Essen-Stoppenberg. Bis zum Herbst stehen die Tiere aus Sprockhövel auf dem Essener Zechengelände. Was sie dort tun und warum sich darüber auch ein Turmfalke freut.
Morgens, halb neun, Zeche Zollverein. Noch ist es ruhig auf dem Gelände, nur ein paar Jogger und Spaziergänger mit Hunden sind unterwegs. Auf der Wiese vor dem ehemaligen Schalthaus tritt, ein wenig zögerlich, die neue Grünpflege-Kolonne ihren Dienst an: 12 Schafe, genauer gesagt Heidschnucken und Drenther Heideschafe, die als robust, zutraulich und wenig schreckhaft gelten. Sie sollen hier mähen: leise und umweltfreundlich.
Es ist ein Versuch, für den die Stiftung Zollverein mit den Sprockhöveler Schäfern Lukas Egerland und Axel Stock kooperiert. Sie lassen ihre Schafe und ein Ziegenpaar zunächst bis zum Herbstbeginn auf den Flächen grasen. „Der Vorschlag für das Projekt kam von einem Mitarbeiter“, erklärt Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein. „Und erst einmal haben wir alle darüber gelacht.“ Dann aber habe man sich intensiver mit der Idee beschäftigt: Schafe als sanfte Alternative zu lauten, kraftstoffbetriebenen Maschinen. Kann das funktionieren? Das wird nun drei Monate lang getestet.
Wiesen auf dem Essener Zollverein-Gelände liefern den Schafen gutes Futterangebot
„Als Unesco-Welterbe sind wir den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verpflichtet“, sagt Hans-Peter Noll. Dazu gehöre auch, die Ressourcen auf dem Gelände zu schonen und den Klimaschutz zu berücksichtigen. Deshalb wolle man beim Mähen den Einsatz von Maschinen und Düngemitteln reduzieren. „Dazu kann Schafbeweidung beitragen.“
Was müssen die Schafe denn nun tun, damit sie bleiben dürfen? „Vor allem ordentlich fressen“, sagt Hans-Peter Noll. Von den zu pflegenden Wiesen, die in diesem Sommer besonders schnell zuwachsen und verbuschen, sind einige um die 2500 Quadratmeter groß, andere aber auch zwei bis drei Hektar. Teilweise sind die Flächen schwer zugänglich, weil riesige Maschinen dort stehen, doch die Schafe kommen laut Schäfer Axel Stock problemlos überall dran. Aber sie sind auch wählerisch: „Am liebsten fressen sie Gras.“ Klee vertragen sie nicht so gut, Sauerampfer meiden sie ebenfalls. Auch beim härteren Knaulgras zeigen sie sich zurückhaltend. Und Schnecken, in diesem feuchten Jahr stark verbreitet, fressen sie ebenfalls nicht. Das wäre dann doch zuviel des Guten.
Dafür tragen sie zur Verbreitung von Pflanzen bei, indem sie Samen weitertransportieren. Zudem hinterlassen sie, anders als Maschinen, natürlich keinen Grünschnitt, der abtransportiert werden muss, was wiederum nicht nur im Sinne der ökologischen Grünflächenpflege ist, sondern auch einem anderen Bewohner des Zechengeländes zugute kommt: Die Schafe würden dem Turmfalken die Jagd erleichtern, so Axel Stock. Denn ohne den Grasschnitt könnten sich Mäuse weniger gut verstecken, auch würden sie durch das Getrampel der Schafe aufgescheucht. Wie zum Beweis landet ein Turmfalke erst auf dem Nachbargebäude, und kurz darauf inmitten der grasenden Schafherde. Die stören sich nicht weiter dran, dem Vogel aber herrscht dann doch zu viel Betrieb auf der Wiese: Er lässt sich wieder auf dem Gebäude, in sicherer Höhe und Entfernung nieder.
Die Schafe bekommen unterdessen etwas „Schafmüsli“ zur Belohnung – „und um die Zutraulichkeit zu erhalten“. Eigentlich müsste nicht zugefüttert werden, erklärt der Schäfer: „Die Futterqualität ist hier optimal“. Doch die Schafe lieben ihre „Süßigkeit“. Sobald Axel Stock den schwarzen Eimer schwenkt, kommen sie angetrabt, allen voran der Chef der Truppe, das 80 Kilo schwere Leittier, das sich mit Drängeln und Schubsen den Vortritt verschafft.
Besucher des Essener Weltkulturerbes Zollverein freuen sich über die Schafe
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Ein schwarzes Schaf steht abseits, stampft auf, läuft ein paar Schritte auf die anderen zu, dreht dann aber wieder um. „Es hat zu viel Angst. Wenn wir gleich weg sind, wird es sich wieder zu seiner Herde gesellen“, verspricht Stock. Die übrigen Tiere verlieren zunehmend ihre Scheu, lassen sich auch von einer Gruppe Spaziergängern mit mehreren Hunden nicht verunsichern.
Die Besucher bleiben stehen, seufzen „hach, wie schön“, und gucken den Schafen beim Weiden zu. Ein weiterer schöner Effekt sei das, sagt Hans-Peter Noll. „Wir sind ein Tourismusstandort und zugleich ein kleiner Stadtpark für das Quartier. Es ist schön zu sehen, welche Freude die Menschen an den Schafen haben.“
Ob das Nebeneinander von Tieren und Besuchern langfristig funktioniert, müsse sich zeigen. Bisher sei man zuversichtlich. Die Schafe würden sich ruhig verhalten, nicht zu viel blöken und offenbar mit dem Publikumsverkehr zurechtkommen. Und auch die Menschen seien „absolut rücksichtsvoll“, sagt Axel Stock: Sie würden den Zaun nicht zerstören und die Tiere nicht füttern. Letzteres nämlich könne zur ernsthaften Bedrohung für die Schafe werden. Sicherheitshalber weisen Schilder auf das Fütterungsverbot hin.
Solange sie also in Ruhe gelassen werden, werde es den Schafen auf dem Gelände der Zeche Zollverein gut gehen, sagt ihr Schäfer. „Sie sind gegen die Blauzungen-Krankheit geimpft, sie haben einen Unterstand als Sonnen- und Wetterschutz, sie haben eine Wassertränke.“ Gute Bedingungen für sie, um einen guten Job zu machen.
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