Essen. Die Öko-Partei ist plötzlich für Erhalt des Flughafens Essen-Mülheim. In naiver Fortschrittsgläubigkeit wirft sie jahrzehntealte Positionen ab.
Die jüngste Schleife hat etwas von einem Segelflug: Fast lautlos steuert die Mehrheit im Rat der Stadt eine Wende: Die Stadt Essen will den Flughafen Essen/Mülheim nicht länger aufgeben, wie es der Rat 1990 erstmals beschlossen hatte. Damals war nicht abzusehen, dass dieses Thema die Politik noch über Jahrzehnte umtreiben sollte. Erst Gerichte legten fest, dass der Flugbetrieb frühestens im Jahr 2034 auslaufen darf, wenn die Rechte des Aero-Clubs auslaufen. Seitdem begleiteten Kapriolen die politische Debatte, in Essen weniger als in Mülheim, wo über die Zukunft des Flughafens immer schon sehr viel emotionaler diskutiert wurde.
Nun sind sich die schwarz-grünen Mehrheiten einig: Der Flugbetrieb soll fortgesetzt werden, über 2034 hinaus. Sollten dies beide Räte so beschließen, wovon angesichts der Mehrheiten von CDU und Grünen auszugehen ist, wäre dies eine historische Entscheidung. Allein schon deshalb, weil der Flughafen so lange schon unter umgekehrten Vorzeichen auf der Tagesordnung steht.
Die Essener Grünen werfen jahrzehntelange Positionen ab wie lästigen Ballast
Dass es so kommen könnte, deutete sich bereits an. Spätestens, seit die CDU auf ihrem Parteitag 2019 eine Fortsetzung des Flugbetriebes nicht mehr ausschließen wollte. Dass aber auch die Grünen den Steuerknüppel herumreißen und dabei jahrzehntelang gepflegte Positionen abwerfen, als wäre es lästiger Ballast, überrascht dann doch. Flughafen-Gegner bleiben staunend und wütend zurück.
Sie haben sich nie gewöhnen wollen an die lärmenden Propellermaschinen der Flugschulen, die über den Dächern ihrer Häuser ihre Runden drehen. Andere, die weit genug entfernt wohnen, mögen es anders sehen. Für viele dürfte der Flughafen einfach dazu gehören, mit dem Zeppelin am Himmel, der positive Kindheitserinnerungen weckt. Auch bei jenen, die sich den 470 Euro teuren Rundflug nicht leisten können.
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Plötzlich soll am Flughafen Essen/Mülheim möglich sein, was als undenkbar galt
Der Luftschiff-Betreiber WDL hat diese Emotionen geschickt bedient. Dank kluger und hartnäckiger Öffentlichkeitsarbeit ist dem Luftfahrtunternehmen gelungen, die politische Mehrheit zu einem Kurswechsel zu bewegen. 180-Grad-Wende sei das nicht, sagt Stephan Neumann, Fraktionssprecher der Grünen im Essener Rat, und klingt, als fühle er sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Dabei ist es genau das: ein radikaler Kurswechsel. Nicht nur, dass über 2034 hinaus geflogen werden soll. Die Rede ist auch von Düsenjets und einem Instrumentenladensystem, das es ihnen erlaubt, Essen/Mülheim auch bei schlechter Sicht anzusteuern. Plötzlich soll möglich sein, was bisher als undenkbar galt.
In überraschendem Fortschrittsglauben vertrauten die Grünen, die sonst nicht durch Technikfreundlichkeit auffallen, darauf, dass emissionsarme Flugzeuge es richten werden und auch dem Klimaschutz genügen. Das mag man visionär nennen - oder naiv. Den Flughafen wollen sie aus den roten Zahlen steuern. Die Zahl der Flugbewegungen dürfe aber nicht steigen. Hört sich an, als würden sie dem Braten selbst nicht trauen.
Es ist nicht lange her, da hat sich die Politik intensiv mit der Frage befasst, ob sich das Flughafenareal nicht sinnvoller nutzen ließe im Sinne des Allgemeinwohls - durch den Bau von Wohnungen, die fehlen, und durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben, die höhere Steuereinnahmen erwarten lassen. Und dies alles, ohne den Artenschutz außer Acht zu lassen.
CDU und Grüne steuern in eine andere Richtung, indem sie den Flughafen erhalten wollen. Zahlen müssen erst einmal die beiden Städte, denn Investitionen in Millionenhöhe in die Infrastruktur sind erforderlich. Ob sich der Flughafen tatsächlich bezahlt macht, ist nicht ausgemacht. Das Risiko tragen wir Steuerzahler. Man kann am Flughafen festhalten, nur dafür zahlen sollten diejenigen, die unbedingt fliegen wollen.
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