Essen-Rellinghausen. Ein besonderer Gottesdienst in Rellinghausen bietet Raum für Erinnerung und Austausch für Eltern, die ein Kind verloren haben.

Ein besonderer ökumenischer Gottesdienst findet am kommenden Sonntag, 8. Dezember, um 19.30 Uhr in der Kirche an der Oberstraße 65 in Rellinghausen statt: ein Gedenkgottesdienst für verwaiste Eltern. Er bietet Müttern, Vätern, Großeltern und Angehörigen, die ein Kind verloren haben, einen Raum für Erinnerung, Austausch und Trost.

Initiiert wurde der Gottesdienst im Rahmen des weltweiten Gedenktags für verstorbene Kinder, der jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember begangen wird. „Wenn man ein Kind verliert, dann hat man das Gefühl, es könne keinen Gott geben. Er hat mir ja mein Kind genommen.“ Gisela Fischer weiß genau, wovon sie spricht. 22 Jahre ist es mittlerweile her, dass ihr Sohn nicht mehr bei ihr ist: Mit 17 Jahren war er an Knochenkrebs erkrankt, er starb mit 19.

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In der Selbsthilfegruppe der evangelischen Kirchengemeinde Essen-Rellinghausen fand Fischer seinerzeit Trost. Und mit ihr nahm etwas später eine besondere Idee Gestalt an: Gemeinsam mit dem damaligen Rellinghauser Pfarrer Andreas Volke organisierte sie in jenem Jahr zum ersten Mal den Gedenkgottesdienst für verwaiste Eltern. Heute arbeitet sie im Gemeindebüro und gehört weiterhin zu dem Team, das sich mit Pfarrer Markus Söffge um diesen Gottesdienst kümmert.

Gottesdienst für Essener unabhängig von Religion und Konfession

„Die Leute sind zwar in einem Gottesdienst,“ beschreibt Fischer die besondere Art der Veranstaltung, „aber sie sollen sich nicht überrannt fühlen“. Man wolle auch nicht missionieren, betont Pfarrer Söffge: „Die Menschen, die kommen, sind ganz unterschiedlich. Wir schauen nicht auf Religion oder Konfession. Wir hatten auch schon muslimische Gäste, die mit uns der Kinder gedacht haben.“

In der evangelischen Kirche in Essen-Rellinghausen findet alljährlich dieser Gottesdienst statt.
In der evangelischen Kirche in Essen-Rellinghausen findet alljährlich dieser Gottesdienst statt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Im Mittelpunkt soll in diesem Jahr ein Tisch stehen. Symbolisch steht er für ein gemeinsames Mahl, auf ihm finden sich Teller mit Brot und Trauben, Getränke und natürlich Kerzen. Der Tisch steht für die verstorbenen Kinder, deren Platz in den Herzen ihrer Eltern bleibt. „Wir werden uns während des Gottesdienstes um diesen Tisch versammeln. Das ist ein Ort der Erinnerung und des Zusammenseins“, erläutert Söffge. Der gedeckte Tisch soll dabei auch die universelle Frage berühren, wo die Verstorbenen ihren Platz haben – sei es im Himmel, bei Gott oder in den Herzen der Hinterbliebenen.

„Trauernden ist es ganz wichtig, eine Kerze anzuzünden.“

Es ist eine andere Art von Gottesdienst, als man sie gewohnt ist: mobil, bewusst interaktiv gestaltet, um den Teilnehmenden eine Möglichkeit zu geben, aktiv zu trauern und ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen. „Die Möglichkeit, sich einzubringen, sei es durch das Entzünden von Kerzen, das Aufhängen von Namenssternen am Tannenbaum oder einfach durch die Teilnahme, gibt den Trauernden einen Ort, an dem sie sich verstanden fühlen“, so Fischer. Wiederkehrende Rituale schaffen dabei eine vertraute Struktur. „In all den Jahren haben wir gemerkt, dass es den Trauernden ganz wichtig war, eine Kerze anzuzünden und einen Stern mit dem Namen des jeweiligen Menschen an den kleinen Tannenbaum zu hängen.“

Ein Tag für verwaiste Eltern

Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember ist der Weltgedenktag für verstorbene Kinder. Beim „Worldwide Candle Lighting“ sind Menschen rund um den Globus eingeladen, zur Erinnerung an diese Kinder um 19 Uhr eine Kerze ins Fenster zu stellen. Das Licht soll als Zeichen der Verbundenheit aller weltweit Betroffenen durch die Zeitzonen und damit um den Globus wandern.

