Essen. Männer mit Krebs lassen sich nicht gern beraten. Aber wenn die Krebsberatung Essen zum Segeln lädt, sind sie dabei. Und gehen gestärkt von Bord.

Männer erkranken genauso oft an Krebs wie Frauen und sind dadurch ebenso belastet, doch den Weg in die Beratungsstellen finden sie viel seltener: „75 Prozent der Ratsuchenden sind Frauen, 25 Prozent Männer“, sagt die Leiterin der Krebsberatung Essen und Mülheim, Anne Rillig. Nun spricht man dort Männer anders an – mit Erfolg.

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Das Projekt „Segeln gegen Kopfkino“ etwa erfeut sich seit seinem Start im Jahr 2021 ungebrochener Beliebtheit: Angeleitet von erfahrenen Seglern des ETUF e.V. segeln krebserkrankte Männer über den Baldeneysee. Es gehe darum, etwas Neues auszutesten, sich etwas zu trauen, loszulegen, erklärt Anne Rillig. Das sei auch möglich, wenn die Teilnehmer durch die Krankheit körperlich eingeschränkt sind.

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Konzentration auf die Segelmanöver lenkt von der Krankheit ab

Eingeübt werden einfache Handgriffe und Manöver; ohne Druck, aber mit der notwendigen Konzentration, damit man nicht den Mastbaum gegen den Kopf bekommt oder mit einem Ausflugsschiff der Weißen Flotte kollidiert.

Das habe sie wunderbar abgelenkt, hätten die Teilnehmer in den Vorjahren berichtet, sagt Rillig. Im vergangenen Jahr habe sich die Gruppe bei den drei Segelterminen so gut verstanden, dass sie sich auch nach Kurs-Ende weiter traf. Motto: Knoten und Kontakte knüpfen.

Anne Rillig, Leiterin der Krebsberatung Essen und Mülheim

„ 75 Prozent der Ratsuchenden sind Frauen, 25 Prozent Männer.“

Anne Rillig, Leiterin der Krebsberatung Essen und Mülheim

Andreas Murglat ist vor zwei Jahren mitgesegelt, weil er zuvor schon die Erfahrung gemacht hatte, dass Bewegung ihm gut tue. „Ich schüttel’ die Erkrankung nicht einfach aus den Kleidern, ich brauche Ablenkung.“ Die Krankheit begleitet den heute 58-Jährigen mehr als ein Jahrzehnt. Er hat den Darmkrebs überlebt, musste lernen, mit dem Stoma (künstlicher Darmausgang) umzugehen – und „wieder mit meinem Körper ins Reine zu kommen“. Dabei helfe Sport.

Andreas Murglat, Krebspatient

„Ich kann mit meinen Ängsten umgehen, aber sie sind da. Ich muss ihnen positive Erfahrungen entgegensetzen.“

Andreas Murglat, Krebspatient, hat festgestellt, dass ihm Bewegung und körperliche Anstrengung gut tun

Vor dem Segelkurs hatte er eine weitere schwere OP und eine zweite Diagnose bekommen. „Ich kann mit meinen Ängsten umgehen, aber sie sind da. Ich muss ihnen positive Erfahrungen entgegensetzen.“ Segeln war ein Wagnis: Er hatte vorher niemals Wassersport gemacht und war dann sofort „angefixt“.

Das Wetter sei grandios gewesen, der Wind etwas schwach, die ETUF-Anleiter hätten alles von der Pike auf erklärt und jeden mal an die Pinne gesetzt, eine Wende machen lassen. Die Männer an Bord, die sich vorher nicht kannten, hörten begierig zu, wurden eine Crew. Jeder habe auch mal die Gedanken schweifen lassen können und vom Boot aus „einen komplett neuen Eindruck vom Baldeneysee bekommen“.

Um Krebs sei es auch gegangen, aber eher vor und nach dem Segeln: „Was hast Du eigentlich?“ Am Ende ging die Truppe gemeinsam essen, und Murglat meldete sich im Jahr darauf zu einem Paddelkurs an. Die Krankheit habe ihm sein Selbstvertrauen geraubt: „Das war bei Null. Durch Sport und körperliche Anstrengung tanke ich Vertrauen und lerne: ,Ich darf wieder träumen.’“

Männer wollen nicht auf eine „Psycho-Schiene“ geraten

Das freue ihr Psychoonkologinnen-Herz, sagt Anne Rillig: Auch ihr Eindruck sei, dass mancher mit gestärktem Selbstbewusstsein zurückkehre. Nebenbei baue der Kurs Vorbehalte gegenüber der Krebsberatung ab, ergänzt ihre Kollegin Rebecca Heinrich: „Die Teilnehmer lernen ja nicht nur einander, sondern auch uns kennen und trauen sich dann eher, in die Beratung zu kommen. Und: Wer einmal da war, kommt wieder.“

Schnuppersegeln für Männer startet im September

Das „Segeln gegen Kopfkino“ findet an drei Donnerstagen statt: am 19. September, 26. September und 10. Oktober, jeweils von 16 bis 19 Uhr. Erfahrene Segler vom ETUF e.V. bringen den Teilnehmern in lockerer Atmosphäre den Segelsport nahe.

