Essen-Frillendorf. Krokodil-Zeichnungen statt Krieg: Wie eine Essener Malschule ukrainische Geflüchtete unterstützt und gesellschaftlich integriert.

Im Rahmen der „Kunstspur“ organisieren die beiden Malschulen des Projektes „Zusammen Kunst erleben“ (ZKE) in Essen-Frillendorf am Wochenende des 28. und 29. September eine Spenden-Aktion. Unter dem Titel „Farben der Hoffnung“ sollen Bilder verkauft werden, die im Unterricht entstanden sind. Das Ziel: genügend Geld, um Geflüchteten aus der Ukraine weiterhin kostenlos Materialien für den Malunterricht zur Verfügung stellen zu können.

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Arischa hat eine Bühne aus Pappe gebaut und angemalt. Dargestellt ist ein Theaterstück aus der Ukraine. Arischa ist eine der Jugendlichen, die seit ihrer Ankunft in Essen die kostenlosen Malkurse von Eugen Bednarek und Wanda Korfanty-Bednarek in der Zeche Königin Elisabeth in Essen-Frillendorf besuchen.

Ende 2022 ist die Zwölfjährige mit ihrer Familie direkt aus Charkiw gekommen. Und wie in den meisten dieser Fälle bedeutet Familie: eine Mutter mit ihren Kindern. „Mein Bruder war schon 18“, erzählt Arischa, „er durfte Charkiw nicht verlassen“. Die nach Kiew zweitgrößte Stadt der Ukraine liegt im Osten des Landes und wird seit Beginn des russischen Überfalls intensiv beschossen. Mittlerweile, so Arischa, sei ihr Bruder zum Militär eingezogen worden und werde demnächst kämpfen müssen.

Arischa (12) hat in der Malschule des Projektes ZKE eine Bühne für ein ukrainisches Theaterstück entworfen.
Arischa (12) hat in der Malschule des Projektes ZKE eine Bühne für ein ukrainisches Theaterstück entworfen. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Das Künstler-Ehepaar Bednarek leitet seit Ende der 1990er-Jahre die Malschulen an der Elisabethstraße. Seit Beginn des Ukraine-Krieges engagieren sie sich für die Menschen, die aus den ukrainischen Krisengebieten geflüchtet sind. „Sie sind damals ohne jeglichen Besitz hierhergekommen“, erinnert sich Wanda Korfanty-Bednarek. „Da Eugen wie viele Ukrainer auch Russisch spricht, hat er bei Übersetzungen geholfen, wir haben Krankenhausbesuche gemacht, Kleidung gesammelt, Wohnungen gesucht. Es ist ein ganzes Hilfsprogramm, das bis heute anhält.“

Essener unterrichten Malen für Flüchtlinge

Mit der Ankunft der ersten Flüchtlinge in Essen haben sie aber auch begonnen, kostenlos Malunterricht für eben diese Menschen zu geben. „Wir konzentrieren uns besonders auf diesen Unterricht, denn malen können wir immer noch am besten“, sagt Bednarek. „Seit Ende März, Anfang April 2022 integrieren wir sowohl Kinder als auch Jugendliche und Erwachsene in unsere Kurse.“ Waren diese Kurse zu Beginn noch vollständig kostenlos, müssen die beiden Künstler von den Flüchtlingen mittlerweile zehn Euro pro Monat nehmen, um zumindest die Materialkosten zu decken. Denn Pinsel, Farben und Leinwände kosten Geld. Und genau das ist auch der Grund, warum das Projekt ZKE nun die Spendenaktion startet.

Spendenaktion des ZKE

Das Projekt „Zusammen Kunst erleben“ (ZKE) hat seinen Sitz in der Zeche Königin Elisabeth an der Elisabethstraße 31, wo eine Kleine und eine Große Galerie sowie eine Kleine und eine Große Malschule betrieben werden: www.projekt-zke.de.

„Jeder Strich zählt“ ist der Titel der Jahressausstellung, die am 28. September im Rahmen der „Kunstspur“ eröffnet wird. Sie ist bis Februar 2025 in der Großen Galerie zu sehen.

Die Spenden-Aktion „Farbe der Hoffnung“ findet am 28. und 29. September im Rahmen der Essener „Kunstspur“ statt. Am 21./22. September öffnen Künstler im Süden ihre Ateliers, am 28./29. September im Essener Norden –  an beiden Wochenenden jeweils von 14 bis 19 Uhr. Weitere Infos sowie den Flyer zum Download gibt es auf www.kunstspur.essen.de.

