicht nennen. Daran hat sich bis dato nichts geändert.
Einzelne Gewalttaten im Essener Norden erregen große Aufmerksamkeit
So bleibt der „große Schandfleck“, wie Klaus Hagen ihn nennt, wohl erst einmal bestehen, neben anderen kleinen und großen Schandflecken. Es ist die Summe all dieser Orte – der kaputten Häuser, der vermüllten Brachen, der unbeleuchteten Ecken und Durchgänge –, die eine starke Wirkung auf das Sicherheitsempfinden der Menschen haben. Da sind sich Klaus Hagen und Uwe Kutzner einig. Hinzu kämen einzelne markanten Vorfälle, die aufhorchen lassen: zum Beispiel die Massenschlägerei auf dem Fußballplatz in Altenessen im Mai, die Angriffe und Brandstiftungen des „Machetenmanns“ in Altenessen, Stoppenberg und Katernberg im September, eine Auto-Attacke auf einen Fußgänger im November. „Es gibt immer wieder Situationen, wo der ganze Stadtteil aufschreckt“, sagt Klaus Hagen.
Auch interessant
Zahlenmäßig würden sich Straftaten in Altenessen keinesfalls häufen, das hätten sowohl die Leiterin der Polizeiinspektion Nord, Carina Fischer, als auch Polizeipräsident Andreas Stüve erst vor Kurzem betont, berichtet Klaus Hagen. Auch bei der Veranstaltung der CDU zum Thema Sicherheit hätten die Gäste zwar Orte benannt, an denen sie sich im Dunklen unwohl fühlen oder die sie wegen Junkies oder anderen Gruppen meiden würden, doch tatsächliche Gewalt- oder Bedrohungserlebnisse seien nicht geschildert worden, so Kutzner. „Außer einem ‚mulmigen Gefühl‘ ist da meist nichts. Man sieht etwas, fühlt sich unwohl und denkt: ‚Wenn doch jetzt die Polizei hier wäre‘“. Die aber könne nicht überall gleichzeitig sein. Dennoch stimme es ihn optimistisch, dass 2024 insgesamt 25 zusätzliche Polizeikräfte bereitgestellt worden seien, die auf Zuruf als mobile Einsatztruppen die einzelnen Wachen verstärken könnten.
Der Palmbuschweg sei früher mal eine „Traumstraße“ gewesen, schaltet sich eine Passantin, 82 Jahre alt, schließlich ins Gespräch ein. Sie sei hier aufgewachsen, während des Studiums dann weggezogen. „Bei meiner Rückkehr dachte ich: Mich trifft der Schlag! Wie das hier mittlerweile aussieht!“ Aber dass man sich deshalb unsicher fühlen müsse, „ist Blödsinn!“ Man könne immer noch freundlich mit den Leuten sprechen, und das tue sie auch, wenn sie etwas störe oder ihr etwas auffalle. „Es gibt ängstliche Leute, dazu gehöre ich nicht.“
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]