Essen. Die Kot-Verschmutzung in der Grünen Mitte und anderen Essener Parks ist zum Dauerzustand geworden, die Jagd gilt trotzdem weiterhin als Tabu.
Sie sind überall da, wo Rasenflächen mit stehendem oder fließendem Wasser zusammenkommen: Kanadagänse haben seit etwa zehn Jahren auch in Essen zahlreiche Parks im Griff, meist sind es ganze Herden, die über Wiesen und Wege streifen. Täglich frisst jedes Tier bis zu zwei Kilogramm Gras oder auch von Menschen angebotenes Futter und produziert dann entsprechende Mengen Kot. Ein großes Problem, denn die Parkflächen dienen eigentlich der Erholung und dazu gehört, sich auf einer Wiese ohne Ekelfaktor niederlassen zu können. „Das ist hier praktisch nicht mehr möglich“, sagt ein Bewohner der Grünen Mitte, des Viertels zwischen Innenstadt und Uni Essen.
Grüe Mitte: Weg bahnen zwischen den Herden der Kanadagänse und ihrem Kot
Übertrieben ist das keineswegs. Es gibt Tage, da muss man sich in der Grünen Mitte selbst auf den Asphaltflächen mühsam einen Weg bahnen zwischen den Kanadagänsen selbst und den „Tretminen“, die jedes Tier Dutzende Mal pro Tag hinterlässt. Mitunter trotzen die Tiere auch den Verkehrsgefahren und laufen im Gänsemarsch über die vielbefahrenen Straßen am Rand des Viertels, um auch die große Verkehrsinsel am Berliner Platz abzugrasen. Das mag man putzig finden, vor allem, wenn die durchaus gewitzten Tiere scheinbar die Grünphase für Fußgänger abwarten. Es zeigt aber vor allem, dass die Grüne Mitte mit Kanadagänsen eindeutig überbevölkert ist.
Im Grugapark gilt ähnliches, etwa direkt am Haupteingang, wo die Tiere sich massenweise bevorzugt auf den Wegen am großen Becken am Haupteingang aufhalten. Aber auch die Kranichwiese an der Orangerie oder die große Tummelwiese am Grugabad werden kräftig vollgekotet. Nicht nur Grünflächen und Spazierwege leiden, auch Teiche und Becken in den Parks ähneln Kloaken. Neben den Tieren selbst, ist das notwendige regelmäßige Reinigen der besonders verschmutzten Beckenränder dafür verantwortlich – der Dreck läuft fast zwangsläufig ins Wasser. Folge: Selbst frisch ausgetauschtes Wasser wird in kurzer Zeit wieder zur unappetitlichen Brühe. Das Reinigen ist zudem eine kostspielige Angelegenheit, teilweise auch gar nicht mehr möglich.
Stadt Essen versucht es mit „Vergrämungen“ - der Erfolg ist wenn überhaupt bescheiden
Bei der Stadt kennt man das Problem seit vielen Jahren, hat aber nie eine wirklich durchgreifende Strategie gefunden. Stattdessen versuchte man es mit so genannten „Vergrämungen“: „Im Universitätsviertel werden zum Beispiel die Schilfinseln, die der Wasserklärung dienen sollen, bereits vor der Brutzeit geflutet und mit einem Drahtgeflecht bespannt, so dass diese als Brutbiotope nicht nutzbar sind“, sagt Martin Gülpen, Botaniker beim Grün-und-Gruga-Betrieb. Außerdem gebe es ein Fütterungsverbot, das allerdings längst nicht jeder beachtet - auch das ein altes Problem.
Viel Erfolg hat all das jedenfalls ganz offensichtlich nicht. Die Stadt sieht das anders, rühmt sich schon seit Jahren damit, die Zahl der Tiere auf diese Weise stabil gehalten oder sogar reduziert zu haben. Gelegentlich bot Grün und Gruga Zahlen dabei auf, die schon dem einfachen Augenschein nach nicht stimmen konnten. Inzwischen heißt es: „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Populationen angewachsen sind“, so Gülpen.
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Daran sind Zweifel erlaubt, doch selbst wenn es zuträfe, bedeutet das nur, dass die nicht übersehbaren Schäden und Beeinträchtigungen zum Dauerzustand werden. Bliebe die Jagd: Während frühere Grugapark-Leitungen zunächst auch in den Parks die Bejagung der Tiere für richtig erachteten, um die Bestände wirksam zu dezimieren, zuckten sie nach Protesten von Tierschützern zurück.
Verbotene Jagd? Die Stadt Soest lässt die Tiere regelmäßig auch in Stadtparks bejagen
Mittlerweile wird dieser Verzicht mit juristischen Argumenten begründet: „Eine Jagd in den befriedeten Bezirken innerhalb des Stadtgebiets z.B. auf Friedhöfen, im Universitätsviertel und in Parkanlagen wie dem Grugapark ist rechtlich nicht möglich und erfolgte oder erfolgt aus diesem Grund nicht“, so Martin Gülpen.
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Das kann so nicht stimmen. Die Stadt Soest beispielsweise bejagt regelmäßig Kanadagänse im innerstädtischen Theodor-Heuss-Park auf Basis einer Genehmigung der dortigen Unteren Jagdbehörde, eine Strafanzeige dagegen wies die Staatsanwaltschaft ab. Konkret arbeitet der Jäger dort mit einer Kleinkaliberpistole, mutmaßlich außerhalb der Nutzungszeiten des Parks, um niemanden zu gefährden. Laut „Soester Anzeiger“ schuf man mit diesem letzten Mittel endlich Abhilfe. „Lösungen, die nicht zum Tod der Gänse führten, schlugen fehl“, schreibt das Lokalblatt - genau wie in Essen und anderen Städten. Und in der Gruga beispielsweise wäre eine Gefährdung von Besuchern noch leichter auszuschließen, da der Park bekanntlich umzäunt ist und erst frühmorgens öffnet.
Immerhin: Außerhalb der Parks geraten die Kanadagänse auch in Essen schon mal erfolgreich vor die Flinten. „In den 49 Essener Jagdrevieren sind in der vergangenen Jagdsaison durch die Jagdausübungsberechtigten insgesamt gut 200 Gänse erlegt worden“, so Martin Gülpen. Das klingt viel, ist aber angesichts der vielen Herden kaum spürbar.
Gänse in Essen: Zu Reinigungskosten macht Grün und Gruga keine konkreten Angaben
Zu den Kosten der Reinigung kann Grün und Gruga keine Angaben machen. „Für die Reinigung kommen sowohl eigene Mitarbeitende als auch beauftragte Firmen zum Einsatz. Grün und Gruga ist daher nicht in der Lage, Kosten zu beziffern“, betont Gülpen. Der frühere Gruga-Chef Bernd Schmidt-Knop räumte vor vielen Jahren ein, dass die Reinigung nennenswert Personal binde, das dann für andere Tätigkeiten in den Parks nicht zur Verfügung stünde. Daran dürfte sich nichts geändert haben.
Unter Naturschützern übrigens hat die Kanadagans keinen guten Ruf, als gebietsfremde Art (Neozoon) steht sie in Verdacht, heimische Tierarten zu verdrängen und zu gefährden. Wie der Name schon sagt, war sie ursprünglich im Norden Nordamerikas beheimatet und in Europa durch Menschen eingeführt worden, da sie den Atlantik aus eigener Kraft nicht hätte überwinden können. Die ersten Gänse sollen schon im 17. Jahrhundert in Großbritannien aufgetaucht sein, langsam eroberten sie dann von Norden her den europäischen Kontinent.
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