Dafür am besten geeignet erschien den beiden die „Kunstspur“: Bereits zum 26. Mal in Folge öffnen an den nächsten beiden Wochenenden Essener Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers, um sich dem breiten Publikum vorzustellen. Wie ein roter Faden zieht sich die Route der beteiligten Ateliers durch alle Stadtteile – am kommenden Wochenende zunächst im Süden der Stadt, am darauffolgenden im Norden. Besucherinnen und Besucher gewinnen so spannende Einblicke in kreative Entstehungsprozesse und können sich einen Überblick über die Essener Künstlerszene verschaffen.

Eugen und Wanda Bednarek zeigen die Bilder ihrer Schülerinnen und Schüler in der Jahresausstellung in Essen-Frillendorf.
Eugen und Wanda Bednarek zeigen die Bilder ihrer Schülerinnen und Schüler in der Jahresausstellung in Essen-Frillendorf. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Auch die Malschulen des ZKE sind am 28. und 29. September dabei und eröffnen in diesem Zusammenhang ihre Jahresausstellung, in der die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Kurse die Werke des vergangenen Jahres präsentieren. Bednarek: „Da an diesem Wochenende so einige Besucher zu uns kommen, führen wir hier auch die Spendenaktion durch.“

Jahresausstellung im Rahmend der Essener „Kunstspur“

Mit dabei in der Jahresausstellung ist auch der zehnjährige Mischa. Er geht auf das Grashof-Gymnasium und spricht inzwischen perfekt Deutsch. Denn die Kinder der Kleinen Malschule ZKE „arbeiten Hand in Hand mit ihren ukrainischen gleichaltrigen Freunden im Malunterricht und schaffen so ein integratives und unterstützendes Umfeld“, so Bednarek. Mischa stammt aus Bachmut in der Ostukraine. Von August 2022 bis Mai 2023 war die Stadt Schauplatz schwerer Kämpfe, das Haus von Mischas Familie wurde komplett zerstört. Jetzt steht er in der ersten Etage in der Malschule für Kinder und will so gar nicht über die Ukraine sprechen, sondern unbedingt über sein Bild.

Mischa (10) möchte dieses Bild der Karpaten im Rahmen der Spendenaktion verkaufen. Wanda Korfanty-Bednarek unterstützt ihn dabei.
Mischa (10) möchte dieses Bild der Karpaten im Rahmen der Spendenaktion verkaufen. Wanda Korfanty-Bednarek unterstützt ihn dabei. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

„Das ist ein Krokodil, ein Kaiman“, erklärt er. „Ich habe es mit Bleistift gemalt und die Muster mit Fineliner und Kuli hinzugefügt.“ Einen echten Kaiman habe er noch nie gesehen. „Aber ich hatte ein Buch mit einem Foto, daraus habe ich ihn abgemalt.“ Nur den Schatten auf dem Boden, den hat er einfach hinzugefügt. Künstlerische Freiheit nennt sich das. Den Kaiman möchte er übrigens lieber nicht verkaufen. „Das ist mein Lieblingsbild. Aber unten hängt ein Bild von mir, das verkaufe ich.“ Auf diesem Bild zu sehen: die Karpaten. Die kennt Mischa tatsächlich aus eigener Anschauung.

„Was wir hier machen, ist kein therapeutisches Malen“, erklärt Bednarek. „Die Kinder sollen nicht unbedingt den Krieg malen. Es geht darum, dass sie mit anderen Kindern zusammen sind, dass sie kommunizieren und Deutsch lernen. Es geht nicht um Stressbewältigung, sondern darum, kreativ zu sein.“ Diese Kreativität drücke sich in unterschiedlichsten Techniken und Stilrichtungen aus, und greife natürlich mitunter auch die Themen auf, die die Kinder als Geflüchtete intensiv bewegen, sagt Bednarek.

Aber nicht nur Bilder von Kindern sind Teil der Spendenaktion – auch Werke von erwachsenen Kursteilnehmern stehen zum Verkauf. „Viele von ihnen haben mittlerweile Arbeit gefunden“, erklärt Bednarek. „Und sie bringen uns Spenden mit, vor allem Material und Farben. Es geht ihnen nicht darum, immer nur zu bekommen – sie möchten auch zurückgeben. Und nun spenden sie sogar ihre Bilder, um die anderen Kursteilnehmer zu unterstützen.“ Und damit sind sie nicht allein. Auch Essener Künstlerinnen und Künstler aus dem Umfeld des Projekts ZKE haben Werke zur Verfügung gestellt. Bilder soll es bereits ab fünf Euro geben. Bednarek: „Wer möchte, darf aber auch gerne mehr spenden.“

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