Essen-Katernberg. Für die neue Quartiersmanagerin stehen junge Menschen im Fokus. Diese könnten für die Zukunft des Welterbes künftig eine Schlüsselrolle spielen.

Jedes Jahr besuchen mehr als eineinhalb Millionen Touristen das Gelände der Essener Zeche Zollverein: Sie besichtigen die Kokerei- und Zechenanlagen, die Ausstellungen der beiden Museen, lassen den Blick vom Panoramadach in 45 Metern Höhe schweifen. Doch dieser Ort, der zuverlässig nationale und internationale Gäste nach Essen lockt, soll auch die Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft begeistern. Er wünsche sich, sagt Prof. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein, dass sie hier voller Stolz sagen: „Das ist mein Welterbe.“ Und dass sie möglichst vielen „ihr Welterbe“ zeigen wollen.

In Bezug auf Marina Mirau ist dieser Wunsch schon wahr geworden, und zwar, noch bevor die 49-Jährige ihren Job auf Zollverein angetreten hat: Seit Mai ist die Diplom-Sozialpädagogin als Quartiersmanagerin angestellt, bringt viel Erfahrung aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit und verbindet mit Zollverein vor allem die Erinnerung an zahlreiche Ausflüge mit jungen Migranten und Migrantinnen. Denen habe sie zwei besondere Orte in ihrer neuen Heimat nahebringen wollen: den Baldeneysee – und Zollverein.

Für die neue Zollverein-Quartiersmanagerin wurde das Ausflugsziel zum Arbeitsplatz

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Dass ihr früheres „Standard-Ausflugsziel“ zum Arbeitsplatz wurde, habe sie sehr gefreut, sagt Mirau. Die Entscheidung, sich nach 25 Jahren in der praktischen Sozialen Arbeit, zuletzt als Leiterin einer Jugendeinrichtung in Schonnebeck, auf eine solche Stelle zu bewerben, habe sich längst schon als richtig erwiesen.

„Ich gestalte gern – und das darf ich hier.“

Zollverein-Quartiersmanagerin Marina Mirau

Ihre „Anpackmentalität“ schätze man hier sehr, sagt Noll. Dass sie nicht „verkopft“ sei, sondern gut vernetzt mit und nah dran an den Menschen im Quartier. Tatsächlich sei die Vorstellungsrunde durch die hiesigen Arbeitskreise und Initiativen zum Teil auch ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern gewesen, erzählt Mirau, nur eben in neuer Funktion.

Neue Quartiersmanagerin Marina Mirau
Marina Mirau will neben den bereits etablierten auch viele neue Projekte und Aktionen für das Quartier entwickeln. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

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Quartiersarbeit als Schnittstelle zwischen dem Welterbe und den Bewohnern der Stadtteile Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg gibt es auf Zollverein seit 2012. Zweck der Arbeit sei es, den „Kontakt, Austausch und die Zusammenarbeit“ zu fördern. Die Quartiersmanagerin soll deshalb in Kooperation mit unterschiedlichen Institutionen, Vereinen und anderen Gruppen Projekte für die Menschen vor Ort entwickeln und umsetzen. Ihr Schwerpunkt liegt dabei in der Kinder- und Jugendarbeit, die man bei Zollverein künftig mit einem „noch partizipativeren Ansatz“ verfolgen will. Das heißt im Klartext: Junge Menschen sollen auf Zollverein noch häufiger mitmachen und gestalten können.

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Als Unesco-Welterbe sei man dazu verpflichtet, den Standort Zollverein „nachhaltig zu gestalten“, erklärt Hans-Peter Noll. Dazu gehöre eben nicht nur die bis 2030 angestrebte Klimaneutralität, sondern auch das Engagement im Hinblick auf Diversität und Inklusion. Den Begriff fasse man sehr weit: „Groß und klein, jung und alt, deutsch und migrantisch, mit und ohne Behinderung.“ Selbstverständlich also spiele die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen eine bedeutende Rolle. Denn: „Die jungen Menschen von heute werden in 20, 30 Jahren darüber entscheiden, ob die Gesellschaft Geld für den Erhalt dieses Welterbes ausgibt.“

Nostalgische Erinnerungen an die Bergbaugeschichte der Region dürften künftigen Generationen als Argument nicht reichen – das ist den Verantwortlichen auf Zollverein klar. Die Fürsprecher von morgen müssen den Ort aus anderen Gründen schätzen. Daran arbeitet Marina Mirau.

Eigene Halle für die Menschen aus der Zollverein-Nachbarschaft

Zu ihrem Start sei sie „mit voller Kraft und Energie“ erst einmal in das von ihrer Vorgängerin bereits fertig vorbereitete Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche „gestolpert“, sagt sie. Danach ging es darum, etablierte Projekte weiterzuführen, aber auch neue Ideen einzubringen: „Ich gestalte gern – und das darf ich hier.“

Die Liste der Angebote ist lang: Kunstkaue, Kinderzirkus, Zechenfest, Wintermarkt, Schulprojekte, Eltern-Kind-Workshops, Familientage, Werksschwimmbad und Eisbahn, oder auch die Parkouranlage, auf der bis zu 40 Trainingseinheiten pro Woche stattfinden. Viele Angebote sind kostenlos – es sei „oberste Priorität“, dass alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen ihrer Eltern, daran teilnehmen können. Unterstützt und finanziert wird die Arbeit von der RAG-Stiftung, einzelne Programmpunkte auch von der „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein“. „Ohne die wäre das alles nicht möglich“. Dieser Satz fällt während des Gesprächs immer wieder.

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Übrigens ist der Quartiersarbeit schon seit einigen Jahren eine eigene Halle gewidmet: Halle 10, eine ehemalige Werkstatt, ist mit dem passenden Mobiliar und einer Küche ausgestattet. Viele der Projekte finden dort statt.

Marina Mirau, selbst gebürtig aus Sibirien, hat sich vorgenommen, verstärkt auch Menschen mit Migrationsgeschichte anzusprechen: Durch ihr privates Engagement habe sie gute Kontakte in die ukrainische Gemeinschaft, doch ihr sei es ein Anliegen, sagt sie, auch Einwanderer anderer Herkunft zu erreichen, beispielsweise libanesische Familien: „Es ist wichtig, diese Menschen einzubeziehen und ich möchte versuchen, ihnen Wege nach Zollverein zu ebnen.“ Das sei vielleicht nicht ganz einfach, aber man müsse eben herausfinden, was sie brauchen, was sie sich wünschen und ihnen ein gutes Angebot machen.

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