Essen-Haarzopf. Zu laut, zu aufbrausend: Der Mietvertrag von Florian Nieckut (30) wurde gekündigt. Warum seine Mutter gerade bei der Wohnungssuche verzweifelt.

Barbara Bredenfeld aus Essen-Haarzopf ist verzweifelt: Ihr Sohn Florian Nieckut (30) sucht dringend eine Wohnung. Das Problem: Er leidet unter diversen Beeinträchtigungen. Auf dem freien Markt ist eine passende Bleibe offenbar nur schwer zu finden. „Mein Sohn fällt überall durchs Raster“, sagt die Mutter, die die Hoffnung aber nicht aufgeben will.

Seit rund fünf Jahren lebt der 30-Jährige in einem Haus der Lebenshilfe in Altendorf in einer eigenen Wohnung, wo er aber nicht bleiben kann. Dort meistert er seinen Alltag weitgehend selbstständig, regelmäßig schaut ein Sozialarbeiter vorbei. Jetzt hat Florian Nieckut die Kündigung erhalten. Immer wieder sei es zu Konflikten mit den anderen Bewohnern gekommen.

„Florian ist taub, er kann nur mit Hilfe eines Cochlea-Implantats etwas hören. Durch seine Taubheit ist er ziemlich laut, er lässt oft Gegenstände fallen“, beschreibt die Mutter die Situation. Aufgrund der Aufmerksamkeitsstörung ADHS kann sich Florian Nieckut zudem schlecht konzentrieren, ist hyperaktiv und kann sein Verhalten oft nur schwer kontrollieren.

Essener mit Handicap möchte weiter selbstständig in einer eigenen Wohnung leben

In der Wohngruppe sei die Stimmung deshalb so angespannt, dass es für alle Beteiligten besser sei, dass er ausziehe. Den Verantwortlichen der Lebenshilfe, die ihren Sohn seit Jahren betreuen, macht sie keine Vorwürfe, es bestehe ein echtes Vertrauensverhältnis. „Er wird dort super betreut und hat Ansprechpartner, mit denen er gut zurechtkommt.“ Da bei ihrem Sohn auch das Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus, diagnostiziert worden sei, seien Kontinuität und Sicherheit für ihn sehr wichtig.

Deshalb wäre ein Wechsel in ein Haus einer anderen Institution für Florian Nieckut nicht sinnvoll, findet die Haarzopferin. Er soll auch in einer neuen Wohnung von den gewohnten Personen betreut werden. „Wir haben nur das eine Haus mit Mietwohnungen hier in Essen, alles andere sind Wohngruppen, die für Florian erfahrungsgemäß nicht geeignet sind, weil er besser in seinen eigenen vier Wänden klarkommt“, so die Einschätzung von Betreuerin Anja Zwingmann von der Lebenshilfe.

Der Versuch, eine Wohnung von privat anzumieten, sei bisher erfolglos verlaufen. „Wenn ich die Wahrheit über Florians Beeinträchtigungen schreibe, bekomme ich oft gar keine Antwort mehr. Wenn ich eine Wohnung für mich selbst mieten wollte, würde es funktionieren“, berichtet Barbara Bredenfeld, die selbst bei der Stadt arbeitet, von ihren Erfahrungen. Falsche Tatsachen vorzutäuschen, sei aber nicht ihre Art, mag sie die Hoffnung auf einen verständnisvollen Vermieter oder eine Vermieterin nicht aufgeben. Es gebe sogar die Möglichkeit, dass Kosten für eine bessere Schallisolierung übernommen werden könnten.

Auch die Suche bei Wohnungsgesellschaften war bisher erfolglos

Auch bei Wohnungsgesellschaften habe sich die Suche als schwierig erwiesen. „Da wurde mir gesagt, dass die Miete aus einer Hand kommen muss.“ Das Problem: Die Stadt übernehme 435 Euro monatlich an Mietkosten für ihren Sohn, der in den Werkstätten des Franz-Sales-Hauses in Kupferdreh arbeitet. Dort verdiene er nur 133 Euro im Monat. „Wir würden als Familie durchaus im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas zu Florians Miete beitragen, aber es scheint ein Problem zu sein, dass die Stadt einen Teil der Summe überweist und wir den anderen.“ Noch liefen allerdings Gespräche, um eine Lösung zu finden.

Diese führt seine Mutter, Florian Nieckut selbst wäre damit überfordert. Seine kognitiven Beeinträchtigungen seien darauf zurückzuführen, dass er zu früh geboren wurde. Mit einem Jahr sei bei ihm Taubheit diagnostiziert worden. Hörgeräte hätten keinen Erfolg gebracht. Erst durch ein Cochlea-Implantat könne er etwas hören und auch sprechen.

Im Laufe seiner Kindheit und Jugend habe ihr Sohn diverse schulische und berufsbildende Einrichtungen besucht, sei dort aber überall irgendwie falsch gewesen, so die Haarzopferin. Durch das Implantat sei er nicht komplett taub, ein reiner Autist sei er aber eben auch nicht. „In der Schule kam Florian nicht gut klar, war verhaltensauffällig, zuweilen auch aggressiv. Er war am Ende so deprimiert, dass ich ihn monatelang zu Hause gelassen habe, weil er dort nicht mehr hingehen wollte“, so Barbara Bredenfeld.

Ein Schuppen zum Werkeln wäre wünschenswert

Florian Nieckut interessiert sich sehr für Elektronik und ist – im Sinne einer „Inselbegabung“ – handwerklich „ein echtes Genie und dabei sehr kreativ“, wie ihm Anja Zwingmann von der Lebenshilfe bescheinigt. Deshalb wünscht er sich nicht nur eine eigene, kleine Wohnung, sondern auch einen Schuppen oder eine Garage, wo er seine Werkbank aufstellen und zum Beispiel Elektrogeräte reparieren kann, ohne jemanden zu stören. „Da wird er dann wahrscheinlich die meiste Zeit verbringen“, ist seine Mutter überzeugt, die sehr stolz auf ihren Sohn ist, dass er trotz seines Handicaps sein Leben gut gelaunt und weitgehend selbstständig meistert.

Wer bei der Wohnungssuche helfen kann, kann unter a.zwingmann@lebenshilfe-essen.de Kontakt zur Familie aufnehmen.