Essen. Das Start-up „vGreens“ will Fabriken bauen, in denen Erdbeeren umweltfreundlich produziert werden. Der entscheidende Punkt dafür ist erreicht.
Ein Wochenende lang stand Stefan Hey in der Küche und hat kiloweise Erdbeeren zu Marmelade verarbeitet. Seither ist nicht nur sein Vorratsschrank voll davon. Auch Familie und Freunde dürften sich gefreut haben. Für regelmäßigen Nachschub ist ebenfalls gesorgt. Denn der Pflanzenwissenschaftler ist Mitgründer bei „vGreens“ in Essen-Katernberg. Das Start-up züchtet dort seit Anfang des Jahres die roten Früchte im Gründerzentrum Triple Z. Ohne Sonne, ohne Regen. Nicht auf einem Feld, sondern in einer kleinen, technisch ausgefeilten Fabrik.
In Halle 13 wachsen die Erdbeeren an einer drei Meter breiten und 5,30 Meter hohen Wand. Die vertikale Anbauweise (auch Vertical Farming genannt) spart sehr viel Platz und die 480 Pflanzen, die in Körbchen ohne Erde und nur in einer Nährstofflösung sitzen, produzieren im Sommer wie im Winter das ganze Jahr über Ertrag. (Lesen Sie mehr: Erdbeeren erfolgreich selbst anbauen: Das rät der Experte)
vGreens will bald erste Erdbeer-Farmen verkaufen und aufbauen
Bis zu 1000 Kilogramm kann das Unternehmen derzeit pro Jahr ernten. Doch damit steht vGreens erst am Anfang. Die Technologie, die Hey und seine Mitstreiter Claas Ahrens und Maximilian Hartmann in den vergangenen zwei Jahren entwickelt haben, ist nun so reif, dass sie in Serie gehen kann. Heißt: Es sollen in den kommenden zwei Jahren erste vertikale Erdbeerfabriken entstehen, die im Jahr tonnenweise Früchte liefern können. „Wir haben in diesem Jahr den Industriestandard erreicht“, unterstreicht Maximilian Hartmann.
Bis es so weit war, haben die Gründer viel experimentiert. Mittlerweile weiß Pflanzenexperte Stefan Hey, was so eine Erdbeere alles braucht, um möglichst viele, vor allem aber süße Früchte zu tragen. In der Halle herrschen tagsüber bis zu 22 Grad, nachts sinkt die Temperatur auf zehn Grad. Täglich 14 bis 15 Stunden künstliches Licht bekommen die Pflanzen, aber gerade soviel, um dieses auch „verarbeiten“ zu können. In seinen Versuchen hat Stefan Hey schnell gelernt: „Die Erdbeere ist eine Diva. Sie reagiert sehr stark auf Umwelteinflüsse.“
Das ist es auch, was den Anbau im Freiland so unberechenbar macht. Viel oder zu wenig Regen, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen lassen so manche Ernte schlecht ausfallen. Der Klimawandel dürfte die Probleme noch verstärken. In den Fabriken von vGreens jedoch werden immer gleiche Bedingungen herrschen. Dafür sorgt eine Software, die mittels künstlicher Intelligenz gesteuert wird und den gesamten Prozess überwacht. Das System lernt quasi täglich dazu, was eine Erdbeere wirklich braucht, um groß, rot und süß zu werden.
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Selbst Erdbeeren produzieren und verkaufen, will vGreens allerdings nicht, sondern die Anlagen zusammen mit Partnern bauen. Kunden sieht Mitgründer Maximilian Hartmann nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Handel, der ortsnah selbst produzieren könnte und sich somit lange Lieferwege und eine aufwendige Lagerung der empfindlichen Früchte sparen könnte. Heute kommen Erdbeeren im Winter vor allem aus Spanien oder Afrika.
vGreens produziert Erdbeeren mit wenig Fläche und Wasser und ohne Pestizide
Maximilian Hartmann sieht jedoch weitere Vorteile seiner Erdbeer-Farm: Um ein Kilogramm auf dem Feld ernten zu können, werden rund 300 Liter Wasser verbraucht. In ihrer Anlage kommen die vGreens-Gründer auf vier bis fünf Liter für die gleiche Menge. Außerdem setzt vGreens keine Pestizide ein. Was es allerdings braucht, ist Energie, um die Hallen zu kühlen. Das Start-up arbeitet daher daran, die Bilanz durch den Einsatz von Erneuerbaren Energien zu verbessern.
Das Geld für die Entwicklung ihrer Erdbeer-Produktion hat das junge Unternehmen bei derzeit 13 Investoren eingeworben. Bislang sind so 1,5 Millionen Euro zusammengekommen, die nächste Finanzierungsrunde steht kurz bevor. Mit diesen Mitteln will vGreens auch den ersten internationalen Schritt wagen: In Singapur soll ein Tochterunternehmen gegründet werden, das sich nicht nur um den Vertrieb der Erdbeer-Fabriken kümmert, sondern auch um die Pflanzenproduktion. Auch diese soll mittels KI automatisiert werden. Das kleine südostasiatische Land fördert - wohl aus eigenem Platzmangel - solche Forschungsansätze, heißt es.
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Ihr Unternehmen gründeten Ahrens, Hartmann und Kley in Witten, tüftelten anfangs fast schon klischeegemäß in einer Garage. Im Herbst vergangenen Jahres zogen sie ins Triple Z nach Essen und schätzen seither die guten Kontakte und Netzwerke, die sie mit vielen anderen innovativen Gründern dort teilen können. Das Unternehmen ist damit ein weiteres Beispiel, wie sich das Triple Z im Norden der Stadt mehr und mehr zur gefragten Gründerschmiede etabliert. Im vergangenen Jahr zählte es 22 neue Ansiedlungen - so viel wie noch nie in seiner Geschichte.
Ziele für die Zukunft: vGreens will auch Himbeeren, Blaubeeren und Melonen in Fabriken anbauen
15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen brachte vGreens mit seinem Umzug mit nach Essen. Weitere werden gesucht, unter anderem Maschinenbauer und Softwarespezialisten. Bei Erdbeeren allein soll es auch nicht bleiben. Wer eine Diva, wie die Erdbeere erfolgreich züchtet, der kann das möglicherweise auch bei Blaubeeren, Himbeeren und auch Melonen. Bei letzteren hängt das Ziel hoch: 190 Kilogramm soll die bislang schwerste Wassermelone auf die Waage gebracht haben. Man kann übrigens auch aus Melonen Marmelade machen.
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