Essen. Die 1990er Jahre waren ein Jahrzehnt mit grundstürzenden Änderungen. Das schließt Satire aber nicht aus, wie Gabi Dauerhauer und Co. zeigen.

Die deutsche Wiedervereinigung, das Ende der Sowjetunion, der Regierungsumzug nach Berlin und der Euro-Beschluss – die 1990er Jahre stecken voller weitreichender Ereignisse. Das Theater Courage in Essen-Rüttenscheid feiert das nicht immer glänzende Jahrzehnt mit einer ebenso bunten, wie witzigen Revue. Die Premiere begeisterte.

Sehr viele „Ach ja, so war das damals“-Momente

Kreativ, spritzig, unterhaltsam und mit vielen „Ach ja, so war das damals“-Erinnerungseffekten reißt das zweieinhalbstündige Potpourri das Publikum gleich in den ersten Minuten mit. Vor der großen 90 aus Folienballons vollführen Theaterchefin Gabi Dauenhauer, ihr Sohn Falk Hagen und ihr Partner Peter-Maria Anselstetter ein abwechslungsreiches Spektakel. An der Seite der Profis spielt Olly Neumann, der gekonnt in zahlreiche Promis aus den 90ern schlüpft, sei es als Ken im Ferrari mit Barbie auf dem Beifahrersitz oder als Pop-Sänger Fred im schwarzen Netz-Shirt und hautenger Latexhose. Da singt er „I‘m too sexy“, und die Gäste im Saal stimmen ein.

Gabi Dauenhauer in Titanic-Pose mit Olly Neumann (hinten), Peter-Maria Anselstetter (links) und Falk Hagen als Wildecker Herzbuben.
Gabi Dauenhauer in Titanic-Pose mit Olly Neumann (hinten), Peter-Maria Anselstetter (links) und Falk Hagen als Wildecker Herzbuben. © Theater Courage

Wie in vorherigen Jahrzehnte-Shows des Theater Courage hilft neben Comedy die jeweilige Musik den Erinnerungen auf die Sprünge. Ohrwürmer erfahren eine amüsante Wiederbelebung. Mit der Gletscher-Mumie Ötzi, im Herbst 1991 entdeckt, beginnt die Zeitreise. Dicht gefolgt vom Auftritt zweier nordhessischer „Kugel-Körper“ in Hemd und Weste (toll ausgestopfte Kostüme!), an denen musikalisch keiner vorbeikam. „Herzilein, du musst nicht traurig sein“ lief ab der Veröffentlichung 1990 lange Tag und Nacht im Radio. Applaus fürs Courage-Duo, das das volkstümliche Grauen der Wildecker Herzbuben mit sichtlicher Freude wunderbar karikiert.

Auch der Titanic-Film kriegt im Theater Courage sein Fett weg

Gänsehaut weckt Peter Anselstetters Solo von „Wieder hier“ nach Marius Müller-Westernhagens Song von 1998. An der Goethestraße klingt die Refrain-Zeile „In meinem Revier“ einfach noch schöner. Nie wirklich weg, nur rund 30 Jahre versteckt, hat sich zudem der Eisberg, der die legendäre Titanic sinken ließ. 1997 rührte US-Regisseur James Cameron mit seinem Schiffsdrama die Welt zu Tränen. Die Produktion fuhr elf Oscars ein. Die Bühne taucht in blaues Licht, auf der Bugspitze liegen sich Rose (Gabi Dauenhauer) und Jack (Olly Neumann) in den Armen. Doch statt Kino-Edelkitsch à la Winslet und DiCaprio serviert das Courage eine realistische Interpretation der Schlüsselszene: In den Armen ihres Liebsten fliegt eine nicht seefeste Rose ihrer düsteren Zukunft entgegen.

Wie im Flug ziehen die nicht immer schillernden Jahre im Theater vorbei. Bundespräsident Roman Herzog (Anselstetter) forderte 1997 „durch Deutschland muss ein Ruck gehen“. Ein nachdenklicher Moment, die Rede klingt aktueller denn je. Werner Brösels Flaschbier-Rocker, Klonschaf Dolly, sexy Eis, Bill Clintons Oval Office-Affäre, die „Schweiß Girls“ und Tamagotchis leiten vergnüglich ins nächste Jahrtausend. Das begann ohne das gefürchtete Computer-Chaos. Mit dem Stück erfüllte sich Falk Hagen einen Wunsch. „Ich habe die 90er Jahre als Teenager erlebt“, sagt er. Nicht nur er hat sich eine Freude bereitet, beweist der kräftige Schlussapplaus. 

Tickets über Telefon 0201-791466 (Mo. –Fr. von 11.30 – 17.30 Uhr), über WhatsApp: 0201-791466 oder per Mail an: theatercourage@t-online.de erhältlich. Nächste Aufführungen unter https://theatercourage.de/.

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