Essen-Karnap. Die Emschergenossenschaft hat in Essen-Karnap eine Brücke für Fußgänger und Radfahrer gebaut. Die Freigabe lässt seit Monaten auf sich warten.

In Essen-Karnap führt seit einigen Monaten eine neue Brücke für Fußgänger und Radfahrer über die Emscher: Sie verbindet das Wohngebiet mit dem Radweg auf der Emscherinsel. Doch obwohl es fertig aussieht, wird das leuchtend blau gestaltete Bauwerk der Emschergenossenschaft noch eine Weile gesperrt bleiben. Woran liegt das?

Die Brücke entsteht quasi als Nebenprodukt eines anderen Projektes der Emschergenossenschaft. So erklärt es deren Sprecher Ilias Abawi: „Die Menschen, die sich auf die Brücke freuen, sehen nur die Brücke an sich.“ Eigentlich aber stecke dahinter etwas ganz anderes: Von 2019 bis 2021 wurde in dem Bereich eine sogenannte „Regenwasserbehandlungsanlage“ gebaut. Diese soll im Wesentlichen zwei Aufgaben erfüllen: Die Kläranlage auf der Stadtgrenze Essen/Bottrop und die Abwasserkanäle bei Starkregenereignissen entlasten und zudem verhindern, dass verdrecktes Regenwasser in die Emscher gelangt.

Besagte Brücke sei daher zunächst als reine Rohrbrücke und innerbetrieblicher Weg geplant worden, so Abawi, dann aber habe man sich dazu entschieden, sie auch für Radfahrer und Fußgänger nutzbar zu machen, um „die Nahmobilität zu verbessern“ und mit Blick auf das langfristige Ziel, „die Erlebbarkeit der Emscher zu fördern“.

Neue Emscher-Brücke muss noch rutschfest beschichtet werden

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Das eigentliche Projekt, die unterirdische „Regenwasserbehandlungsanlage“, habe aber immer Priorität gehabt. Daher sei zunächst diese fertiggestellt worden. Parallel lief bis Ende 2021 das Gesamtprojekt „Abwasserfreiheit Emscher“.

Rund 14 Millionen Euro hat die Emschergenossenschaft in die neue Anlage in Karnap investiert: „Das ist für einen solchen Bau üblich und im Rahmen“, sagt Abawi. „Die Krux beim Emscherumbau: Was viel Geld kostet, sieht man hinterher nicht.“

Die Brücke aber, mit deren Bau 2021 begonnen wurde, ist schon lange zu sehen. Deshalb fragten Anwohner, Spaziergänger und Radfahrer irgendwann: „Warum geht es da nicht voran?“ Zwischenzeitlich hatte die Emschergenossenschaft auf Anfrage des Betreibers der Facebook-Seite „Karnap im Wandel“, Denis Gollan, angekündigt, die Brücke „zwischen April und Juli 2024“ freizugeben. Doch das Datum verstrich.

Ein „offizielles Fertigstellungsdatum“ der Brücke habe man aus den genannten Gründen nie festgelegt, sagt Ilias Abawi. Das auf Anfrage mitgeteilte Datum habe sich zunächst verschoben, weil die Stromversorgung der Anlage noch nicht fertiggestellt gewesen sei. Das sei mittlerweile geschehen und auch die Brücke sei im Großen und Ganzen fertig. Weshalb also ist sie weiterhin abgesperrt?

So funktioniert die „Regenwasserbehandlungsanlage“

Eine Kläranlage nimmt nicht nur Schmutzwasser aus den unterirdischen Kanälen auf, sondern auch Regenwasser, weshalb man von einer „Mischwasserkanalisation“ spricht. Zu viel Regenwasser allerdings vermindere die Wirkung der Kläranlage, erklärt Ilias Abawi. Diese funktioniere, einfach formuliert, umso besser, je schmutziger das Wasser sei. Die starke Verdünnung des Schmutzwassers mit Regenwasser sei daher unerwünscht.

Daher versucht man vor dem Zulauf in die Kläranlage, sauberes Regenwasser von Schmutzwasser zu trennen. Der Abwasserkanal mündet also in einen riesigen unterirdischen Raum, der 2,6 Millionen Liter Wasser fasst, und verjüngt sich dort. Dadurch wird der Wasserstrom abgebremst. Sedimente setzen sich nach unten ab, oben verbleibt das saubere Wasser. Auf einer bestimmten Höhe befindet sich eine Öffnung: die sogenannte Entlastungsschwelle. Sind die aufgenommenen Regenwassermengen so groß, dass der Wasserstand bis dahin ansteigt, sei das dort abfließende Wasser 20-fach verdünnt und nicht mehr klärpflichtig, so Abawi. Das lasse sich genau berechnen. Das Regenwasser wird über diese Schwelle in die Emscher abgeleitet; das dreckige Wasser fließt durch eine kleinere Öffnung am Boden des Raums in den Abwasserkanal bis zur Kläranlage in Bottrop, wird dort gereinigt und anschließend ebenfalls in die Emscher geleitet.

Ihr fehle die rutschfeste Beschichtung, die wegen der abschüssigen Rampen notwendig sei, sagt Abawi. Zur Erklärung: Die Spannbreite der Brücke beträgt 67 Meter, die gesamte Breite zirka 3,70 Meter. Die Südrampe auf der Emscher-Insel ist 33 Meter lang, die Nordrampe auf der Karnaper Seite ist knapp 36 Meter lang. So könne die Brücke zwar gut an vorhandene Zuwegungen angeschlossen werden, sagt Abawi, doch es entstehe auch eine Neigung der Rampen von sechs Prozent.

Das Überqueren der unfertigen Brücke ist laut Emschergenossenschaft illegal

Um dieses Gefälle zu vermeiden, „hätte man eine 200-Meter-Brücke bauen müssen“: Dadurch wäre das Bauwerk deutlich schwerer geworden. Das wiederum hätte eine andere Gründung erfordert, was nicht infrage kam: Schließlich geht es hier um den Bereich eines Deiches, wo die Hochwassersicherheit oberste Priorität habe. „Man darf nicht vergessen: Diese Brücke ist nur ein Add-on, ein Mehrwert.“ Kostenpunkt: rund 3,6 Millionen Euro. „Das klingt vielleicht viel, aber die Konstruktion ist auch eine andere als bei einer normalen Rad- und Fußgängerbrücke.“

Die noch fehlende Beschichtung hätte nach dem Willen der Emschergenossenschaft übrigens längst durch einen Dienstleister aufgetragen werden sollen, doch dafür brauche es über mehrere Tage trockenes Wetter bei einer Temperatur von mindestens 10 Grad, erklärt Ilias Abawi. Als das zuletzt der Fall gewesen sei, habe der Dienstleister keine freien Kapazitäten gehabt. Auch die sogenannte „verkehrsrechtliche Freigabe“ durch Bezirksregierung und Stadt steht noch aus. „Das Überqueren ist also aktuell noch illegal“, sagt Abawi. Das müsse wissen, wer Zäune beiseite schiebt und die vermeintlich fertige Brücke betritt. „Wir hoffen aber, dass es mit einer Fertigstellung im April oder Mai 2025 klappt.“

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