Das Angebot richtet sich an Männer, die durch eine Krebserkrankung belastet sind. Sie können an allen drei Terminen teilnehmen, aber auch nur einen oder zwei auswählen. Anmeldung bei der Krebsberatung Essen unter: 0201-89 533-20 oder per Mail an: krebsberatung.essen@paritaet-nrw.org

Der Online-Männertreff „Gut gegen Kopfkino“ wird vom Journalisten Alexander Greiner moderiert und findet einmal monatlich statt, in der Regel am letzten Donnerstag des Monats von 19 bis 22 Uhr. Ein kurzer Vortrag einer Fachperson eröffnet den Abend. Die Teilnahme ist kostenlos und auch anonym möglich. Eine Anmeldung wird erbeten per Mail an: maennertreff@gutgegenkopfkino.de Weitere Infos auf: www.gutgegenkopfkino.de

Die neue Ansprache, die das Team mit dem Segelprojekt wählt, ist auch ein Ergebnis der bundesweiten Studie „Wag es“ der Uni Mainz, an der die Essener teilgenommen haben. Die Wissenschaftler hatten festgestellt, dass Männer skeptischer sind, wenn es um Beratungsangebote geht: Sie haben oft Sorge, auf eine „Psycho-Schiene“ zu geraten, verwechseln da schon mal Beratung und Psychotherapie.

Online-Gruppe spricht über Themen von Arztgespräch bis Sexualität

Dabei bietet die Anlaufstelle zwar auch Entspannungs- oder Angst-Workshop. Doch die Beraterinnen kümmern sich auch um konkrete Sachfragen zu Hilfeleistungen, Zuschüssen oder Schwerbehindertenausweis. Sie klären Ansprüche, helfen Anträge auszufüllen. Vielen Menschen sei klar, welcher Schock eine Krebsdiagnose sei, sagt Anne Rillig. Was nach Behandlungsende auf sie zukommen, blendeten die meisten dagegen aus. Doch der Krebs verändere das Leben, mitunter wälze er es völlig um.

Rebecca Heinrich, Krebsberatung Essen

„Die Teilnehmer lernen ja nicht nur einander, sondern auch uns kennen und trauen sich dann eher, in die Beratung zu kommen. Und: Wer einmal da war, kommt wieder.“

Rebecca Heinrich von der Krebsberatung Essen sieht das Schnuppersegeln auch als Einstieg in die Beratung

„Viele Männer möchten sich das nicht eingestehen, wollen krampfhaft wieder in ihr altes Leben zurück“, sagt Andreas Murglat. Er sei früher selbst so gewesen, habe lange nicht über den Krebs gesprochen. Bis er das in einer Selbsthilfegruppe lernte: „Da hat man den Austausch mit anderen Betroffenen und die professionelle Beratung.“ Beides biete auch ein virtueller Männer-Treff, der einmal im Monat Betroffene und eine Fachperson online zusammenbringt, sagt Rebecca Heinrich. Da gehe es um Arztgespräch, Reha oder Sexualität.

Im September startet das nächste Schnuppersegeln für Männer

Die nächste Auflage von „Segeln gegen Kopfkino“ startet im September. Murglat empfiehlt: „Einfach mal anrufen und anmelden.“ Krebs nehme einem vieles, aber er könne auch Chancen eröffnen, die man im alten Leben zwischen Arbeit, Familie, Stress und Routine nicht gesehen habe: „Und jetzt probiert man manches einfach mal aus.“ Zum Beispiel Segeln.

Schnuppersegeln für Männer startet im September

Das „Segeln gegen Kopfkino“ findet an drei Donnerstagen statt: am 19. September, 26. September und 10. Oktober, jeweils von 16 bis 19 Uhr. Erfahrene Segler vom ETUF e.V. bringen den Teilnehmern in lockerer Atmosphäre den Segelsport nahe.

Das Angebot richtet sich an Männer, die durch eine Krebserkrankung belastet sind. Sie können an allen drei Terminen teilnehmen, aber auch nur einen oder zwei auswählen. Anmeldung bei der Krebsberatung Essen unter: 0201-89 533-20 oder per Mail an: krebsberatung.essen@paritaet-nrw.org

Der Online-Männertreff „Gut gegen Kopfkino“ wird vom Journalisten Alexander Greiner moderiert und findet einmal monatlich statt, in der Regel am letzten Donnerstag des Monats von 19 bis 22 Uhr. Ein kurzer Vortrag einer Fachperson eröffnet den Abend. Die Teilnahme ist kostenlos und auch anonym möglich. Eine Anmeldung wird erbeten per Mail an: maennertreff@gutgegenkopfkino.de Weitere Infos auf: www.gutgegenkopfkino.de