Essen. Nach Jahrzehnten des Personalabbaus macht sich der frühere Kohleproduzent fit für die Ära des Nachbergbaus. Bis 2030 will die RAG CO2-neutral sein.
Nach dem schmerzhaften Zechensterben und dem hunderttausendfachen Abbau von Jobs stellt die RAG Aktiengesellschaft die Weichen für die Ära des so genannten Nachbergbaus. Ab 2025 bildet der ehemalige Kohleproduzent mit Sitz in Essen sogar wieder junge Menschen aus. „Das ist ein eindeutiges Signal, wir haben den Transformationsprozess des Unternehmens sehr gut bewältigt“, sagt Vorstandschef Peter Schrimpf. Besonders hebt die RAG die Ausbildung zum Umwelttechnologen für Abwasserbewirtschaftung hervor. Und das aus gutem Grund: Die Grubenwasserhaltung zählt zu ihren Ewigkeitsaufgaben.
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Das letzte Glückauf für den deutschen Bergbau liegt fast sechs Jahre zurück, 2018 war auf Prosper-Haniel in Bottrop Schicht im Schacht. Mit der Kohleförderung stellte das Unternehmen damals zugleich die Ausbildung junger Menschen ein. Eine Zäsur.
100.000 Lehrlinge seit 1969: Die RAG war einst einer der größten Ausbilder der Republik
Dieselbe RAG hatte in den Jahrzehnten davor noch zu den größten Ausbildern der Republik gezählt. Zu Spitzenzeiten bildete der Bergbaukonzern 10.000 Lehrlinge aus, 100.000 waren es seit der RAG-Gründung 1969. Schrimpf (67), Sproß einer Hammer Bergmannsfamilie, war Anfang 1990 selbst Ausbildungsleiter auf der Zeche Heinrich-Robert mit 400 Berglehrlingen. Gerne erinnert er sich an die feierlichen „Lossprechungen“ von Bergmechanikern, Industriemechanikern und Elektronikern. „Die Ausbildung bei der RAG hatte einen guten Ruf, bis zum Schluss haben wir die jungen Leute im Unternehmen gehalten.“
Der Kohleausstieg hat die RAG-Belegschaft drastisch auf 600 Beschäftigte schrumpfen lassen und schon bald drängen die geburtenstarken Jahrgänge in die Rente. „Von den 600 wird in zehn Jahren die Hälfte weg sein“, prognostiziert Schrimpf. Das bedeute: Wer sich jetzt von der RAG ausbilden lasse, dürfe sich später „sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten“ im Unternehmen ausrechnen. „Wir haben eine gute Zukunft und die wollen wir auch wieder mit jungen Menschen teilen.“ Weitere Ausbildungsberufe werden sein: Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement und Kaufmann/-frau für Büromanagement.
„Allein in die Grubenwasserhaltung investieren wir mehr als zwei Milliarden Euro.““
Gemessen an der Personalstärke ist die RAG Aktiengesellschaft heute nicht größer als ein Mittelständler. Doch wenn es um die Bilanz- und Rückstellungssummen geht, bewegen die Essener Milliardenbeträge wie ein Großunternehmen. Im letzten Jahr erhielt die RAG rund 260 Millionen Euro von der RAG-Stiftung für die Bewältigung der Ewigkeitsaufgaben. „Allein in die Grubenwasserhaltung investieren wir mehr als zwei Milliarden Euro“, betont der RAG-Chef.
Grubenwasserpumpen sollen in fünf Jahren mit eigenem grünen Strom betrieben werden
Um das Potenzial des Grubenwassers zunehmend auszuschöpfen, seien intelligente Lösungen gefragt. Daher auch die neue Ausbildung zum Umwelttechnologen bzw. zur Umwelttechnologin. Ziel der RAG-Ingenieure ist es, die Pumpen umweltschonend und effizient zu betreiben. Schrimpf: „Die RAG will 2030 CO2-neutral sein.“ Das heißt: Das Essener Unternehmen will die Grubenwasserpumpen in gut fünf Jahren mit eigenem, grünen Strom betreiben. Das allein macht 95 Prozent des gesamten Strombedarfs der RAG aus.
Idealerweise liefere das Windrad oben auf der Halde oder die Photovoltaik-Anlage den Strom für die Grubenwasserpumpe unter Tage. Flächen dafür seien an den zukünftigen Grubenwasserstandorten vorhanden. Das RAG-Konzept sieht vor, Grubenwasser künftig an sechs Standorten im Ruhrgebiet in Flüsse einzuleiten: Walsum und Lohberg in den Rhein, Friedlicher Nachbar und Heinrich (beide Essen) sowie Robert Müser (Bochum) in die Ruhr, schließlich Haus Aden (Bergkamen) in die Lippe.
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Im ersten Schritt will das Unternehmen zwei Umwelttechnologen ausbilden, gerne auch Technologinnen. „Danach werden die Zahlen steigen“, so Schrimpf. In diesem Ausbildungsberuf suche man junge Menschen, die neben der Fachoberschulreife handwerkliches Geschick besitzen und technisch interessiert sind. Der RAG-Chef sähe es gerne, wenn ehemalige Kumpel ihre Kinder oder Enkelkinder zu einer Ausbildung in dem Traditionsunternehmen ermuntern würden. Die Übernahme nach der dreijährigen Ausbildung sei erwünscht. Die zuständige Berufsschule, das Hans-Schwier-Berufskolleg, befindet sich in Gelsenkirchen.
RAG-Chef: „Grubenwasser ist kein Abwasser, sondern Regenwasser“
Abwasserbewirtschaftung - das klingt nach Kloake und Klärwerk. Schrimpf ist mit dieser Begrifflichkeit nicht ganz glücklich und betont deshalb: „Grubenwasser ist kein Abwasser, sondern Regenwasser, das in der Grube des Bergwerks versickert ist und dabei beispielsweise Eisen, Salz und Schwefel mitnimmt.“
Schrimpf ist zuversichtlich, dass Grubenwasser - bevor es in Rhein, Ruhr und Lippe fließt - in Zukunft geothermisch genutzt werde. Die RAG sei im Gespräch mit den Stadtwerken der Bergbauregionen, um die Wärme des Grubenwassers nutzbar zu machen. Ein mögliches Szenario: In Teilen von Essen, Bochum und Dinslaken könnte das warme Untertage-Wasser eines Tages zum Beheizen eingesetzt werden.
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