Essen.. Findet die Neuausrichtung des Grend-Theaters Publikumszuspruch? Felix Sommer, seit einem Jahr künstlerischer Leiter, hat die Antworten.

Weniger Ruhrgebietskomödie, mehr Vielfalt soll künftig im Grend-Theater geboten werden. Felix Sommer, seit einem Jahr künstlerischer Leiter der Steeler Bühne, zieht eine erste Bilanz und ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. „Alles, was wir uns vorgenommen haben, hat sich eingelöst“, sagt er. Der von ihm eingeleitete Wandel ist in vollem Gange.

Essener Grend-Theater verzeichnet 30 Prozent mehr Publikum

Ein spannendes, ereignisreiches Jahr liegt hinter ihm. Der 46-Jährige, der 20 Jahre als freier Schauspieler und Regisseur unterwegs war, ist jetzt in der Entscheidungsposition. „Was es mir leicht gemacht hat, ist das tolle Arbeitsklima im Grend. An das Chefsein muss ich mich noch gewöhnen“, meint er. An die ersten Erfolge wohl kaum. „Im ersten Halbjahr 2024 hatten wir 30 Prozent mehr Zuschauer als im ersten Halbjahr 2023. Wir haben das Niveau von 2019 vor der Pandemie erreicht“, berichtet Sommer.

Die Mutter aller Ruhrgebietskomödien: „Freunde der italienischen Oper“, hier mit Rainer Besel als Heinz Kopleck, bleibt am Essener Grend-Theater im Programm.
Die Mutter aller Ruhrgebietskomödien: „Freunde der italienischen Oper“, hier mit Rainer Besel als Heinz Kopleck, bleibt am Essener Grend-Theater im Programm. © Hans-Peter Brodoch
  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

Anfang des Jahres wurde das Theater Freudenhaus in Grend-Theater umbenannt. „Wir wollten einen neutralen Namen, der nicht nur für Ruhrgebietskomödien steht. Und die Umbenennung hat uns nicht geschadet“, ist er sich sicher. Ad acta wollte er den Humor aber keinesfalls legen. Freudenhaus-Klassiker wie Sigi Domkes „Freunde der italienischen Oper“, „Voll verstopft“ oder „Zwei Witwen sehen rot“ verkaufen sich gut und werden weiterhin gespielt. „Stillstand“, „Ab durch die Mitte“ und „Fortuna“ wurden vom Spielplan genommen. „Sie haben nicht mehr genug Zuschauer gefunden“, so Sommer.

Die Bilanz für die ersten beiden Produktionen des Jahres 2024 fallen positiv aus: Bodo Wartkes „König Ödipus“ läuft so gut wie erhofft, Marc-Uwe Klings „Känguru-Chroniken“ sogar besser als erhofft. „Wir konnten damit Jugendliche und ihre Eltern ansprechen.“ Nach der Spielzeitpause startet „Oma auf App-Wegen“ von und mit Lore Duwe-Scherwat sowie Angelika Werner diesmal als betagtes Mutter- und Tochter-Duo durch, die einen familiären Konflikt und anzügliche Chats in den Griff kriegen müssen.

Sehr beliebt: Angelika Werner und Lore Duwe-Scherwat (v.l.) als Duo in „Oma auf App-Wegen“ und „Zwei Witwen sehen rot“ im Essener Grend-Theater.
Sehr beliebt: Angelika Werner und Lore Duwe-Scherwat (v.l.) als Duo in „Oma auf App-Wegen“ und „Zwei Witwen sehen rot“ im Essener Grend-Theater. © Frank Fuchs

Grend-Theater zeigt Unterhaltung und Gesellschaftskritisches

Es folgt Bodo Kirchhoffs „Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf“, das nach 30 Jahren seine Wiederauferstehung feiert. Die Ankündigung des letzten klassischen Striptease in deutschen Landen wird zum Seelenstriptease für den Ansager. „Ich war auf der Suche nach einem Herren-Solo und finde dieses Spiel mit dem Voyeurismus wahnsinnig gut“, begründet der künstlerische Leiter seine Wahl.

Um sogleich einen weiblichen Ausgleich auf die Sicht der Dinge zu schaffen, hat er den Monolog-Zyklus „Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen“ von Christine Brückner in den Spielplan genommen. Vor rund 40 Jahren sorgte er als Buch unter dem Titel „Wenn Du geredet hättest, Desdemona“ für Furore. „Der Text hat an Aktualität nichts eingebüßt. Wir sind mit der Emanzipation noch lange nicht fertig. Die meisten Stücke sind männlich dominiert“, betont Felix Sommer. Das gilt auch für die Regiearbeiten. Es inszenieren ausschließlich Männer.

Dass in der ersten Hälfte der Spielzeit einzig Ein- bis Zwei-Personen-Stücke zu sehen sind, ist kein Zufall. „Wir müssen uns damit einen Freiraum verschaffen für größere Stücke. Wir sind sehr darauf angewiesen, aus eigener Kraft zu produzieren. Mit weniger Personal sparen wir. Und wir haben die deutlich Ausstattung reduziert. Das hilft uns auch, wenn wir die Produktionen an anderen Orten spielen wollen“, erklärt Sommer, der hofft, dass in der zweiten Hälfte der Saison eine Aufführung mit vier Schauspielerinnen und Schauspielern möglich ist. Dafür erhöht sich die Anzahl der Stücke.

Noch mehr Gesellschaftskritisches bietet das Ensemble des Grend Theaters mit der vom Land NRW geförderten Lesereihe „Denk Mal“ zum Thema Demokratie und einem für das Grend Theater ungewöhnlichen Gastspiel vom „neuen schauspiel koeln“. Es zeigt Janne Tellers „Krieg - Stell dir vor, er wäre hier“. In dem zeitgemäßen Text geht es darum, was ein Krieg in Europa bedeuten würde. „Damit gehen wir ein Risiko ein“, sagt Felix Sommer hinsichtlich der Auslastung, „aber wir finden es inhaltlich wichtig.“

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]