Essen. Die einflussreiche RAG-Stiftung plant einen Neubau auf dem Welterbe-Gelände Zollverein – und hofft auf neue Arbeitsplätze für den Essener Norden.
Aus Sicht eines Immobilien-Managers ist das Essener Welterbe-Areal Zollverein ein besonderes Pflaster. Ein Projekt auf dem Welterbe-Gelände zu realisieren, sei „eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe“, sagt Nadim Aldach vom Unternehmen Combine, das sich auf Bauherrenberatung und Projektsteuerung spezialisiert hat und unter anderem an der Entwicklung der neuen Firmenzentrale des Essener Lebensmittel-Discounters Aldi Nord beteiligt war. Auf dem weitläufigen Zollverein-Gelände mit seinen original erhaltenen Anlagen von Zeche und Kokerei sind jedenfalls strenge Vorgaben des Denkmalschutzes einzuhalten. „Eine Folge ist: Wir dürfen lediglich dreigeschossig bauen“, erzählt Aldach.
Die einflussreiche RAG-Stiftung, die unter anderem die Mehrheit am Essener Chemiekonzern Evonik hält und am Gelsenkirchener Wohnungsunternehmen Vivawest beteiligt ist, wagt sich nun gleichwohl mit Hilfe
der Beratungsfirma Combine mit einem Neubau-Vorhaben für Zollverein nach vorne. Es geht um ein Projekt, das auch Impulse für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen in unmittelbarer Nähe zur historischen Kokerei geben soll. Das Projekt trägt den Namen „KoA-Campus“ – eine Abkürzung für „Kokerei Allee Campus“.
RAG-Stiftungschef Tönjes: „Die Immobilie ist für uns ein Investment“
„Das Projekt macht gleich in zweifacher Hinsicht Sinn“, sagt Bernd Tönjes, der Vorstandsvorsitzende der RAG-Stiftung. „Die Immobilie ist für uns ein Investment, das uns eine gute Rendite verspricht. Positive Nebeneffekte sind, dass der Standort Zollverein dadurch eine weitere Belebung erfährt und Arbeitsplätze auf dem Gelände entstehen.“
Bis zu 350 Menschen könnten in dem neuen Gebäude arbeiten, berichtet Tobias Frick, der Prokurist bei der RAG-Stiftung ist. Derzeit sucht die Stiftung nach einem Ankermieter. Die neue Immobilie könnte als Firmenzentrale oder Verwaltungssitz von Unternehmen oder Institutionen dienen. „Das Gebäude wäre aber
auch für eine kleinteilige Vermietung geeignet“, sagt Frick. In direkter Nachbarschaft hat die Unternehmensberatung Accenture bereits Büros – im ehemaligen Schalthaus der Kokerei. Die RAG-Stiftung rechnet eigenen Angaben zufolge mit Investitionskosten für das Projekt im mittleren zweistelligen Millionenbereich.
Einzug wäre Ende 2026 möglich
Die Vorbereitungen für den Neubau auf dem Gelände der Kokerei seien weit fortgeschritten, erklärt Nadim Aldach. „Wir haben eine positiv beschiedene Bauvoranfrage und werden Ende März 2024 den Bauantrag einreichen, um dann so früh wie möglich bauen zu können.“ Erste Ideen zu dem Projekt seien schon im Jahr 2019 entwickelt worden. Der Entwurf für das Gebäude stammt vom Aachener Architekturbüro Kadawittfeld.
„Das neue Gebäude fügt sich sehr gut ins Gesamtbild der Kokerei ein“, sagt Aldach. Geplant sei eine Immobilie in Holz-Hybrid-Bauweise mit einem begrünten Dach, Photovoltaik und Wärmepumpe fürs
Heizen sowie Kühlen. Ende 2026 wäre nach Angaben der Beratungsfirma ein Einzug möglich. Bei einem erfolgreichen Verlauf seien zusätzliche Projekte denkbar. „Es gibt weitere potenzielle Baufelder auf dem Zollverein-Gelände, unter anderem neben dem Sitz der RAG-Stiftung“, so Aldach.
RAG-Stiftung – ein bestens vernetzter Akteur
Im Ruhrgebiet ist die RAG-Stiftung ein exzellent vernetzter Akteur. Zum Vermögen der Stiftung gehören nicht nur Revierfirmen wie Evonik und Vivawest, sondern auch jede Menge Firmenbeteiligungen unterschiedlicher Art. Beispiele sind die ehemalige Thyssenkrupp-Aufzugsparte TK Elevator sowie Immobilien-Gesellschaften der österreichischen Signa-Gruppe des Geschäftsmanns René Benko, darunter Warenhäuser wie das KaDeWe in Berlin oder das Alsterhaus in Hamburg. Geld, das in die Kasse der Essener Stiftung kommt, soll dazu dienen, die sogenannten „Ewigkeitsaufgaben“ zu finanzieren, die nach der Schließung von Deutschlands Steinkohlenzechen entstanden sind. Das Vermögen der Stiftung ist zuletzt zwar spürbar geschrumpft, aber weiterhin groß. Ende 2022 lag es bei 16,8 Milliarden Euro, wie Jürgen Rupp, der Finanzchef der Stiftung im Juni berichtete.
„Wir bauen nur, wenn wir Mieter gefunden haben“, betont Stiftungs-Prokurist Frick mit Blick auf das Immobilien-Projekt für Zollverein. Um die Anbindung an das Gelände für potenzielle Arbeitgeber zu verbessern, setzt die Stiftung auch auf Unterstützung der Stadt Essen. „Derzeit gibt es keine öffentliche Bus-Haltestelle auf dem Gelände des Welterbes Zollverein“, merkt Frick an. „Mit der Stadt sind wir in Gesprächen, um die ÖPNV-Anbindung zunächst auf dem Kokerei-Areal zu verbessern.“