Essen. Seit 70 Jahren hat der Name Allwermann in Essen einen guten Klang. Einige Promis gingen dort ein und aus. Jetzt wechselt der Betreiber.

Schlicht „Allwermann“ steht an der Fassade am I. Hagen, und schon das zeigt, dass hier nicht ein x-beliebiger Friseur am Werk ist. Längst liebt die Branche mehr oder weniger gelungene Spaß-Namen wie „Schnittpunkt“ oder „Komm-Hair“, doch das Spiel mit den Anspielungen war 1954 noch nicht üblich. In jenem Jahr gründete Walter Allwermann im Heroldhaus in der Essener Innenstadt ein Friseur-Geschäft, das in Essen schnell einen sehr guten Namen hatte. Sohn Bernd setzte die Tradition dann über Jahrzehnte fort, doch am 1. Februar ist nun Schluss: Das Geschäft wird in jüngere Hände übergeben, die Ära Allwermann geht nach rund 70 Jahren zu Ende.

Bischöfe und Sportler gehören bei Allwermann in Essen zu Stammkunden

Gute Friseure wissen manchmal mehr über ihre Kunden als der Hausarzt oder die beste Freundin und sollten mindestens genauso verschwiegen sein. Auch Bernd Allwermann pflegt diese Tugend. Wer ihn fragt, wer denn hier an Essener Prominenz über die Jahrzehnte so ein- und ausging, muss sich mit diskreten Antworten ohne Namen begnügen: Ja, die meisten Bischöfe gehör(t)en zu den Stammkunden, etliche der früher vielen Essener Konzernlenker nebst Gattinnen ebenfalls, und auch Profi-Sportler kamen gern, um sich von Walter und später Bernd Allwermann die Haare machen zu lassen. Das vielleicht etwas abgenutzt klingende Etikett „Promi-Friseur“ hat da durchaus seine Berechtigung.

Ein Bild aus den späten 1960er Jahren: Firmengründer Walter Allwermann schneidet RWE-Legende Willi Lippens in der Diskothek „San Francisco“ die Haare.
Ein Bild aus den späten 1960er Jahren: Firmengründer Walter Allwermann schneidet RWE-Legende Willi Lippens in der Diskothek „San Francisco“ die Haare. © FUNKE Foto Services | Repro: Socrates Tassos

Wer „zum Allwermann“ ging, ließ damit durchblicken, dass ihm ein beliebiger „Salon Erika“ zu gewöhnlich und ein „Dirty Hairy“ - oder wie die Neumodischen auch immer hießen - nicht ganz geheuer war. Bernd Allwermann lässt anklingen, dass er gegen eine dritte Allwermann-Generation nichts einzuwenden gehabt hätte. Aber wie es oft so ist im Handwerk: Der eigene Nachwuchs geht berufliche Wege, die nicht in die Branche des Vaters führten. „70 Jahre sind aber auch eine gute Zeit, um ein Geschäft weiterzugeben“, sagt der 63-Jährige, der inklusive Lehrzeit seit sage und schreibe 48 Jahren im Dienst steht, davon immerhin 40 Jahre als Chef in der Nachfolge seines Vaters.

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Dienst am Haarschopf als Berufung: „Ich bin mit Herzblut Friseur“

Und „steht“ ist bei Friseuren bekanntlich wörtlich zu sehen: Der Beruf am sitzenden Kunden ist auch körperlich fordernd - einer der Gründe, weshalb Bernd Allwermann nun deutlich kürzer treten will. Ganz aufzuhören allerdings kommt für ihn noch nicht in Frage: „Ich bin mit Herzblut Friseur, habe es nie bereut, diesen Beruf gewählt zu haben.“ Was gebe es Schöneres, als so viele Menschen glücklich zu machen, sie hübscher, gepflegter, selbstbewusster gehen zu sehen als sie gekommen sind? Und in aller Bescheidenheit: „Dass ich mal völlig daneben gelegen, eine echte Katastrophe geschnitten oder gefärbt hätte - das hat es nicht gegeben, in all den Jahren nicht.“

Bald Geschichte: Die alte Schriftzug an der Außenfassade am Heroldhaus.
Bald Geschichte: Die alte Schriftzug an der Außenfassade am Heroldhaus. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Seine Zukunftspläne sehen so aus: „Ich miete mir in meinem eigenen Geschäft einen Stuhl und bin dann freier Mitarbeiter.“ Die Stammkunden, die manchmal seit 40 und mehr Jahren nur ihn an die Haare lassen, könnten also erst mal beruhigt sein. „Man baut da eine persönliche Beziehung auf, sie kennen mich sehr gut und ich sie.“ Dennoch ist der Schritt für Bernd Allwermann gewaltig: „Ich gehe von 70 Wochenstunden Arbeit auf vielleicht die Hälfte“, sagt er und wirkt erleichtert.

Spielt bei der Übergabe auch eine Rolle, dass die Essener Innenstadt nicht mehr dieselbe ist, die sie in den guten Jahrzehnten war, als Allwermann ein großer Name wurde? Bernd Allwermann will den schwierig gewordenen Standort nicht grundsätzlich schlechtreden. Gerade im Heroldhaus im I. Hagen sei die Welt, was den benachbarten Einzelhandel betrifft, sogar noch ganz in Ordnung, obwohl es auch hier Schließungen gab. Juwelier Roberto und das Einrichtungsfachgeschäft Kösters halten aber beispielsweise die Stellung, der Kennedyplatz mit seiner lebhaften Gastronomie ist in unmittelbarer Nähe.

Die Probleme der Essener Innenstadt gehen auch an Allwermann nicht vorbei

Andererseits stimme es natürlich: „Wir haben heute ein ganz anderes Publikum als früher in der Innenstadt“, sagt er leise bedauernd. Und wie in allen übriggebliebenen inhabergeführten Geschäften fällt auch bei Allwermann öfter der Kunden-Satz: „Ich komme nur noch wegen Ihnen in die Stadt und bin dann schnell wieder weg.“

Immerhin: In den Geschäftsräumen von Allwermann geht der Dienst am Haarschopf mit der bestehenden Belegschaft weiter, wenn auch mit neuem Inhaber: Andy Kina, 27 Jahre ist er alt und, wie Allwermann betont, „voller Elan“. Der schlichte Schriftzug an der Heroldhaus-Fassade, schön geschwungen im Stil der 1950er Jahre, ist dann bald Geschichte. „Hair Dream“ nennt der neue Chef seinen Laden.

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