Essen-Kupferdreh. Ein unter Denkmalschutz gestellter Einmannbunker erinnert an ein dunkles Kapitel in der Geschichte von Essen-Kupferdreh. Wo er sich befindet.
Rainer Busch stutzt und muss sich selbst erst einmal orientieren. Dort ist das Zeichen für den Deilbachsteig: drei rote Punkte über blauem Band. Und da beginnt ein Trampelpfad, der sich parallel zur Nierenhofer Straße den Hang entlang schlängelt. Etwas weiter hinter stoße man auf eine Geologische Wand, so der Kupferdreher Ortshistoriker.
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Doch heute führt ihn sein Weg zu einem Relikt aus dunkelsten Kapiteln Kupferdreher Geschichte, aus Kriegszeiten. Hier, ein wenig versteckt im Wald, findet sich eine der sogenannten „Splitterschutzzellen“. Das waren Einmannbunker aus Beton, die in Form einem Zuckerhut ähnelten und im Zweiten Weltkrieg Schutz bieten sollten vor Splittern durch Bombenexplosionen oder Beschuss mit leichten Feuerwaffen. Sie waren nicht darauf ausgelegt, einen Volltreffer zu überstehen.
Ein Beobachtungsstand mit Blick auf den Eisenhammer
Der Mantel des in den Hang eingegrabenen Kleinbunkers besteht aus miteinander verschraubten Fertigbetonteilen. Vor dem Eingang dient eine dicke Bruchsteinmauer als Splitterschutz. Es fehlen Sehschlitze sowie eine Türvorrichtung.
Die Lage ist gut gewählt. Sie offenbart einen hervorragenden Blick auf den Eisenhammer, was nahelegt, dass es sich hier vorrangig um einen Beobachtungsstand gehandelt hat. Rainer Busch ist überzeugt: „Das Bauwerk wird als Luftschutzraum für den Leiter des Kriegsgefangenenlagers gedient haben, welches sich während des Zweiten Weltkrieges auf dem Gelände des heutigen Sportplatzes befand.“
„Das Bauwerk wird als Luftschutzraum für den Leiter des Kriegsgefangenenlagers gedient haben, welches sich während des Zweiten Weltkrieges auf dem Gelände des heutigen Sportplatzes befand.“
Busch berichtet, dass es in der heutigen „Kulturlandschaft Deilbachtal“ etliche Arbeitslager gegeben habe, wie Unterlagen bestätigen. Auch der Besuch zweier Russinnen vor geraumer Zeit brachte einiges zutage. Sie berichteten Busch, dass sie in Kupferdreh einkaserniert waren und für die Deutschen schuften mussten. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter mussten nicht nur unter schlimmen Umständen leben, auf etwaigen Schutz vor Luftangriffen wurde für sie zynischerweise verzichtet.
Historische Zusammenhänge zum benachbarten Kriegsgefangenenlager
Die Untere Denkmalbehörde der Stadt Essen stellte fest: „Die Splitterschutzzelle ist durch ihre spezifische Lage und Anordnung in der Landschaft besonders geeignet, historische Zusammenhänge zum benachbarten Kriegsgefangenenlager in der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu erforschen, sowie als Erinnerungsort zu dienen.“ Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland schloss sich dieser fachlichen Auffassung an.
„Um das Objekt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen“, erfolgte im September 2024 die vorläufige Unterschutzstellung. Der Eigentümer des Grundstücks hatte im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Anhörungsverfahrens Einwände erhoben. Auch wurde Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erhoben. Diese hat aber keine aufschiebende Wirkung. Das Objekt ist somit in die Denkmalliste der Stadt Essen einzutragen.
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Das gehört zur Erinnerungskultur eines demokratischen Landes
Denn eines ist Konsens im Denkmalschutz: Es sei besser für die Erinnerungskultur eines demokratischen Landes, sich der Gräueltaten des NS-Staates weiterhin bewusst zu sein und seine Relikte nicht komplett aus der Umgebung zu entfernen. Wie das gewaltig schieflaufen kann, belegt das Schicksal zweier Zellen in der Nachbarschaft. Die eine stark beschädigt, die andere vollkommen verschwunden.
Lager für Zwangsarbeiter in Kupferdreh
Es gab nicht nur das Kriegsgefangenenlager am Eisenhammer. Sogenannte „Zivilarbeiterlager“ für Zwangsarbeiter, die keine Kriegsgefangenen oder KZ-Häftlinge waren, gab es zum Beispiel hier: Bergische Elektrizitäts-Versorgungs GmbH, Gewerkschaft Christine, Maschinenfabrik W. Obertacke, Maschinenfabrik Scheffel und Narjes & Bender, Schüler & Verhoven.
Auch diese Betriebe hatten „Zivilarbeitslager“: Seidenweberei Gebr. Colsman, Vereinigte Steinwerke sowie bei den Zechen Adler, Heinrich und Prinz Friedrich. Ein Zwangsarbeitslager der Organisation Todt gab es am Hinsbecker Berg.
Rainer Busch führt zu einem Einmannbunker, der auf dem Gelände des Kupferhammers steht: „Es wäre denkbar, dass es bei drohender Gefahr als Unterschlupf diente für den Wachmann, der für die Bewachung des Geländes zuständig war.“ Diese Splitterschutzzelle ähnelt ihrem Pendant an der Nierenhofer Straße. Allerdings wurden Luken hinein gefräst und die Tür aus ihrer Verankerung gerissen.
Eine dritte Zelle ist zum Leidwesen des Historikers verschollen
Eine dritte Zelle ist verschollen. Nur zufällig war sie dem Historiker vor mehr als 20 Jahren bei Bauarbeiten an der Kupferdreher Straße ins Auge gefallen: „Es war ein Einmannbunker aus Beton, der aus unbekannten Gründen nach dem Zweiten Weltkrieg vollständig im Erdboden vergraben wurde und deshalb in Vergessenheit geriet.“
Diese Splitterschutzzelle habe wohl ursprünglich vor dem heutigen Mineralienmuseum gestanden, so Busch: „Bis zur Machtergreifung 1933 befand sich hier die Hinsbeckschule.“ Danach sei das Gebäude von den Nationalsozialisten als „Haus der NSDAP“ genutzt worden: „Da waren die Kupferdreher Parteizentrale, aber auch der Sitz der Hitlerjugend und allerhand Sozialstellen. Der Bunker war wohl für den Ortsgruppenleiter der NSDAP gedacht.“
Rainer Busch ärgert sich ein wenig: „Leider habe ich nur das eine Foto gemacht. Ich hatte natürlich angenommen, dass die Stadtarchäologie informiert wurde. Dem war aber nicht so, und das Objekt verschwand spurlos.“
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