Der Gottesdienst, den die evangelische Kirche Rellinghausen gemeinsam mit dem Ronald McDonald Haus organisiert, findet am Sonntag, 8. Dezember, um 19.30 Uhr in der Kirche an der Oberstraße 65 statt: www.kirche-rellinghausen.de.

Gisela Fischer leitet im Gemeindehaus an der Bodelschwinghstraße eine Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern. Dort sind auch Eltern dabei, deren Kinder im Erwachsenenalter gestorben sind. Anmeldung: 0201 8407734.

Eltern verstorbener Kinder und die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V. laden ebenfalls am Sonntag, 8. Dezember, um 16 Uhr in die Melanchthonkirche in Essen-Holsterhausen zur Gedenkfeier ein. Unter dem Motto „Wir lieben dich für immer“ wird in feierlichem Rahmen allen verstorbenen Kindern und Jugendlichen gedacht.

Viele Eltern hätten das Gefühl, in ihrem Alltag nicht über ihren Verlust sprechen zu können. „Oft fehlt im sozialen Umfeld das Verständnis“, erklärt Söffge, und Fischer ergänzt: „Manchmal sagen Menschen: Jetzt komm doch mal darüber weg nach all den Jahren und geh‘ nicht auch noch zu so einem Gottesdienst. Es ist schwierig für Außenstehende zu erklären, warum man immer noch trauert.“

Gottesdienst in Essen-Rellinghausen will „geschützten Raum“ bieten

Der Gottesdienst bietet hier eine Art „geschützten Raum“, in dem Trauer offen gelebt werden kann. Ein Raum, in dem es keine strengen Verhaltensregeln gibt. Söffge: „Wenn man so an Konventionen denkt, dann fragen sich manche Leute in einem Gottesdienst: Wie verhalte ich mich? Muss ich jetzt aufstehen? Kann ich nicht auch sitzenbleiben?“ Hier sei das anders. Die Teilnehmenden können individuell entscheiden, ob sie aktiv mitmachen, Gespräche suchen oder einfach nur in Stille dabei sein möchten.

Die Atmosphäre des Gottesdienstes beschreibt Fischer als „würdevoll“. Er sei geprägt von Stille, Achtsamkeit und einem feinsinnigen Umgang miteinander. „Die Atmosphäre ist dicht, aber nicht bedrückend. Es ist kein klassischer Trauergottesdienst, sondern ein Raum der Sensibilität, in dem man sich als Gemeinschaft verbunden fühlt“, fasst Söffge zusammen. Ein paar Elemente, die man aus den Vorjahren bereits kenne, gehörten einfach dazu, so Söffge, „beispielsweise das Gebet und der Segen für die Trauernden“. Auch jemand aus dem Vorbereitungskreis wird einige persönliche Worte sagen und aus dem eigenen Erleben erzählen.

Die Veranstaltung habe sich mittlerweile etabliert und sei gut besucht. Zudem mache das Angebot Schule: Mittlerweile bieten auch andere Gemeinden sowie Krankenhäuser ähnliche Veranstaltungen an. Für viele Teilnehmende ist dieser besondere Gottesdienst Anfang Dezember ein fester Termin im Jahr. Fischer: „Es ist schön zu sehen, wie dieser Gottesdienst Betroffenen hilft und gleichzeitig andere inspiriert, ähnliche Angebote in ihrer Gemeinde zu schaffen.“

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