Essen. Die Stadt hat jetzt einen „Nightlife-Koordinator“. Stefan Schindler-Schulze soll mehr sein als ein Nachtwächter. Hier erklärt er seinen Job.

Stefan Schindler-Schulze (45) ist Essens erster „Nightlife-Koordinator“. Der Beschäftige der Stadtverwaltung soll vermitteln zwischen Discos und Kneipen, Anwohnern und Behörden. Warum es um viel mehr als um Ruhestörung geht.

Hallo Herr Schindler-Schulze, warum braucht Essen jetzt einen „Nightlife-Koordinatoren“ wie Sie?

Die Idee zur Einrichtung einer solchen Stelle entstand schon im Sommer 2021, als es im Rüttenscheider Christinenpark wiederholt Ärger gab wegen nächtlicher Party-Gelage in der Corona-Zeit.

Also soll ein „Nightlife-Koordinator“ für Ruhe und Ordnung sorgen?

Nein. Ich verstehe mich als Vermittler zwischen Clubs, Gastronomiebetrieben, Behörden, Anwohnern und Gästen. Ziel ist es, die Nachtkultur in Essen nachhaltig zu fördern, beispielsweise durch Unterstützung bei rechtlichen oder organisatorischen Fragen und durch das Schaffen besserer Rahmenbedingungen für kreative Betriebe.

Was hätten Sie als „Nightlife-Koordinator“ am Christinenpark denn damals schon bewirken können?

Wir können nicht alles und jeden mit Verboten belegen. Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn irgendwann gar nichts mehr stattfindet. Wenn man feiernde Jugendliche aus einem Park verdrängt, dann ziehen sie halt zum nächsten und machen dort weiter. Stattdessen sollten wir darüber nachdenken, wie wir geeignete Räume und Angebote schaffen können – Orte, an denen sie feiern und sich treffen können, ohne dass es zu Konflikten mit Anwohnern oder anderen Nutzergruppen kommt. Solche Räume könnten im öffentlichen Raum liegen oder durch Kooperationen mit der Stadt und privaten Akteuren entstehen. Wichtig ist, den Dialog mit den Jugendlichen zu suchen und sie aktiv in die Gestaltung solcher Angebote einzubinden.

Das heißt, Rüttenscheid ist einer Ihrer Tätigkeitsschwerpunkte, oder?

Nein. Die Situation am Christinenpark war ein Auslöser und hat dazu geführt, das Thema nicht nur auf eine Feierszene im öffentlichen zu beschränken, sondern einen genaueren Blick auf das Thema „Nachtkultur“ und dem Umgang mit Konflikten und Stärkung der Nachtkulturszene zu werfen. Gerade bei dem Thema „Nachtkultur“ rückt dann natürlich auch eine Innenstadt in den Fokus, auf die sich mein Aufgabenfeld nun konzentriert.

Also ist die Innenstadt Ihr Revier?

Genau. Wir sehen gerade für die Innenstadt Potentiale zur Stärkung der Nachtkultur und der dortigen Kultur- und Kreativwirtschaft, die natürlich auch mit Themen wie Sicherheit, Mobilität und Lärmschutz einhergehen. Ich möchte Lösungen entwickeln, die die Attraktivität der Innenstadt erhöhen und die zur wirtschaftliche Entwicklung der Innenstadt beitragen. Es gibt aber auch Tätigkeitfelder, die für eine stadtweite Vernetzung zum Beispiel von Clubs oder Eventgastronomie spricht, zum Beispiel zum Austausch von Fördermöglichkeiten oder Konzepten zur Besuchergewinnung.

Immer wieder gibt es Razzien in Essener Discos: Hier eine Szene aus dem „Essence“ vom Mai 2024. 


Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services
Immer wieder gibt es Razzien in Essener Discos: Hier eine Szene aus dem „Essence“ vom Mai 2024. Foto: Andreas Buck / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Die Innenstadt gilt für Viele vor allem abends als Angst-Raum...

Die Innenstadt in Essen steht wie in vielen anderen Städten vor großen Herausforderungen. Leerstände, abnehmende Attraktivität, verändertes Nutzungsverhalten. Es braucht neue Ansätze und Bündnisse, um auch in den Abend- und Nachtstunden eine lebendige und sichere Innenstadt zu gestalten.

Die Innenstadt ist das Revier des neuen „Nightlife-Koordinators“.
Die Innenstadt ist das Revier des neuen „Nightlife-Koordinators“. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Welche könnten das sein?

Das können zum Beispiel kreative Zwischennutzungen, neuartige Gastronomiekonzepte und offene Räume zur Belebung der City sein. Sicherheit kann beispielsweise durch bessere, smarte Beleuchtung und saubere öffentliche Räume gestärkt werden. Gleichzeitig sind ein attraktiver Nachtbus-Verkehr und sichere Wege entscheidend. Aber auch Sicherheit und Awareness in den Betrieben spielen bei jungen Menschen eine große Rolle. Eine enge Zusammenarbeit mit Akteuren der Nachtkultur sind für eine Vision wichtig, die Wohnen, Arbeiten und Freizeit in der Innenstadt vereint.

Was meinen Sie mit „Awareness“?

Umfragen zeigen, dass das Thema „Sicherheit und Wohlbefinden“ in den Clubs und Gastronomien gerade bei einer jungen Zielgruppen eine große Rolle spielen. Awareness in Clubs bezieht sich auf das Bewusstsein und die Sensibilisierung für ein respektvolles und sicheres Miteinander im Nachtleben. Dabei geht es darum, Diskriminierung, Belästigung und Gewalt vorzubeugen und allen Gästen sowie Mitarbeitenden ein positives Umfeld zu bieten. Dies ist wichtig, um eine inklusive Atmosphäre zu schaffen, in der sich Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sexueller Orientierung wohlfühlen können. Mögliche Maßnahmen umfassen die Schulung des Personals im Umgang mit kritischen Situationen, die Bereitstellung eines Awareness-Teams vor Ort, sichtbare Informationen zu Verhaltensregeln und Anlaufstellen sowie klare Kommunikationskanäle für Betroffene, um Vorfälle anonym und unkompliziert zu melden.

Letzte Frage: Was stimmt Sie optimistisch?

Ich habe mich vorher acht Jahre für das Kulturamt der Stadt Essen unter anderem im „Team Kurti“ bewegt, habe mitgeholfen, die nördliche Innenstadt zu entwickeln. Es ist die zentrale Anlaufstelle für Künstlerinnen, Künstler, Kreative, die wirtschaftlich tätig sind oder es werden möchten. Das Team unterstützt Studierende, Gründende und Selbstständige. Da gibt es ein Netzwerk von mehr als 20 Partnern. Diese Erfahrung zeigt mir, dass es durchaus möglich ist, dass verschiedene Akteure an einem Strang ziehen, um kreative Lösungen zu ermöglichen. Ergänzt wird dies durch eine starke Kultur- und Kreativszene sowie engagierte Bürgerinnen und Bürgern, die mit langem Atem die Weiterentwicklung der Innenstadt vorantreiben.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]